Mösers Meinung: Über Fahrrad-Demonstrationen auf dem Wallring

Unser wohl ältester Mitarbeiter meldet sich zurück! Unsere Leserinnen und Leser lieben ihn oder sie lehnen ihn und seine Ansichten oft auch vehement ab. Genau wie sein historisches Vorbild macht “unser Justus” aus seiner liberal-konservativen Weltanschauung keinen Hehl, und das schon seit mehr als 100(!) Kolumnen, die bereits seit 2015 exklusiv bei der HASEPOST erscheinen.

Guten Abend,

am vergangenen Freitag haben ungefähr 30 Personen gegen ihrer Ansicht nach zu schmale Fahrradwege auf dem Wallring protestiert. Zu diesem Zweck sind sie zweimal den Wallring entlanggefahren und haben sich dabei von der Polizei eskortieren lassen. Der Mini-Konvoi forderte unter anderem mindestens zwei Meter breite Radwege.

Ich empfinde diesen Protest als Ausdruck einer geschmacklosen Dekadenz, die sich in unserer Gesellschaft immer weiter ausbreitet. Die Teilnehmer hätten das Ende des Krieges in der Ukraine fordern können, die Belieferung des Gaza-Streifens mit Hilfsgütern oder die Erhöhung der Grundrente in Deutschland. Dafür hätte ich vollstes Verständnis gehabt. Aber angesichts der aktuellen desaströsen Weltlage für so etwas Banales wie bessere Fahrradwege zu demonstrieren? Das ist ungefähr so, als würden die Beamten für eine bessere Altersversorgung kämpfen. Oder die Abgeordneten im Bundestag für höhere Diäten. Oder ARD und ZDF für ausreichende Rundfunkgebühren. Diese Forderungen entbehren jeglicher Grundlage, weil sie schon lange erfüllt sind.

Wer in Osnabrück für breitere Fahrradwege demonstriert, der beweist vor allem eine starke Ich-Bezogenheit und eine vollkommene Verleugnung der verkehrspolitischen Realität in dieser Stadt. Die fast schon krankhafte Abneigung gegenüber dem Automobil und die bedingungslose Vergötterung der Radfahrer wird von Seiten der Ratsmehrheit und der ihnen untergebenen Verwaltung innerhalb der deutschen Grenzen kaum offener zur Schau gestellt als in der Hasemetropole. Ein selbstverliebter Stadtbaurat, der während seiner Arbeitszeit mit einem hochwertigen weißen Rennrad die städtischen Baustellen abfährt und genüsslich das von ihm und seinen Mitarbeitern verursachte tägliche Verkehrschaos begutachtet, ist dafür nur ein anschauliches und zugleich abschreckendes Beispiel. Die Erschwerung bis Unmöglichmachung der individuellen Mobilität ist in Osnabrück oberste Maxime bei fast allen Ratsentscheidungen.

Und trotzdem halten es die Hardcore-Pedalophilen angesichts der offenen Herzen, die ihnen hier überall entgegenfliegen, für geboten, für mehr Fahrrad und weniger Auto zu demonstrieren. Angesichts des strömenden Regens, der am vergangenen Freitag in Osnabrück herrschte, blieb die Teilnehmerzahl recht überschaubar. Die angekündigten eintausend Teilnehmer wurden deutlich unterschritten, nur rund drei Prozent dieser Zahl wurden tatsächlich erreicht. Das mag Hoffnung für die Zukunft machen. Hoffnung darauf, daß sich auch in Osnabrück in absehbarer Zeit wieder der gesunde Menschenverstand durchsetzt und auch die Fahrradfahrer endlich erkennen, daß jegliche Form von Protest zumindest in Osnabrück nicht mehr notwendig und zudem ein Zeichen völliger Abgehobenheit ist. Es wird ihnen doch schon der rote Teppich ausgelegt, kostenlos und ohne Rücksicht auf den Willen der Mehrheit der Bürger und die wirtschaftlichen Schäden, die die einseitige Konzentration auf den Radverkehr verursacht.

Ich wünsche allen HASEPOST-LESERN ein schönes Wochenende!

Ihr

Justus Möser

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Justus Möser
Justus Möser
Justus ist unser "ältester Mitarbeiter", seit 1720 wandelt er durch unsere Stadt - wobei er inzwischen eher "geistert". Sein Vertreter in der Gegenwart ist unser Autor Wolfgang Niemeyer, der sich in dieser Kolumne regelmäßig darüber Gedanken macht „was würde Möser dazu meinen“?

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