Kommentar: Soll den Osnabrücker Stadtwerken die Belieferung mit Erdgas verboten werden?

“Die Stadtwerke dürften zur Konformität mit dem Ratsbeschluss ab 2035 kein Erdgas mehr anbieten (weder für Privat- noch für Industriekunden)”, dieser Halbsatz, der in einer Beschlussvorlage zur jüngsten Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt (StUA) zu finden war, sollte doch Sprengkraft besitzen?

Heiko Pohlmann wundert sich über Kommunalpolitiker und deren Sinn für Realitäten (ein Meinungsbeitrag)

In der Sitzung am Donnerstag  überboten sich insbesondere die Vertreter der Grünen und der SPD in Appellen, die annehmen lassen, dass das Weltklima ausgerechnet zwischen Wiehengebirge und Teutoburger Wald zur Rettung ansteht.
Absoluter Höhepunkt des Alarmismus, aus Sicht des Beobachters von der Pressebank, war der Redebeitrag der grünen Ratsfrau Christiane Balks-Lehmann, die ernsthaft anregte, dass man vor dem Hintergrund der Klimakrise doch analog zu den Krisenstäben während der Corona-Pandemie, Vertreter der Verwaltung für die Verfolgung der Klimaziele der Stadt einspannen könne.

Wie zu Corona: Verwaltungsmitarbeiter sollen Klimaschützer werden?

Wer also in Zukunft nach bestandener Führerscheinprüfung noch ein paar Monate länger auf die Ausstellung eines Führerscheins warten muss, dürfte sich dann wohl glücklich schätzen, dass die ohnehin schon unterbesetzte Führerscheinstelle ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einsatz für das Klima abkommandiert hat – Autofahren ist ja nach Ansicht der Grünen eh doof.

Und Kindergeld, Gewerbeanmeldungen oder Eheschließungen und was sonst noch der steuerzahlende Bürger von seiner Verwaltung erwartet … brauchen wir erstmal nicht, bis der von Frau Balks-Lehmann angeregte Klimakrisen-Rat von Osnabrück aus die Welt vor der Klimakatastrophe gerettet hat.
Nicht nur am deutschen Wesen – also durch Frau Baerbock, Herrn Habeck und den sonstigen mit nur überschaubarer Zustimmung in der Bevölkerung versehenen Bundesministern – mag die Welt genesen, nein, wir retten das Weltklima jetzt von Osnabrück aus. Die extra dafür abkommandierten Mitarbeiter der Verwaltung an der Spitze der Bewegung, angeführt von der grünen Ratsfraktion!

Aber es gibt noch einen Funken Restvernunft unter den Feierabendpolitikern im Ausschuss, und deswegen wurde der Vorschlag der pensionierten Landschaftspflegerin nicht näher beachtet. Glück gehabt.

Glück gehabt haben auch die zehntausenden Kunden der Stadtwerke Osnabrück, die vermutlich auch in den kommenden Jahren weiter mit ihren kürzlich noch staatlich geförderten und faktisch sauberen Erdgasheizungen heizen wollen.
Denn, siehe oben, die den Ausschussmitgliedern vorliegende Beschlussvorlage regte genau das an: “Die Stadtwerke dürften zur Konformität mit dem Ratsbeschluss ab 2035 kein Erdgas mehr anbieten (weder für Privat- noch für Industriekunden) […]”.

FDP-Ratsmitglied entdeckte die Sprengkraft des Erdgas-Aus in der Beschlussvorlage

Es ist einem aufmerksamen Ratsherrn der FDP, Oliver Hasskamp, zu verdanken, dass der als Zuschauer des Schauspiels der Ausschusssitzung beiwohnende neue Vorstandsvorsitzende der Stadtwerke Osnabrück, Daniel Waschow, die Angelegenheit klarstellen konnte.
Tatsächlich, so der außerordentlich gut vorbereitete Stadtwerke-Manager, habe es 2021 einen Beschluss des Stadtrats gegeben (Anmerkung des Redakteurs: da war die Osnabrücker FDP noch ein Koalitionspartner der Grünen), der die Stadtwerke zu einem ausschließlichen Vertrieb “klimaneutraler Produkte” ab dem Jahr 2035 verpflichtet hätte. Die nun angedachte Beschlussvorlage verstehe er aber lediglich als Empfehlung an die Stadtwerke bis 2035 zusätzliche Alternativen anzubieten, zum Beispiel in Form neuer Fernwärmenetze.
Alles andere sei auch rechtlich gar nicht durchsetzbar. Als Grundversorger seien die Stadtwerke nach derzeitiger Rechtslage dazu verpflichtet über den von der Politik gesetzten Zeitpunkt 2035 hinaus Erdgas an Kunden zu liefern. “Wir liefern, bis der letzt Kunde vom Erdgas weggeht”, betonte der Stadtwerke-Chef deutlich die Position in seinem Haus.

Osnabrück soll bis 2040 mehr Solarstrom produzieren wie ein Kernkraftwerk

Eine kleine Spitze – oder war es einfach nur ein sachlicher Faktencheck – ließ sich Waschow dann doch nicht nehmen. In dem vom extern beauftragten “Hamburg Institut” präsentierten “Vorreiterkonzept Klimaschutz” wird gefordert, es “müssen” bis 2040 in etwa 800 Megawatt Solarstrom auf den Dächern der Stadt und nochmal so viel Megawatt auf Freiflächen produziert werden.
Waschow klärte auf, dass die dort errechnete zusätzlich bis 2040 zu schaffende Strommenge dem Neubau eines Kernkraftwerks entspricht!
Tatsächlich erreichte das im vergangenen Jahr stillgelegte KKW Emsland in Lingen sogar nur eine Bruttoleistung von etwa 1.400 Megawatt (auch bei Dunkelheit und das sogar emissionsfrei). Aber das wollte schon wieder keiner der klimabewegten Kommunalpolitiker hören. Was zählen Fakten, wenn doch die Welt zwischen Wiehengebirge und Teutoburger Wald gerettet werden kann?

 


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Rudi Munim

Ich verstehe nicht, wie Herr Pohlmann im Jahr 2024 noch die Argumentation “Osnabrück rettet die Welt nicht” nutzen kann. Das ist so als ob das Haus brennt, und keiner der Mieter einen Eimer Wasser holt, weil er denkt “ich kann das Haus ja nicht alleine löschen”. Man zeigt auf die anderen, damit man selber nichts tun muss. ALLE müssen etwas tun, damit unsere Kinder noch irgendein Leben haben. Ihr Leben wird viel schlimmer, aber wir haben in der Hand, WIE schlimm.

Thomas M.

Sorry, aber das ist Stammtisch-Populismus. Wir sind sehr froh, dass wir uns für eine Wärmepumpe entschieden haben. Als ob ein Mensch 2035 noch Gas haben wollen würde, durch den CO2-Preis wird das 5 mal so teuer sein wie alle anderen Wärmequellen. Und dass die FDP das “entdeckt”, ist wohl ein Scherz, das die Unterlagen von allen einsehbar sind. Ist doch deren Job, das vorher zu lesen

Christoph Schmiechen

Genau richtig kommentiert. Man sollte diesen selbstlosen Freizeitpolitikern/innen der Grünen den Zutritt zu jedem europäischen Flughafen verbieten.

AnnBeitz

Lieber Herr Pohlmann!!
Dankeschön, dass es endlich mal jemand so deutlich und ehrlich sagt!!!
Wollen sie nicht vielleicht in die Politik wechseln?? So kompetente und ehrliche Politiker bräuchte unsre Stadt dringend!!!

Thomas M.

Bitte nicht, gibt dort schon genug Populisten.

Timo Forwelka

Fakt ist mit einer funktionierenden Umwelt ist das Leben lebenswerter.
Ich sehe lieber gesunde Fische in einem renaturierten Bach, als einen obszön stinkenden Kohlefrachter auf dem Mittellandkanal.
Die Energiewende versucht beides zu verbinden. Dies kostet jetzt viel Umdenken und Geld. Und das Schlimmste: Sie ist unbequem.
Viele so wie Sie, Herr Pohlmann, scheinen die tollen Möglichkeiten einer sauberen dezentralen Energieerzeugung nicht zu verstehen.

 
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

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