Kolumne

Guten Abend,

die Kunstgeschichte, in früherer Zeit auch gerne mal als Kunsthistorik oder Kunstwissenschaft bezeichnet, ist die Wissenschaft von der historischen Entwicklung der bildenden Künste. Sie untersucht und beschreibt die kulturelle Funktion der Kunst und den kreativen Prozeß der Künstler. Ziel der Kunstgeschichte ist es, die künstlerischen Objekte auf ihre Inhalte hin zu untersuchen (Ikonographie), ihre formale Gestaltung zu bestimmen sowie Kunstwerke in Epochen einzuteilen und ihre Wirkung zu bestimmen. Die klassischen Untersuchungsobjekte der Kunstgeschichte sind europäische und vorderasiatische Werke der Malerei und Grafik, Bildhauerei und Baukunst vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart. Die Begriffe „Kunstgeschichte“ und „Kunstwissenschaft“ entstanden im 19. Jahrhundert und gehen auf Johann Joachim Winckelmann (1717-1768) zurück, der in seinen Werken zur Kunst der Antike als erster genauere stilgeschichtliche Untersuchungen vorgenommen hat. Im ausgehenden 18. Jahrhundert legte Johann Dominik Fiorillo an der Universität Göttingen die Grundlagen für die Kunstgeschichte als akademisches Fach. Weitere wichtige Grundlagen sind die Kunsttheorie unter anderem von Johann Gottfried Herder sowie die Einbeziehung der Kunst in den allgemeinen Rahmen der menschlichen Kulturgeschichte, geprägt von Historikern wie Karl Friedrich von Rumohr und Gustav Friedrich Waagen. Viele bedeutende Kunsthistoriker studierten zudem nebenbei noch Philosophie und Ästhetik. Heute hat sich das Forschungsfeld auf die kulturellen Einflußzonen der westlichen Hemisphäre erweitert, zum Beispiel Amerika und/oder bedeutende zeitgenössische Künstler in der ganzen Welt. Und auch die Architekturgeschichte hat viele Berührungspunkte mit der Kunstgeschichte. Man ist fast geneigt zu sagen: durch die vielen Jahrhunderte ihres Bestehens ist die Kunstgeschichte immer mit der Zeit gegangen und hat heute, in der Ära eines weltweiten Kulturwandels und tiefgreifender kultureller Unsicherheiten in Europa und den USA (Stichwort „Deutsche Leitkultur“, die niemand genau definieren kann oder mag), eine große Bedeutung für die Definition der kulturellen Identität eines Landes, eines Kontinents, der Gegenwart und der Zukunft.

Das sieht die Leitung der Osnabrücker Universität offenbar anders. In der Hasemetropole plant man, den Studiengang Kunstgeschichte sang- und klanglos dichtzumachen. Schon ab dem Wintersemester 2017/18 sollen sich keine Studierenden mehr für dieses Fach einschreiben dürfen. Ein wichtiger Hintergrund ist, daß 2023 und 2024 die drei Professoren des Instituts in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Dieses Vorhaben sorgte nicht nur bei den Studierenden in Osnabrück für einige Unruhe und rief bundesweite Proteste hervor. Nun ist die Senatssitzung des Universitätspräsidiums am Mittwoch dieser Woche allerdings zu dem Entschluß gekommen, daß die Stärkung anderer Fachbereiche nicht zu Lasten des Kunsthistorischen Instituts gehen dürfe. Bis zum Frühsommer werden jetzt Alternativen zu einer Institutsschließung geprüft. Man mag es den Kunsthistorikern wünschen, daß ihr Kampf um den Fortbestand ihres Instituts Erfolg haben wird. Sie haben mächtige Verbündete. Der Deutsche Kulturrat will das Kunsthistorische Institut der Universität Osnabrück auf seine symbolische rote Liste setzen, er bedauert es zutiefst, daß es die Geisteswissenschaften nach den Hochschulreformen der vergangenen Jahre wesentlich schwerer als die Natur- und Rechtswissenschaften haben. Selbst Kunsthistoriker aus dem Ausland übten in den vergangenen Wochen Kritik an den Schließungsplänen. So unterstützt das International Center of Medieval Art (ICMA) in New York auf seiner Homepage eine Petition zum Erhalt des Instituts. Der Verband deutscher Kunsthistoriker veröffentlichte einen offenen Brief an den Osnabrücker Universitätspräsidenten Wolfgang Lücke. Und der „Ulmer Verein“, der Verband für Kunst- und Kulturwissenschaften, setzt sich in einem offenen Brief an die Universitätsleitung und das Wissenschaftsministerium in Hannover für den Erhalt des Instituts ein.

Ich erkläre mich hiermit in aller Form mit dem Kunsthistorischen Institut in Osnabrück solidarisch. Mir würde es nicht gefallen, wenn das schöne Gebäude kurz vor der Katharinenkirche, mit einem herrlichen kleinen Garten, der zum Flanieren und Fachsimpeln einlädt, plötzlich anderen Zwecken als der Kunstgeschichte zugeführt werden würde. In diesen wilden Zeiten, in denen Kunstbanausen wie Trump, Erdogan & Co. die öffentliche Diskussion bestimmen und sich unsere Wertmaßstäbe auf einmal radikal zu verschieben scheinen, halte ich es für äußerst wichtig, daß wir uns auf unsere kulturellen Wurzeln besinnen, sie hegen und pflegen. Nicht nur den Deutschen ist seit einigen Jahren der innere Kompaß abhandengekommen, aber wir können ja mal mit gutem Vorbild vorangehen und ein Zeichen setzen für das, was uns wirklich wichtig ist. Seit ein paar Wochen wird getönt, daß Deutschland ein Gegengewicht zu den USA setzen und die Werte der liberalen westlichen Welt verteidigen muß. Da ist doch die Schließung eines kunsthistorischen Instituts das völlig falsche Signal. Denn was haben wir noch zu bieten, wenn man uns unsere Geschichte und unsere Kultur nimmt? Da bleibt nicht mehr viel! 

Ich wünsche allen HASEPOST-Lesern ein Wochenende, an dem es nichts zu mösern gibt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Ihr

Justus Möser

Hier alle bislang erschienenen Kolumnen von Justus Möser.

 


Online-Petition, gerichtet an das Präsidium der Universität Osnabrück.