Kommentar: “Klimahysterie” – das “Un-Unwort” des Jahres

So, da haben wir es also, das Unwort des Jahres.
Und …

(Trommelwirbel)
… es ist “Klimahysterie”.

Ein Kommentar von Hasepost-Herausgeber Heiko Pohlmann.

Und ja, es mag sein, dass diese Wortschöpfung in der Diskussion um den Klimawandel immer dann Verwendung findet, wenn einige Zeitgenossen mit der Weltrettung mal wieder ordentlich über das Ziel hinausschiessen. Vielleicht aber wird dieses Wort durchaus zurecht verwendet? Warum ist es denn eigentlich ein “Unwort”?

Ich will mich hier gar nicht auf das unsagbar glatte Eis bewegen, irgendwie darüber zu diskutieren, ob es den Klimawandel gibt, wer oder was ihn verursacht hat und ob wir selbst, unsere Kinder oder erst unsere Enkelgeneration signifikant davon betroffen sein werden.
Es gibt den Klimawandel, Punkt. Er hat erhebliche Auswirkungen auf unser Leben, Punkt. Und dass wir als Menschheit massiv über unser Verhältnisse leben, darüber will ich auch nicht diskutieren, für mich auch ein Fakt, Punkt! Und ja, wir müssen unser Leben ändern und mit uns Milliarden anderer Menschen, und zwar von Norwegen bis Kapstadt und von Kalifornien bis in die Mongolei. Und mit dabei: wir, du, Sie, ich.

Aber, wenn zum Beispiel in unserem kleinen Wohlfühldorf, dem (warum auch immer) mit einer Umweltzone ausgestatteten Osnabrück unter Führung der Grünen und mit Beifall von einigen Hundert Schulkindern versucht wird, den Klimanotstand auszurufen, dann sind mindestens die Maßstäbe abhanden gekommen – wo zwischen Teutoburger Wald und Wiehengebirge ist denn der Notstand?
Oder wenn jüngst die Fridays-for-Future-Bewegung den Siemens-Konzern unter Druck setzen, weil dieser Signaltechnik für ein Kohlebergwerk verkauft, dann sehe ich persönlich schon erste Anzeichen von Hysterie.
Da muss ich gar nicht erst auf meiner Festplatte nach Bildern der durchaus komischen Aktion der Osnabrücker Anhänger von Extinction Rebellion suchen, die sich in diesem Herbst in scheinbarer Todessehnsucht zwischen einkaufenden Passanten auf den Boden der Osnabrücker Fußgängerzone geschmissen haben (siehe oben als Illustration).

Wie viel sinnvoller wäre es doch gewesen, wenn sich diese jungen Menschen ein paar Monate vorher, im Dezember 2018, in Ibbenbüren an die Werkstore gekettet hätten, um gegen die seinerzeit vollzogene Einstellung des Steinkohlebergbaus zu demonstrieren?!
Denn das (im weltweiten Vergleich moderne!) Kohlekraftwerk in Ibbenbüren läuft weiter, und zwar mit vom Brennwert her deutlich schlechterer Kohle aus Australien und Südafrika, die mit großen Frachtschiffen über die Weltmeere transportiert wird, wobei nochmals ordentlich Dreck in die Luft geblasen wird.
Auch mit der guten Anthrazit-Kohle aus dem Berg direkt unter dem Kraftwerk wäre die Kohleverstromung sicher ein Umweltfrevel gewesen – ich persönlich bin ja der Atomenergie gar nicht so abgeneigt und hoffe, dass irgendwann mal Fusionsreaktoren oder Solarstrom aus Äquatornähe unsere Energieprobleme lösen – aber was soll der symbolträchtige Abschied von der heimischen Steinkohle, wenn wir dafür weiter auf Braunkohle und auf Importkohle von der Südhalbkugel dieser Erde setzen und sei es nur übergangsweise? Und keiner demonstriert dagegen!
Fast keiner: Eine vor bereits zwei Jahren(!) gestartete Petition gegen diesen Wahnsinn wurde bis heute 356 mal unterzeichnet. Lag es womöglich daran, dass der “alte weiße Mann”, der sich konkret gegen den Australien-Kohle-Import für das Kraftwerk in seinem Heimatort Ibbenbüren engagierte, nicht hysterisch genug war? Um wie viel sinnvoller ist es da, gegen den Verkauf von ein paar Eisenbahnsignalen und Stellwerken zu protestieren? In meinen Augen nicht!

Vielleicht ist diese Ignoranz nicht (klima-)hysterisch, aber irgendein mentaler Defekt scheint ja wohl ursächlich zu sein, wenn es nur noch darum geht, möglichst symbolträchtig gegen den Klimawandel vorzugehen, statt einfach mal nachzudenken und vielleicht auch nur ein paar Bäume zu pflanzen oder darauf zu achten, dass Äpfel vom heimischen Bauern kommen. Man kann sich auch auf Entdeckungsreise im Weinregal begeben, denn manch ein heimischer Blauburgunder kann es jederzeit mit einem Merlot aus Chile oder Argentinien aufnehmen! Und ernsthaft, muss es immer das hippe Hipster-Craftbeer aus den USA, Großbritannien und Belgien sein oder holländisches Einheitsbier aus der grünen Blechdose? Alleine wenn wir unsere eigenen Einkaufsgewohnheiten überdenken würden, könnten wir sicher mehr für die Umwelt tun als mit aller Symbolpolitik, die im Augenblick das Handeln und die Forderungen vor allem junger Menschen bestimmt.

Aber was rege ich mich über Fakten auf …? 

Da passt es gut, dass erst via Twitter, inzwischen auch bei CNN, die Meldung umgeht, dass in einem Nationalpark der USA ein Hinweisschild an einem Gletscher demontiert werden musste, der nach Ansicht von (sorry) Hysterikern angeblich schon in diesem Jahr verschwunden sein sollte. Ist er aber nicht…

Was wirklich blöde ist, dass mit voreiligen Hiobsbotschaften (angeblich sollte ja auch schon das Polarmeer mehrmals eisfrei gewesen sein etc.) den wirklich üblen Gesellen, die regelmäßig den Aluhut aufsetzen und neben dem Klimawandel auch die Grundfesten unserer Gesellschaft und Demokratie in Zweifel stellen und sich vielleicht auch noch das Kaiserreich herbeisehnen, hervorragende “Munition” an die Hand gegeben wird. Damit ist aber niemandem gedient – im Gegenteil.

Ich mag keine Extreme, egal von welcher Seite, da könnte ich hysterisch werden, und das sicher mit Recht!


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

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