Es klingt nach einer rührenden Geschichte: Kinder voller Vorfreude auf die Klassenfahrt, Eltern winken am Bus – und dann verdirbt die Stadt mit einem Strafzettel die Stimmung. Doch so einfach ist es nicht.
Denn der Leserbrief einer Osnabrücker Mutter, die sich über ein Knöllchen beim Absetzen ihres Kindes beschwert, zeigt vor allem eines: ein fragwürdiges Verständnis von Regeln. Wer auf dem Gehweg parkt, begeht eine Ordnungswidrigkeit – und zwar unabhängig davon, ob gerade eine Klassenfahrt beginnt oder nicht. Die Straßenverkehrsordnung gibt es nicht ohne Grund.
Die ohnehin schon hohen Kosten der Klassenfahrt – und jetzt noch das Verwarngeld für das Knöllchen? Spielt keine Rolle. Ein Platz im Parkhaus wäre allemal günstiger gewesen als 55 Euro für das verbotswidrige Parken auf dem Gehweg. Zumal die Mutter sogar noch Glück hatte: Gehwegparken mit Behinderung kann 70 Euro kosten. Besonders pikant: Auf dem Strafzettel (Foto liegt der Redaktion vor) steht als Tatort „Osnabrück, Große Domsfreiheit neben dem Parkplatz“. Also: bewusst nicht auf dem Parkplatz, sondern direkt daneben auf dem Gehweg – um sich die Parkgebühr zu sparen?
Natürlich kann man sich auf eine „einmalige Ausnahmesituation“ berufen. Aber das kennen wir: Einmal Ausnahme für den Klassenfahrt-Bus, das nächste Mal Ausnahme für den schnellen Coffee-to-go, dann die Ausnahme, nur mal eben schnell die Oma beim Bingo abzuliefern. Und am Ende herrscht Ausnahmezustand auf allen Gehwegen. Dann haben wir keine Verkehrssicherheit mehr, sondern Zustände wie im Wilden Westen. Genau deshalb muss der Ordnungsaußendienst konsequent durchgreifen.
Falschparken bleibt Falschparken – auch mit Kindern, auch bei einer Klassenfahrt. Und gerade dann! Stichwort: Vorbildfunktion. Emotionale Tränendrüsenargumente ändern daran nichts. Wer Gleichbehandlung im Straßenverkehr will, muss auch die Regeln akzeptieren. Sonst winken wir bald nicht mehr nur dem Reisebus hinterher, sondern der Verkehrssicherheit. Und Regeln lernt man bekanntlich oft nur, wenn es weh tut – in der Geldbörse.
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