Kommentar: Die Ampel nach Meseberg – plötzlich kein Streit mehr?

Fernab des politischen Zentrums in Berlin, in idyllischer Lage auf Schloss Meseberg präsentiert sich die zerstrittene Ampel-Regierung urplötzlich wieder voller Harmonie. Selbst die Oberstreithähne Robert Habeck und Christian Lindner, einst beste Politik-Freunde, mittlerweile angeblich wieder per Sie unterwegs, grinsen gemeinsam auf Bildern mit Kanzler Olaf Scholz. Doch wie viel ist dran an der guten Laune und wie viel davon kann aus der Brandenburger Idylle wirklich mit zurück in den Alltag in der Hauptstadt transportiert werden?

Ein Kommentar von Maurice Guss

Es wirkt fast ein wenig zu harmonisch, um wahr zu sein: „Ich habe einen Schneeball geworfen“, zwinkert Olaf Scholz nach der Kabinettsklausur aus Schloss Meseberg den anwesenden Journalisten zu. Getroffen haben will der gebürtige Osnabrücker niemanden – das gehöre sich für einen Kanzler nicht. Aber ganz sicher wird der zum Abschluss der Meseberg-Tagung dauergrinsende Kabinettschef zumindest kurzzeitig mal drüber nachgedacht haben, den Schneeball in Richtung eines seiner Kollegen zu feuern.

Es wäre herrlich sinnbildlich gewesen: Finanzminister Lindner oder Wirtschaftsminister Habeck niedergestreckt von einem Schneeballwurf durch den Chef, quasi als Bestrafung für die die Dauer-Streitigkeiten, die sich die beiden stellvertretend für ihre Parteien in den vergangenen Wochen in aller Regelmäßig- und Öffentlichkeit lieferten. Naja, ist nicht passiert – weg vom Konjunktiv also.

Wenig Fortschritt, noch weniger „Zeitenwende“

Grundsätzlich ist es so, dass sich Personen, auf deren Schultern viel Verantwortung lastet, etwa an Ergebnissen messen lassen müssen – oder auch an Worten. „Fortschrittskoalition“ und „Zeitenwende“ wären solche, zugegebener Maßen hoch angesetzte, Worte, die mir dabei im Zusammenhang mit der Ampel einfallen. Wer den Auftakt der Tagung in Meseberg verfolgt hat, wird allerdings einmal mehr vor Augen geführt bekommen haben, dass diese Regierung von Fortschritt derzeit weit entfernt ist, von der herbeigerufen „Zeitenwende“ will ich lieber gar nicht erst anfangen. Zu lang ist dazu die Liste der Streitthemen. Es braucht wahrlich viel Fantasie, um sich vorstellen zu können, dass all diese Themen wirklich abgearbeitet werden können – erst recht, wenn man sieht wie unterkühlt zuletzt das Verhältnis der Ampel-Politiker untereinander zu sein schien.

Plötzlich wieder Harmonie?

Wer nun aber das Ende der Tagung verfolgt hat, dem wird aufgefallen sein, dass von Streitthemen möglichst wenig nach außen dringen sollte. Streit sollte in Brandenburg auf gar keinen Fall aufkommen – auch nicht wenn er doch eigentlich schon längst da war. Kein Streit in Meseberg – nicht wegen Schneebällen, schon gar nicht wegen politischer Differenzen – so schien das oberste Credo für die Tagung zu lauten. Stattdessen bemühten sich die Ministerinnen und Minister nach zwei Tagen voller Gespräche, Einigkeit zu demonstrieren. Doch wie viel ist da wirklich dran?

Bitte nicht falsch verstehen: Man kann absolut argumentieren, dass Diskussionen, Kompromissfindung und ja manchmal auch Streit zur Regierungsarbeit dazu gehören. Gespräche sind dann sicherlich ein guter Lösungsansatz. Aber: Wirkliche Ideen, wie Streitthemen von vor Meseberg in Meseberg so gelöst wurden, dass sie nach Meseberg keine Streitthemen mehr sind, fehlen bisher. Einigkeit ja, doch wie geht es weiter?

Klar ist: Wer so streitet wie es die Ampel-Parteien es zuletzt taten, dessen Regierungsfähigkeit darf, wenn nicht sogar muss, infrage gestellt werden. Vermutlich weiß das auch die Ampel selber. Zuletzt schien es fast so als gäbe es aus Regierungssicht nur noch ein Argument fürs Weitermachen: Fällt die Ampel, fallen mit ihr auch die bei der Wählerschaft zunehmend in Ungnade gefallenen Bestandteile. SPD und Grüne dürften verlieren, der FDP droht gar die Versenkung in die politische Bedeutungslosigkeit. Doch dieses Argument alleine bringt für die Regierungsarbeit herzlich wenig. Wohl auch deshalb bemüht sich die Koalition nach der Tagung nun um Einigkeit. Doch nochmal: Es muss auch in die Umsetzung gehen.

Keine Schneebälle mehr für Olaf?

Man kann nur hoffen, dass die Einigkeit aus Meseberg es auch wirklich zurück nach Berlin schafft und nicht irgendwo in den Feldern Brandenburgs liegen bleibt. Wie dringend diese Einigkeit bei den zu bewältigenden Herausforderungen wirklich ist, machte parallel zur Tagung in Meseberg die Wissenschaft noch einmal deutlich. Alleine für den Klimaschutz bräuchte es bis zu 900 Milliarden Euro – verbunden mit einer Regierung, die dieses Geld richtig einzusetzen weiß. Das und vieles mehr geht nur mit Einigkeit. Ohne diese bleibt nicht nur der nötige Fortschritt aus, auch kann Kanzler Olaf Scholz dann schon bald klimabedingt keine Schneebälle mehr (auf Kollegen?) werfen.


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Maurice Guss
Maurice Guss
Maurice Guss absolvierte im Herbst 2019 ein Praktikum bei der HASEPOST. Im Anschluss berichtete er zunächst als freier Mitarbeiter über spannende Themen in Osnabrück. Seit 2021 arbeitet er fest im Redaktionsteam und absolviert ein Fernstudium in Medien- und Kommunikationsmanagement. Nicht nur weil er selbst mehrfach in der Woche auf dem Fußballfeld steht, berichtet er besonders gerne über den VfL Osnabrück.

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