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U.A.w.g.: Warum geht in Paris, was auf dem Osnabrücker Ledenhof angeblich unmöglich war?

Was bedeutet „U.A.w.g.“? – „Um Antwort wird gebeten!“ Diesmal von Stadtbaurat Timo Weitemeyer, der die Umgestaltung des Ledenhofs von seinem Amtsvorgänger Frank Otte übernommen hat und im Frühjahr mit der Aussage überraschte, der Ledenhof sei eine „sehr schöne, gut entworfene und sehr funktionale Planung.“

[7. Sept. 2025: Eine Antwort von Stadtbraut Weitemeyer liegt inzwischen hier vor.]

Ein Kommentar von Heiko Pohlmann

Viele Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt – das zeigen zahlreiche Reaktionen auf Berichte zur Umgestaltung des Ledenhofs – sehen das jedoch anders, für sie ist der neue Ledenhof alles andere als „schön“.
Und die, die über ihre Steuergelder das alles bezahlen müssen, zweifeln auch an der Aussage der Verwaltung, dass eine „Nicht-Versiegelung“ technisch unmöglich gewesen sei. Und das war sie wohl auch nicht, wie ein Blick nach Frankreich zeigt.

unter diesem kleinen Wäldchen ist eine Tiefgarage / Foto: Guillaume Bontemps / Ville de Paris
Unter diesem kleinen Wäldchen ist eine Tiefgarage / Foto: Guillaume Bontemps / Ville de Paris

Osnabrück realisiert mit Schrecken, was am Ledenhof passierte

In Osnabrück ist die Umgestaltung des Ledenhofs zum Symbol einer verpassten Chance geworden. Statt einer entsiegelten und deutlich grüneren Fläche dominiert Asphalt – eingefärbt durch beige Steinchen, die den verwendeten Asphalt kaschieren sollen, aber dennoch versiegeln. Nur wenige, dazu noch sehr kleine Bäume schaffen keinen Schatten, sondern verstärken den Eindruck: Fehlplanung!
Dass der Wochenmarkt und zukünftig auch noch andere Veranstaltungen ihren Platz auf dem Ledenhof finden sollen, steht dabei überhaupt nicht zur Debatte. Aber doch bitte umrahmt von (viel mehr und vor allem größeren) Bäumen und das alles nicht auf einer großflächig asphaltierten und damit versiegelten Fläche.

Wärmebildkamera zeigt neuen Ledenhof, 02.07.2025, Foto: Pohlmann
Wärmebildkamera zeigt über 50 Grad auf dem neuen Ledenhof, 02.07.2025, Foto: Pohlmann

Nachdem sich im Frühsommer das ganze „Elend“ offenbarte, die Teermaschinen anrückten und Stadtrat Heiko Panzer (SPD) entsetzt erklärte, dass er von der Umsetzung überrascht wurde, begründete die Stadtverwaltung die Ledenhof-Versiegelung damit, dass die ursprünglich der Politik und den Bürgern präsentierten Pläne eines teuer eingekauften Berliner Planungsbüros wegen der unter dem Ledenhof gelegenen Tiefgarage schlicht nicht umsetzbar gewesen seien.

Andere Städte entdecken bei Tiefbauarbeiten Artefakte aus der Römerzeit oder Germanengräber – in Osnabrück sind es Tiefgaragen?

Paris schafft innerhalb weniger Monate eine „îlot de fraîcheur“, eine „Insel der Frische“

Schauen wir knapp 600 Kilometer Luftlinie nach Westen: Direkt vor dem Pariser Rathaus (Hôtel de Ville), genau über einer Tiefgarage, angrenzend an eine ebenfalls unterirdische Metro-Station, wurde in den vergangenen Monaten tatsächlich eine urbane Waldfläche angelegt. Ziel der Stadt war es ausdrücklich, städtische Wärmeinseln zu bekämpfen, Biodiversität zu fördern und eine „îlot de fraîcheur“ – eine Insel der Frische – zu schaffen. Mehr als 150 Bäume wurden gepflanzt, viele bereits zwischen sechs und zehn Meter hoch.

Bäume, bereits bis zu 10 Meter hoch, geliefert auch aus Deutschland und von den Baumschulen speziell darauf vorbereitet um auf einer Tiefgarage zu gedeihen
Bäume, bereits bis zu 10 Meter hoch, geliefert auch aus Deutschland und von den Baumschulen speziell darauf vorbereitet um auf einer Tiefgarage zu gedeihen / Foto: Guillaume Bontemps / Ville de Paris

Unter den Baumarten finden sich im neuen Pariser Stadtwald europäische Klassiker wie Eichen und Hainbuchen, aber auch klimaresiliente Exoten wie amerikanische Feigenbäume und Gleditschien, die auch am Osnabrücker Ledenhof neu gepflanzt wurden. Großer Unterschied (auch sichtbar „größer“): Die in Paris gepflanzten Bäume sind teilweise schon 20 bis 30 Jahre alt und wurden von deutschen und niederländischen Baumschulen bezogen und auf Tiefladern nach Paris gebracht.

Am Ledenhof heizt sich die Fläche inzwischen hingegen an sonnigen Tagen auf über 50 Grad Celsius auf, wie Messungen unserer Redaktion zeigen – Schatten gibt es nicht, die „Bäumchen“ werden wohl noch ein paar Jahrzehnte brauchen. In Paris hingegen können Besucher bereits jetzt unter schattigen Bäumen flanieren. Dort wurde technisch vorgemacht, was in Osnabrück als „unmöglich“ dargestellt wurde.

Clevere Lösungen in Paris – Ausreden in Osnabrück?

Die Herausforderung einer Tiefgarage unter der Erde wurde an der Seine nicht als Ausrede genutzt, sondern als technische Aufgabe verstanden. Diese wurde nach Angaben der Pariser Stadtverwaltung gelöst – zum größten Teil in Eigenleistung:

  • Präzise Standortplanung unter Berücksichtigung der Tiefgarage: Mit der Tiefgarage und angrenzenden Metro-Station waren die Herausforderungen hoch, doch die Pariser Stadtplaner hatten sie schon vor Beginn „auf dem Schirm“. Jeder Pflanzort wurde entsprechend gewählt oder durch tiefe Pflanzbeete so vorbereitet, dass Wurzeln keine Konflikte mit der Tiefgarage oder Leitungen verursachen.
  • Angepasstes Wurzelsystem von speziell vorbereiteten Bäumen: Die in spezialisierten Baumschulen in Deutschland und den Niederlanden ausgewählten Bäume wurden mehrfach verpflanzt, damit ihre Wurzeln sich an kleinere Volumina gewöhnen und in den vorgesehenen Pflanzgruben stabil weiterwachsen können.
  • 3.500 Kubikmeter spezielles Substrat: Um trotz geringer Tiefe ausreichend Nährstoffe und Stabilität zu bieten, wurde ein Substrat aus Steinen, Erde und Kompost eingebracht. „Die Pflanzerde wurde zusammen mit den Agrar- und Forstingenieuren der Stadt Paris entwickelt“, erläutert eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung.
  • Bis zu zwei Meter Pflanztiefe durch Pflanzbeete: Über der Tiefgarage wurden Geländeformen modelliert und Metallleisten eingesetzt, um die Erdschicht auf bis zu zwei Meter zu erhöhen – Platz für 49 große Bäume. Wo weniger Platz war, wurden rund 100 kleinere Bäume gesetzt. Insgesamt also etwa 150!
Erst im vergangenen Oktober wurden die Pläne veröffentlicht, im Frühjahr wurden die Bäume gepflanzt
Erst im vergangenen Oktober wurden die Pläne veröffentlicht, im Frühjahr wurden die Bäume gepflanzt / Foto: Guillaume Bontemps / Ville de Paris

Eigenregie der Pariser Verwaltung statt Vertrauen in teure Planer in Berlin

Bemerkenswert ist vor allem die Organisation der Arbeiten und die Geschwindigkeit der Umsetzung: Nach Angaben der Pariser Stadtverwaltung wurden große Teile der Planung in Eigenregie durchgeführt, federführend von der Abteilung „Espaces verts et Environnement“. So konnten Abläufe beschleunigt und Entscheidungen pragmatisch getroffen werden.

Die Bauzeit? Deutlich kürzer als in Osnabrück: Während am Ledenhof über fünf Jahre(!) von der Vorstellung der Pläne bis zur Fertigstellung vergingen, wurde das Pariser Projekt innerhalb weniger Monate realisiert. Erst im Oktober vergangenen Jahres wurden die Pläne durch die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo öffentlich präsentiert, dann rückten die Bagger an und bereits im Juni standen die Bäume – über der Tiefgarage.

Heißer Asphalt in Osnabrück – kühler Schatten in Paris

Und die Kosten? 9 Millionen Euro in einer der teuersten Städte Europas. Der Osnabrücker Ledenhof kostete „nur“ rund 5 Millionen Euro – wobei diese Zahl noch nicht final ist. Ein Schnäppchen in Osnabrück also? Wohl kaum, wenn man sieht, was die Pariser bekommen haben – und was die Osnabrücker schmerzlich vermissen: Grün, ein gesundes Stadtklima und Bäume, die den Namen auch verdienen.
Am Ledenhof heizt sich die Fläche inzwischen auf über 50 Grad Celsius auf – Schatten gibt es nicht. In Paris hingegen können Besucher schon jetzt unter großen Bäumen flanieren. Dort wurde technisch vorgemacht, was in Osnabrück als „unmöglich“ dargestellt wurde.

Wollte man es sich in Osnabrück einfach nur einfach machen?

Der Vergleich ist ernüchternd: Es ist also doch möglich innerstädtische Plätze über Tiefgaragen zu entsiegeln und zu begrünen – Paris hat es vorgemacht.
Die entscheidenden Unterschiede scheinen weniger technischer Natur zu sein, sondern eine Frage des politischen Willens, der planerischen Konsequenz und einer Orientierung an einem durchaus auch ambitionierten Ziel – nicht einfach nur „wir machen irgendwas und gehen den leichtesten Weg“, frei nach dem Motto „es ist ja nur Steuergeld“.

Nochmals: Während in Osnabrück die Verwaltung erklärte, dass nicht einmal eine „ungebundene Decke“ technisch machbar gewesen sei, pflanzte Paris innerhalb weniger Monate über 150 Bäume – viele davon hochgewachsen. Geht nicht, gibt´s nicht – in Paris, aber nicht in Osnabrück.

Lieber Stadtbaurat Timo Weitemeyer, um Antwort wird gebeten: Warum geht in Paris, was auf dem Osnabrücker Ledenhof angeblich unmöglich war?


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11
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