Mösers Meinung: Über die abschreckende Wirkung von Gerichtsurteilen

Unser wohl ältester Mitarbeiter meldet sich zurück! Unsere Leserinnen und Leser lieben ihn oder sie lehnen ihn und seine Ansichten oft auch vehement ab. Genau wie sein historisches Vorbild macht “unser Justus” aus seiner liberal-konservativen Weltanschauung keinen Hehl, und das schon seit mehr als 100(!) Kolumnen, die bereits seit 2015 exklusiv bei der HASEPOST erscheinen.

Guten Abend,

in dieser Woche hat ein Richter am Amtsgericht Osnabrück einen 30jährigen Syrer zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren sowie der Zahlung von 3.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt. Dem Mann wurde nachgewiesen, ein 15jähriges Mädchen vergewaltigt und ihr im Vorfeld ein Tütchen mit Marihuana verkauft zu haben. Als Grund für das vergleichsweise milde Urteil gab der Richter an, daß der Verurteilte vorher noch nicht nennenswert strafrechtlich in Erscheinung getreten sei und alkoholbedingt enthemmt gewesen wäre. Zudem attestierte ihm das Gericht, sich ‘auf einem guten Weg zu befinden, da er eine eigene Wohnung und in naher Zukunft auch eine Arbeitsstelle habe’. Der Syrer befindet sich seit 2015 in Deutschland, ihm wurde als weitere Auflage mit auf den Weg gegeben, sich seinem Opfer in Zukunft nicht weiter als 50 Meter zu nähern. Für ihn spreche auch, daß sich die Intensität der Vergewaltigung rechtlich gesehen ‘am unteren Rand’ befunden habe.

Das Urteil lässt viele Fragen offen. Wer ist dazu legitimiert, einem Vergewaltiger quasi einen Blankoscheck für ein zukünftig positives Sozialverhalten auszustellen? Ich glaube, das vermag nicht einmal der liebe Gott. Und reicht es aus, eine Wohnung und die Aussicht auf einen Job zu haben, um einer durchaus berechtigten Gefängnisstrafe zu entgehen? Kann man bei jemandem, der sich nach acht Jahren Aufenthalt leichtfertig über die Rechtsnormen seines Gastlandes hinwegsetzt, wirklich davon sprechen, daß er sich auf einem guten Weg befindet? Hat der Richter die Interessen des Opfers ausreichend berücksichtigt, das mit einem Geldbetrag von 3.000 Euro abgespeist wird, aber dafür ein Leben lang mit den seelischen und körperlichen Folgen der Vergewaltigung zurechtkommen muss? Was hat in der deutschen Rechtsprechung Vorrang: der Opfer- oder der Täterschutz? Und zum Schluss stellt sich zumindest für mich die Frage aller Fragen: reicht das Urteil aus, um eine abschreckende Wirkung auf potentielle Nachahmer zu entfalten?

Die Vergewaltigung fand in der Möserstraße in Osnabrück in einem Hauseingang statt. Nur wenige Tage nach der Urteilsverkündung ist an der Hannoverschen Straße eine 27jährige Frau vergewaltigt worden, in ziemlicher Nähe zum Tatort der ersten Vergewaltigung. Wie mag sich eine Frau in Osnabrück fühlen, wenn sie nach Kenntnis dieser Vorfälle zu späterer Stunde alleine und zu Fuß oder mit dem Fahrrad in Osnabrück unterwegs ist? Der urteilende Richter hätte das Sicherheitsbedürfnis der Osnabrücker Bürger stärker berücksichtigen müssen. Bei aller Begeisterung über die günstige Sozialprognose des Angeklagten muss immer auch eine Abwägung stattfinden, welche Signalwirkung von solch einem Urteil ausgeht. Eine Vergewaltigung ist eine schwere Straftat, die in der Regel die Normalität des Lebens für das Opfer für immer zerstört oder schwer beeinträchtigt. Hier lediglich eine Bewährungsstrafe und eine eher geringe Geldstrafe als ausreichend für das Strafmaß zu bemessen, ist nicht nur leichtfertig und ein Schlag in das Gesicht jedes rechtstreuen Bürgers. Dieses Urteil wird zudem dafür sorgen, daß die Osnabrücker Innenstadt weiterhin zu einer No go-Area verkommt, in die sich nach Einbruch der Dunkelheit kaum noch jemand hintraut. Ein Richter sollte sich immer auch den gesellschaftlichen Folgen seiner Urteile bewusst sein. Das ist in diesem Fall offensichtlich nicht geschehen. Ich hoffe, daß diese Form der fahrlässiges Rechtsprechung nicht Schule macht.

Ich wünsche allen HASEPOST-Lesern einen schönen Abend!

Ihr

Justus Möser

Hier alle bislang erschienenen Kolumnen von Justus Möser.

 


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Justus Möser
Justus Möser
Justus ist unser "ältester Mitarbeiter", seit 1720 wandelt er durch unsere Stadt - wobei er inzwischen eher "geistert". Sein Vertreter in der Gegenwart ist unser Autor Wolfgang Niemeyer, der sich in dieser Kolumne regelmäßig darüber Gedanken macht „was würde Möser dazu meinen“?

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