Kallas Kolumne: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ (Sokrates)

Liebe alleskommentierende Nervensägen,

ich weiß, es gibt sie, diese Fachleute für alles, diese Klimaforscher, Ernährungswissenschaftler, Bildungsexperten, Psychologen, Architekten, Tief- und Hochbauexperten, kurz: Weltenerklärer. Natürlich haben sie auch mehr Ahnung als alle Politprofis, egal in welchem Ressort, und sie zeigen uns Unwissenden, wo es im Leben langgeht.

Diese Allwissenden müssen nur eine Überschrift lesen und schon ist ihnen klar, worum es in dem Artikel geht, ob mit oder ohne Zahlschranke ist dabei logischerweise völlig egal. Diese polyvalenten Nervensägen findet man überall, gleichermaßen in den Kommentarspalten bei Spiegel online, bei der NOZ oder bei der Hasepost und erst recht bei der Bild.

Vom Stammtisch ins Internet

Natürlich wissen diese Nervensägen ganz genau, wie das funktioniert mit dem Internet, indem man gegenteilige Meinungen mit an Blödheit schwer zu übertreffenden GIFs oder, je nach Bedarf, mit Grinse- oder Wutsmileys bestückt, um der restlichen Welt zu zeigen: „Seht nur, ich hab‘s voll drauf! Eigentlich könnte ich die Autorin dieses Artikels in Grund und Boden schreiben, aber sie ist es doch gar nicht wert …“

Früher saßen diese Loser am Tresen in der Eckkneipe und laberten bei steigendem Alkoholkonsum den Wirt mit ihren Stammtischweisheiten eine Blase ans Ohr. Was sollten sie auch sonst tun? Ein anderes Publikum gab es nach ein oder zwei gescheiterten Beziehungen für sie ja nicht, falls es überhaupt jemand mit einem dieser Misanthropen ausgehalten hat.

Heute verstecken sich diese armen Wichte mit Vorliebe und vor allem mit dem ein oder anderen Sechserpack hinter Fake- oder Mehrfachprofilen in den diversen Foren. Ihr einziges Ziel ist es, Aufmerksamkeit zu schüren, ihre zumeist rechtsradikale Gülle zu verbreiten oder einfach Diskussionen zu zerstören. Hin und wieder reicht die Zeit dennoch, um die ein oder andere entzückende Hassbotschaft ins Netz zu kotzen.

„Unwissenheit erzeugt viel häufiger Selbstvertrauen als Wissen …“

… schrieb einst Charles Darwin. Schon damals stieß er auf das Phänomen, dass inkompetente Menschen dazu neigen, ihre Fähigkeiten zu überschätzen. Die beiden Psychologen David Dunning und Justin Kruger gaben diesem Effekt zur Jahrtausendwende einen Namen. Sie wiesen nach, warum unwissende Menschen sich in ihrer Selbstwahrnehmung für allwissend halten, sich gegenüber Kritik oder Verbesserungsvorschlägen aber verschließen, ohne sich ihrer mangelhaften kognitiven Fähigkeiten bewusst zu sein.

Dies erklärt auch den Begriff „gefährliches Halbwissen“. Inkompetente Menschen tendieren gleichzeitig dazu, die Fähigkeiten anderer zu unterschätzen. So fordern sie Gegner heraus, denen sie nicht gewachsen sind. Im Falle des Scheiterns werden dann mit Vorliebe äußere Umstände oder die Politik für das eigene Versagen verantwortlich gemacht.

Der Dunning-Kruger-Effekt

Warum haben unfähige Menschen oft eine falsche Selbstwahrnehmung?

Dunning und Kruger konnten im Rahmen ihrer Forschung einerseits Darwins berühmtes Zitat bestätigen und durch Untersuchungen belegen, dass inkompetente Menschen tatsächlich ihr eigenes Können meistens überschätzen. Um nämlich unsere eigene Kompetenz richtig einzuschätzen, werden die gleichen Fähigkeiten benötigt, mit denen wir uns Fachwissen aneignen können.

Oder einfacher gesagt: Nur mit Fachwissen kann man die Komplexität eines Automotors oder eines Herzens ausreichend erfassen, wenn man sich seines Wissens und Unwissens bewusst ist.

„Ich weiß, dass ich nichts weiß“ (Sokrates)

Albert Einstein hat den berühmten Satz des Sokrates „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ etwas komplexer formuliert: „Je mehr ich weiß, desto mehr erkenne ich, dass ich nichts weiß.“

Ich würde sagen: „Ich weiß, dass ich nichts weiß, aber das zumindest weiß ich ganz genau.“

Im Gegensatz zu dummen Menschen stellen kluge Menschen sich und ihr eigenes Wissen ständig in Frage. Warum? Weil sie stets dazulernen wollen und wissen, dass sie eben niemals alles wissen können. Dumme Menschen hingegen halten sich für klug, und das ist das eigentliche Problem: Sie wissen nicht um ihre eigene Unzulänglichkeit. Ihre penetrante Dummheit treibt sie sogar zu negativen Höchstleistungen an (zum Beispiel, um als Trolle im Internet zu nerven).

Brüllaffen

Sie interessieren sich einen feuchten Kehricht für wissenschaftliche Erkenntnisse, sind Klimaleugner oder Impfgegner und scheren sich einen Teufel um medizinisches Wissen oder Sterbestatistiken.
„Feinstaub? Ach, ist doch alles Quatsch. Isso!
Massentierhaltung? Na und? Hauptsache, es schmeckt!
Und Freiwild ist überhaupt nicht rechts!
Und wehe, jemand sagt etwas gegen unseren Pitbull, da verstehen wir nämlich keinen Spaß mehr, obwohl wir furchtbar witzig sein können. Soll ich mal einen erzählen: Vegetarier essen meiner Nahrung das Essen weg.
Witzig, oder? Na gut, etwas alt vielleicht, aber doch immer noch ein Brüller …“

Immer dümmer

Im Gegensatz zu ihnen ist die kleine Nervensäge aus Schweden, der es ohnehin an schulischer Disziplin fehlt, nichts als eine dumme Göre. Dabei haben sie doch die „Die Schule des Lebens“ oder die „Baumschule“ besucht, schreiben mit Vorliebe unter ihre Kommentare: „Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten“, und posten vorgefertigte Meinungstafeln, deren Ursprung zumeist auf dummdreisten Foren zu finden ist.

Wir müssen nur ein paar Jahrzehnte in die Geschichte zurückschauen. Da gab es auch schon etliche dieser Brüllaffen, die, unbefleckt von jeglicher Sachkenntnis, lauthals mitkreischten.

Allerdings noch ohne Internet und ohne Satzzeichen-Tourettesyndrom.

Isso!!!!!!!!!!11!!!!!!!!!! MUssmanwissen1111111122222222!!!!!!

Eine schöne Woche wünscht euch Kalla with a K.

 

Hier alle bereits erschienenen Kolumnen von Kalla.

 

 


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Karla
Karla
Karla ist Urosnabrückerin, arbeitet aber in Münster. Über kurz oder lang landen viele Autorinnen und Autoren all der von Hass, Ignoranz und Dummheit erfüllten Kommentare in den diversen Internetforen bei ihr auf der Couch oder direkt in der Geschlossenen, alternativ auch im Aasee.

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