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Guten Abend,

Justus Möser
Justus Möser

ein Mensch ist erschossen worden! An der Iburger Straße. Einfach so, am hellichten Tag in einem Supermarkt. Er war mit seiner Frau einkaufen. Wollte vielleicht grade eine Tüte mit Erbsen oder eine Packung Fleisch in den Einkaufswagen legen. Prüfte die Qualität des Obstes, nahm eine Flasche Cola aus dem Regal, eine Dose Babynahrung oder ein paar Windeln. Ich weiß es nicht. Dann kam der Tod.

Als ich von dem gewaltsamen Ende des 45jährigen Mannes erfuhr, war ich geschockt. Da war doch was. Vor ein paar Jahren. Damals hatte es den 22jährigen Matthias B. aus Ibbenbüren erwischt. Auch an der Iburger Straße. Ganz plötzlich, mitten in der Nacht. Er war mit ein paar Freundinnen unterwegs, vier andere junge Leute kamen ihnen entgegen, ein Wort gab das andere, es wurde mit vereinten Kräften auf Matthias B. eingeschlagen, eingetreten, schließlich ein Messer gezückt. Der junge Mann starb an seinen Verletzungen. Ich stelle mir seine Freundinnen vor, die das alles mitansehen mußten. Die angsterfüllten Augen, die furchtbare Verzweiflung, die Hilflosigkeit, die Wut.

Der Tod hat oft etwas sehr Banales an sich. Man möchte mit ihm nichts zu tun haben, und dann tritt er doch mitten in unser Leben. Unverhofft, mit der ihm ganz eigenen Brutalität, die nicht unbedingt mit Waffen zu tun haben muß. Der Tod läßt uns einen Moment innehalten und über unser eigenes Leben nachdenken. Über die Zeit, die uns noch bleibt, über die Pläne, die wir noch haben, die Träume und Wünsche. Der Tod macht alles zunichte. Er ist kein Freund, auch wenn er für manche Menschen eine Erlösung sein mag. Der Tod reißt Familien auseinander, nimmt uns die Eltern, die Kinder, die Partner, die Verwandten und Bekannten. Er nimmt uns die Menschen, die uns etwas bedeutet haben, die unser Leben ein Stück begleiteten und prägten. Er hinterläßt eine unfaßbare Leere, er nimmt uns die Sicherheit, die wir doch so dringend brauchen, er nimmt uns ein Stück Liebe, ein Stück Vertrauen in Gott oder wen auch immer. Der Tod ist schrecklich.

Die Iburger Straße scheint ein gutes Pflaster für den Tod zu sein. Ich finde das sehr schade. Als ich noch ein Kind war, ist meine Mutter mit mir oft zur Iburger Straße gegangen. Dort gab es einen guten Kinderarzt. Der mußte mich immer gesund machen, wenn es mir schlecht ging. Ich war mit meiner Mutter gerne in der Iburger Straße. Sie ist eine der meistbefahrenen Straßen in Osnabrück. Dort wohnen viele Menschen, dort ist Leben, dort ist was los, man kann was essen gehen, Party machen, Leute treffen… und einkaufen. Und dann kommt plötzlich der Tod. Und wir sehen die Iburger Straße mit anderen Augen. Wir sehen, wie zerbrechlich unser Leben ist, wie ungewiß die Zukunft, wie schmal der Grad, auf dem wir gehen. Wir sehen Polizeifahrzeuge, Blaulicht, Absperrband. Es ist wie im Film. Mitten in Osnabrück an einem scheinbar ganz normalen Donnerstag. Um die Mittagszeit. Wo wir eigentlich Pause machen und uns ein bißchen erholen wollen. Wo wir zuhause anrufen und fragen, ob alles gut ist. Ob man uns noch liebhat und an uns denkt. Wo wir Pläne für den Abend machen oder uns einfach schon mal auf den Feierabend freuen.

Der Tod kennt keinen Feierabend. Er kennt keine Uhrzeit, er kennt keine Straßen. Er ist einfach da. Ich will nicht wissen, warum er kommt. Seine Beweggründe interessieren mich nicht. Ob es um Grundstücke geht, um Geld, um Frauen, um verletzte Eitelkeiten, um Ehre und Gewissen, das ist mir egal. Ich mag den Tod nicht. Und ich mag auch die nicht, die sich zu seinem Handlanger machen. Es gibt für alles eine Lösung, der Tod ist immer die schlechteste. Die dürft ihr nicht wählen. Und lasst endlich die Iburger Straße in Ruhe, sie hat genug mitgemacht!

Bis nächsten Freitag. Nachdenklich und traurig wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende!

Ihr

Justus Möser


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Justus Möser
Justus Möser
Justus ist unser "ältester Mitarbeiter", seit 1720 wandelt er durch unsere Stadt - wobei er inzwischen eher "geistert". Sein Vertreter in der Gegenwart ist unser Autor Wolfgang Niemeyer, der sich in dieser Kolumne regelmäßig darüber Gedanken macht „was würde Möser dazu meinen“?

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