Mösers Meinung: Über die Delegitimierung des Staates

Unser wohl ältester Mitarbeiter meldet sich zurück! Unsere Leserinnen und Leser lieben ihn oder sie lehnen ihn und seine Ansichten oft auch vehement ab. Genau wie sein historisches Vorbild macht “unser Justus” aus seiner liberal-konservativen Weltanschauung keinen Hehl, und das schon seit mehr als 100(!) Kolumnen, die bereits seit 2015 exklusiv bei der HASEPOST erscheinen.

Guten Abend,
der Verfassungsschutz hat sich dafür ausgesprochen, der Delegitimierung des Staates auf das Entschiedendste entgegenzutreten. Was meint er damit? Wo beginnt die Delegitimierung des Staates, wo wird die Grenze zwischen legitimer Kritik sowie grundgesetzlich verbriefter Meinungsfreiheit überschritten und der Bereich der Illegalität gegenüber staatlichen Organisationen und ihren Repräsentanten erreicht? Wie so oft stellt der Verfassungsschutz einen Begriff in den Raum, der näher definiert werden muss. Schließlich ist nicht jeder von uns von Haus aus Politikwissenschaftler.
Laut Verfassungsschutz bezeichnet die relevante Delegitimation des Staates folgende Bereiche:
– die Verächtlichmachung von demokratisch gewählten Repräsentanten des Staates
– die Absprechung der Legitimität von staatlichen Institutionen und ihren Vertretern
– der Aufruf zum Ignorieren von gerichtlichen Entscheidungen und Anordnungen
– die Sabotage von staatlichen und öffentlichen Institutionen mittels Sachbeschädigung
– der Aufruf zu Widerstandshandlungen gegen die staatliche Ordnung
‘Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande?!’ äußerte der Kirchenlehrer Augustinus von Hippo im vierten Jahrhundert. Dieses in vielerlei Zusammenhängen gerne genutzte Zitat sollte sich jeder Repräsentant des Staates als oberste Maxime zu eigen machen. Denn vor jeder Delegitimierung steht die Legitimierung. Und dieser Herausforderung haben ganz besonders die Spitzenpolitiker unseres Landes Rechnung zu tragen. Anstatt eine fortschreitende Delegitimierung des Staates durch wen auch immer (bevorzugt sogenannte “Corona-Leugner” und als “rechts” bezeichnete Gruppierungen) zu beklagen, sollte von ihrer Seite überzeugend die Rechtsstaatlichkeit all ihres Handelns in den Vordergrund gerückt werden.
‘Die Würde des Menschen ist unantastbar, sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.’ Das steht in Artikel 1 unseres Grundgesetzes. Und darauf folgt: ‘Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.’ Aus diesen schlichten Sätzen lässt sich im Grunde die Rechtfertigung für alles politische Handeln herleiten. Nicht die Delegitimierung des Staates sollte deshalb beklagt werden, stattdessen muss die Großartigkeit der Legitimität des Staates als Grundlage unseres Zusammenlebens die Motivation aller politischen Handlungen sein. Das bedeutet natürlich auch einen gewissen Rechtfertigungsdruck bei der Verabschiedung von Gesetzen. Und es sollte auch Mahnung sein, Ideologie nie über das Wohl der Bevölkerung zu stellen. Wo das Recht von großen Räuberbanden mit Füßen getreten wurde, wie im Kommunismus und Nationalsozialismus, hat das Volk immer besonders schwer zu leiden gehabt. Aus diesem Grund sollte der Verfassungsschutz nicht die fortschreitende Delegitimierung des Staates beklagen. Dadurch wird sie nicht weniger, sie rückt höchstens noch mehr in den Fokus einer aufgrund der wenig zuverlässigen Politik der Ampel-Koalition verunsicherten Bevölkerung. Politiker müssen in erster Linie die Rechtmäßigkeit und die Orientierung am Gemeinwohl bei der Gestaltung ihrer Politik aufzeigen. Dann wird ein Schuh draus. Und dann benötigen wir auch kein sogenanntes Demokratieförderungsgesetz mehr, um mißliebigen Meinungen entgegentreten zu können. Wenn das Recht an oberster Stelle steht, dann entfällt jegliche Basis für die Delegitimierung des Staates.

Ich wünsche allen HASEPOST-LESERN ein frohes Osterfest.

Ihr

Justus Möser

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Justus Möser
Justus Möser
Justus ist unser "ältester Mitarbeiter", seit 1720 wandelt er durch unsere Stadt - wobei er inzwischen eher "geistert". Sein Vertreter in der Gegenwart ist unser Autor Wolfgang Niemeyer, der sich in dieser Kolumne regelmäßig darüber Gedanken macht „was würde Möser dazu meinen“?

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