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Skandal der Kunsthalle Osnabrück: Was die “Verteidiger der Kunstfreiheit” vielleicht nicht kennen

Rund 350 Besucher verzeichnete die Kunsthalle Osnabrück am Samstag vor einer Woche zur Eröffnung einer seither kontrovers diskutierten Ausstellung der Künstlerin Sophia Süßmilch. Bislang kennt nur das Premieren-Publikum den Inhalt der umstrittenen Performance – auch wenn zahlreiche Pressemitteilungen und Artikel ein anderes Bild erzeugen.

Ein “Missing Link” zur aktuellen Debatte – unten auf dieser Seite.

Die Ausstellungseröffnung, deren zentrales Element eine Performance war, wurde von reichlich medialer Aufmerksamkeit begleitet. Auslöser war eine Pressemitteilung der CDU-Ratsfraktion, die angesichts der vorab bekannt gewordenen Thematisierung von Kannibalismus an Kindern durch Süßmilch zum Boykott und zur vorzeitigen Beendigung der Veranstaltung aufgerufen hatte.

Triggerwarnung: Nicht nur die Ausstellung, auch dieser Artikel enthält Inhalte, die einige Personen als verstörend oder belastend empfinden könnten. Insbesondere wenn Sie Themen wie Fehlgeburt, Schwangerschaftsabbruch, Mord und Kannibalismus als problematisch empfinden, scrollen Sie bitte nicht bis zum Ende des Artikels.

Das Narrativ: Konservative wollen eigentlich der Kunsthalle schaden

Eine Woche nach der Ausstellungseröffnung, nach bundsweiter Aufmerksamkeit und mehr als ein Dutzend relativierender Beiträge der lokalen Tageszeitung, deren Verlegerfamilie Fromm über eine eigene Stiftung selbst eng mit der Kunsthalle verbunden ist, entsteht der Eindruck, es habe hier einen unqualifizierten Angriff konservativer Kräfte auf eine zufällig in die Opferrolle geratene Künstlerin gegeben, einzig mit dem eigentlichen Ziel, der Kunsthalle zu schaden.

Puppe einer nackten Frau von Sophia Süßmilch in der Kunsthalle Osnabrück
Puppe einer nackten Frau von Sophia Süßmilch in der Kunsthalle Osnabrück / Foto: Pohlmann

Doch ist das so? Hat die CDU-Ratsfraktion lediglich “Schnappatmung” bekommen, wie die SPD-Ratsfraktion nach einem Ausstellungsbesuch am 17. Juni in einer Pressemitteilung leicht amüsiert anmerkte?
Maximilian Strautmann, Vorstandssprecher der Osnabrücker Grünen, schlägt in die gleiche Kerbe und schreibt Ende der Woche, nicht ohne dabei zielgruppenaffin zu gendern: “die CDU-Vertreter*innen hätten weder die Ausstellung noch die Performance gekannt” und fordert den politischen Gegner dazu auf den “Angriff” zurückzunehmen. Dieser sei lediglich ein “unausgegorener Schnellschuss” gewesen.

Süßmilch-Ausstellung ist grundsätzlich wenig aufregend

Tatsächlich ist in der Ausstellung in der Woche nach der Performance wenig zu sehen, was die Aufregung wert zu sein scheint. Ein etwas grobschlächtig gestalteter Meerschweinchen-Fötus hängt unter der Decke des ehemaligen Kirchenschiffs, eine nackte Puppe baumelt in der Ecke, und ein paar große Tücher sind zu sehen – was man als Steuerzahler so für 315.000 Euro Gesamtbudget erwarten darf.
Auch ein Foto, das ein Kind im Vorschulalter zusammen mit seiner leicht bekleideten schwangeren Mutter neben der Künstlerin zeigt – völlig entblößt, in sexualisierter Haltung und mit einer aus der SM-Szene bekannten Pferdemaske –, ist in der Ausstellung nicht zu sehen. Das Bild wurde von der Kunsthalle lediglich in der Pressearbeit verwendet und inzwischen kommentarlos vom städtischen Webserver gelöscht.

Die Performance existiert bislang überhaupt nicht in der Ausstellung!

Wer immer in der vergangenen Woche die Kunsthalle Osnabrück besucht hat, hat weder gesehen noch gelesen oder gehört, worum sich die Debatte tatsächlich entzweit hat.
“Zeugen” waren lediglich die 350 Besucher am vergangenen Samstag – darunter sicherlich viele Vertreter der Kunsthalle selbst, Familie und Freunde und die beiden Kulturredakteure der Lokalzeitung. So kommt schnell eine entsprechende Zahl an Besuchern zusammen.

Meerschweinchen-Skulptur von Sophia Süßmilch unter der Decke der Kunsthalle in der Dominikanerkirche
Meerschweinchen-Embryo von Sophia Süßmilch unter der Decke der Kunsthalle in der Dominikanerkirche / Foto: Pohlmann

Also: Wo bitte ist die Performance geblieben, die ja auch in der folgenden Ausstellung ein zentrales Element sein sollte?
Weder die Vertreter der Grünen und der SPD, die jetzt lautstark in Richtung “Kunstfreiheit” plädieren, noch die anderen Besucherinnen und Besucher der vergangenen Tage haben sich selbst ein Bild machen können. Auch wenn entsprechende Pressemitteilungen einen anderen Eindruck vermitteln.

Kunsthallen-Mitarbeiter kann es auch nicht genau sagen …

Ein etwas versteckt im Eingangsbereich zur Dominikanerkirche stehendes Schild weist darauf hin: “Die Videodokumentation zur Performance […] wird in Kürze hier zu sehen sein” – knapp eine Woche nach der Performance.
Auf die Frage, warum das so sei – schließlich dürfte es nicht so schwer sein, die SD-Karte aus einem digitalen Camcorder in Endlosschleife im Museum abzuspielen –, antwortet ein freundlicher, jedoch ein wenig verunsichert wirkender Museumsmitarbeiter etwas von “man müsse noch schneiden” und “angesichts der öffentlichen Diskussion”. Aber in der kommenden Woche dürfe man damit rechnen. Wer seine Eintrittskarte (ohne Ermäßigung 6 Euro) bis dahin aufbewahrt, dürfe auch nochmals kommen.

Unsere Redaktion wollte nicht warten und sich auch nicht darauf verlassen, dass eine “Schnittfassung” das wiedergibt, was für viele Gemüter die von der Kunsthalle bereits ausgesprochene Triggerwarnung rechtfertigt.

Aborte, Morde und Rezepte für das Verspeisen von Kindern

Unserer Redaktion wurde das Manuskript für die Süßmilch-Performance vom vergangenen Samstag zugespielt. Es gilt “das gesprochene Wort”. Ob alle im Manuskript fixierten Inhalte auch so bei der Performance in der Kunsthalle Osnabrück gesprochen wurden, kann nur die noch fehlende Video-Dokumentation belegen – sofern sie nicht geschnitten wurde.

Ausschnitte aus dem Manuskript "die kannibalistischen Choräle" von Sophia Süßmilch, Kunsthalle Osnabrück
Ausschnitte aus dem Manuskript “die kannibalistischen Choräle” von Sophia Süßmilch, Kunsthalle Osnabrück

Warum nicht das ganze Manuskript bei der HASEPOST? Wir geben das insgesamt sechs Seiten umfassende Manuskript nur auszugsweise in Zitaten wieder, um nicht die Autoren- und eventuellen Verlagsrechte der Künstlerin zu verletzen. Der Redaktion liegt jedoch das komplette Manuskript vor. 


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

  

   

 

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