Betroffene unterstützen Studie zu sexualisierter Gewalt im Bistum Osnabrück

Seit September 2021 läuft an der Universität Osnabrück eine wissenschaftliche Untersuchung zur sexualisierten Gewalt im Bistum Osnabrück in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart. Zu Jahresbeginn 2022 hat das Projekt nun eine Steuerungsgruppe eingerichtet, die die weitere Projektarbeit kritisch begleiten wird. In der siebenköpfigen Steuerungsgruppe sitzen drei Betroffene von sexualisierter Gewalt im kirchlichen Raum.

Damit unterstreicht die Projektleitung die Bedeutung der Perspektive der Betroffenen in der Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt im kirchlichen Raum.

Die jetzt berufenen Mitglieder der Steuerungsgruppe sind:

Max Ciolek (Betroffener; Grafiker/Sänger aus Osnabrück)
Karl Haucke (Betroffener; Sozialwissenschaftler aus Köln)
Katharina Kracht (Betroffene; Gymnasiallehrerin aus Bremen)
Dr. Thomas Veen (Monitoring-Gruppe Schutzprozess; Osnabrück)
Prof. Dr. Hans Schulte-Nölke (Projektleiter, Universität Osnabrück)
Prof. Dr. Siegrid Westphal (Projektleiterin, Universität Osnabrück)
Dr. Jürgen Schmiesing (Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Osnabrück)

Steuerungsgruppe begleitet Projekt

Das unabhängige Forschungsprojekt an der Universität Osnabrück ist auf die Dauer von drei Jahren angelegt und wird vom Juristen Prof. Dr. Hans Schulte-Nölke sowie der Historikerin Prof. Dr. Siegrid Westphal geleitet. Thomas Veen ist ein Sprecher der Monitoring-Gruppe des Schutzprozesses im Bistum Osnabrück. Die Monitoring-Gruppe hatte im vergangenen Jahr die Verhandlungen zwischen dem Bistum und der Universität Osnabrück rund um das unabhängige Forschungsprojekt initiiert und begleitet. Die Betroffenen Max Ciolek und Karl Haucke arbeiten auch im Betroffenenrat des Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) mit.

Unabhängig von kirchlichen Stellen

Die neu eingerichtete Steuerungsgruppe bewertet den Projektfortschritt und arbeitet vollständig unabhängig von den kirchlichen Stellen. Der Perspektive der Betroffenen wird dabei ein hoher Stellenwert eingeräumt, so der Betroffenen-Vertreter Karl Haucke: „Wir können Anstöße geben, wonach die Wissenschaftler suchen und welche Fragen sie stellen sollen. Auch für den Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt im Bistum können wir Erfahrungswerte beisteuern, damit längst erkannte Fehler in der Kommunikation nicht wiederholt werden.“ Max Ciolek ergänzt: „Unsere direkte Beteiligung am gesamten Prozess der Osnabrücker Studie ermöglicht einen besonders sensiblen Umgang mit den Betroffenen und ist nach meiner Kenntnis bisher einmalig in Deutschland.“

Das gesamte Ausmaß wird aufgearbeitet

Das Team der Universität Osnabrück arbeitet im ersten Projektjahr am Teilprojekt zu Rechtsverstößen. Es untersucht hierbei, ob das Vorgehen der Bistumsverantwortlichen bei Verdachtsfällen im Einklang mit den Vorschriften von Staat und Kirche stand. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führen zahlreiche Gespräche mit Verantwortlichen und Betroffenen aus dem Bistum Osnabrück und dem Erzbistum Hamburg (dessen Gebiet bis 1995 zum Bistum Osnabrück gehörte). Sie untersuchen Hunderte von Akten. Im September 2022 wird das Projekt erste Ergebnisse aus der Teilstudie zu Rechtsverstößen der Bistumsleitung presseöffentlich in Osnabrück vorstellen.

In den weiteren zwei Projektjahren soll die historische und rechtshistorische Hauptstudie bearbeitet werden. „Wir werden in der Hauptstudie das gesamte Ausmaß der Fälle sexualisierter Gewalt durch Kleriker im Bistum Osnabrück seit 1945 anhand von Akten und durch Befragung von Betroffenen und Zeitzeugen soweit wie möglich aufhellen“, kündigt der Jurist Prof. Dr. Hans Schulte-Nölke an.

Überdies sollen Fallberichte sexualisierter Gewalt im kirchlichen Raum aus der Perspektive der Betroffenen, der Beschuldigten, der Pfarreien und der Bistumsleitung erarbeitet werden. Dazu wird das Projektteam auch im Laufe des Jahres einen Aufruf an Betroffene veröffentlichen, die wissenschaftliche Studie anonymisiert zu unterstützen. „Bei unserer Arbeit sollen typische Muster von Betroffenenschicksalen, Täterstrategien und des Handelns der Bistumsleitung hervortreten. So wollen wir die Ursachen und Rahmenbedingungen sexualisierter Gewalt sichtbar machen“, erläutert die Historikerin Prof. Dr. Siegrid Westphal.


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