Sicherheit oberstes Anliegen: Geschäftsinhaber engagieren sich im Johannis-Quartier

Die Johannisstraße ist den Osnabrückern gut bekannt. „Eine Marke“, wie Claas Beckord, Leiter des Referats Nachhaltige Stadtentwicklung, die Aussagen der Teilnehmer des Projektes Johannis-Quartier zusammenfasst. Es wurde gefragt, was denn Positives mit dem Quartier verbunden würde. Zumindest sei die Johannisstraße bekannt, wurde geschmunzelt. Galgenhumor? Das Thema Sicherheit ist auch nach 18 Monaten Projektarbeit der CIMA nicht gelöst.

Sofortmaßnahme wird langfristiges Projekt

Gut 20 Mitwirkende des Projektes „Quartiersmanagement Johannisstraße/Neumarkt“ beteiligten sich gestern (23.01.) am Gespräch zur Staffelübergabe im neuen Quartiersbüro. Die Sofortmaßnahme, die aufgrund der prekären Situation in der Johannisstraße kurzfristig ins Leben gerufen worden war, wird nun überführt in ein längerfristiges Projekt. Ziel ist es, dauerhaft und stabil ein Quartiersmanagement zu etablieren. Vorbild ist das Nette-Quartier, das dieses Jahr ab Mai „verstetigt“ wird, die Finanzierung damit also langfristig gesichert ist. 

Förderung erst mal für drei Jahre

Das Ziel des Sofortmaßnahmeprojekts der Stadt Osnabrück, das von der externen Beratungsfirma CIMA durchgeführt worden ist, war es, „zukunftsfähige Arbeitsstrukturen mit lokalen Akteuren für das Quartier“ zu schaffen. Im Ergebnis gibt es eine weiterführende Besetzung des Quartiersmanagements und die Aufnahme in das Programm „Gute Nachbarschaft 2023“ mit Projektmitteln für drei weitere Jahre in Höhe von 180.000 Euro. In den Fokus rückt der Blick auf nachbarschaftliches Zusammenleben, soziale Infrastruktur und Wohnqualität. 

Aus Projekt „Johannisstraße“ wird Projekt „Johannis-Quartier“

Größte Veränderung in der Projektweiterführung ist die Öffnung des Betrachtungsraumes. Nicht mehr nur die Johannisstraße steht im Fokus, sondern das gesamte Johannis-Quartier, das eingefasst wird durch die Straßen Neumarkt, Kollegienwall, Pottgraben, Petersburger Wall, Johannistorwall, Schlossstraße, Ritterstraße, Kolpingstraße und Lyrastraße. 

Neuer Quartiersmanager ist Daniel Lindholz

Die Übergabe der Verantwortlichkeiten ist die nächste große Änderung. Lag die Projektführung bisher mit Quartiersmanagerin Marie Veltmaat bei der CIMA, so ist nun Daniel Lindholz als sogenannter Gemeinwesenarbeiter zuständig für die Koordination der verschiedenen Akteure im Quartier. Organisatorisch eingebunden ist die Stelle bei der Stadt Osnabrück im Referat „Nachhaltige Stadtentwicklung“.

Daniel Lindholz ist der neue Quartiersmanager in der Johannisstraße Osnabrück. / Foto: K. Steinkamp Fotografie
Daniel Lindholz ist der neue Quartiersmanager in der Johannisstraße Osnabrück. / Foto: K. Steinkamp Fotografie

Aktuelle Zufriedenheit bewegt sich im mittleren Bereich

„Die Beteiligung der Bürger nimmt einen hohen Stellenwert in der Quartiersarbeit ein, um das Quartier zu einem interkulturellen Wohnort mit inhabergeführten Geschäften zu machen“, so Daniel Lindholz. „Ein Mitmach-Stadtteil für alle, mit einer starken Nachbarschaft, vernetzten Akteuren sowie verbundenen Generationen“, erläutert er. Der Weg bis dahin scheint noch lang, obgleich zeitlich dringlich, zu sein, wenn man die Stimmen der Mitwirkenden des Projektes hört. Die aktuelle Zufriedenheit mit dem Stadtteil bewegt sich unter den Beteiligten zwischen „weder zufrieden noch unzufrieden“. Zumindest zeigt sich niemand „überhaupt nicht zufrieden“, allerdings auch nicht „voll und ganz zufrieden“, was jedoch auch nicht zu überraschen scheint.

Nur ein nicht-deutscher Gesprächsteilnehmer bei Projektabschluss?

Auffallend ist jedoch, dass von den Inhabern, die an dem Projektgespräch teilnahmen, lediglich eine Person mit einem nicht-deutschen Hintergrund anwesend ist. Wenn man den Stadtteil und die inhabergeführten Geschäfte kennt, weiß man, dass diese in dem Fall unterrepräsentiert sind. Ayca Avce, verantwortlich für die strategische Quartiersentwicklung Osnabrücks, erklärt das Phänomen damit, dass die Presse anwesend sei und dies eine Hemmschwelle für viele darstellen würde. Eingeladen worden seien alle. Marie Veltmaat erwähnt eine Mitmach-Aktion zum Thema Sauberkeit, bei der fast ausschließlich Personen mit Migrationshintergrund teilgenommen hätten. Von einzelnen Teilnehmern wurde jedoch herausgestellt, dass sie nichts von dieser Aktion im Vorfeld erfahren hätten.

Deutliche Worte von Geschäftsmann Sheikho Sido

Sheikho Sido, die anwesende Partei mit nicht deutschem, sondern kurdischem Hintergrund, führt seit 2008 an der Johannisstraße ein Friseurgeschäft und ein Eiscafé. Er habe in den vergangenen Jahren den Wandel selbst miterlebt und erfahre von seinen etwa 60 Prozent deutschstämmigen Kunden seines Friseurgeschäftes, was für eine blühende Zeit die Straße einstmals hatte. Er findet als erster deutliche Worte zum Thema Sicherheit. Ihm könne man nicht unterstellen, er sei von der AfD und er kenne seine Landsleute. Diese bräuchten Druck, ein starkes Durchgreifen der Polizei. Ob es nicht traurig sei, dass man nach 17:00/18:00 Uhr keine Deutschen mehr in der Straße sehen würde? Ab dann sei nämlich Feierabend und Kriminelle wie Drogenabhängige würden die Gegend unsicher machen. Sheikho Sido gibt damit den Anstoß zu einer regen Diskussion. 

Sogar in der Johannisstraße leuchten die Blumen. / Foto: Dayan
Blumen hübschen die Johannisstraße im Frühling und Sommer wieder auf. / Archivbild: Dayan

Sicherheitsthema verdrängt andere Aspekte

Ingrid Ketteler, stellvertretende Leiterin der Katholischen Familien-Bildungsstätte (FABI) in der Rosenstraße, berichtet davon, dass weder ihre jüngeren Mitarbeiter noch Kunden den Parkplatz zur FABI nach Anbruch der Dunkelheit nutzen wollten. Thomas Schulke, Betriebsleiter der Einrichtung MÖWE im Hauswörmannsweg, stellt heraus, dass die Baustelle am Neumarkt der größte Unsicherheitsfaktor für das Quartier sei. Da müsse „richtig Tempo rein“, die Politik sei gefordert, alle seien gefordert. Es sei auch was getan worden für die Unternehmen, die Baustellen waren eine starke Einschränkung für die Geschäfte, das sei nun grundlegend gut, doch die Sicherheitslage sei eine Katastrophe. Darin sind sich alle einig.

Dass die konzeptuelle Erweiterung vom Projekt „Johannisstraße“ zum Projekt „Johannis-Quartier“ eine strategisch wichtige Entscheidung war, verdeutlicht sich in der weiteren Diskussion. Neben dem leerstehenden Wöhrl-Parkhaus und den weiteren Parkhäusern und Garagen als Unsicherheitsfaktoren, in und an deren Peripherie sich die Obdachlosen- und Drogenszene aufhalte, gilt der Salzmarkt nach Anbruch der Dunkelheit als gefährliche Gegend. Sehr zum Bedauern für die Senioren, die dort wohnen, so die Teilnehmer.

Blick in die Johannisstraße / Foto: Köster
Blick in die Johannisstraße / Archivbild: Köster

Sicherheitslage bleibt prekär

Claas Beckord nimmt dazu Stellung, bestätigt die Einschätzung der Gesprächspartner. Die Lichtverhältnisse seien schlecht, Ecken und Gassen würden eine effiziente Verbesserung der Sicherheitslage verhindern. Ein Bebauungsplan sei in Arbeit, doch er wisse, dass das alles noch dauern werde. Verschönerungen und Sauberkeit seien auch sehr wichtig, wie Blumen und Sitzbänke. Auch darüber wird in dem Kreis gesprochen und Anregungen von den Mitarbeitern der Stadt Osnabrück aufgenommen.

Abschließend fasst Sheikho Sido zusammen: „Wir brauchen Sicherheit für die Straße. Hier muss Druck rein, ganz intensiver Druck. Anders funktioniert das nicht, ich kenne doch die Leute hier.“ Er pausiert kurz. „Manchmal denke ich, wo lebe ich hier eigentlich.“

Beziehungsaufbau und -pflege im Quartier

Vor Daniel Lindholz liegen also große Aufgaben. Seine nächsten Schritte sind, neben Netzwerken und Kooperationsgesprächen, „aktivierende Befragungen, um mit den Bewohnern in Kontakt zu kommen“ und eine „Zukunftswerkstatt zur Fortführung des Prozesses mit allen bisher Beteiligten und Bewohnenden“. Denkbar sei auch eine Art „Kiez-Kultur“, die man entwickeln könnte.

Wer Quartierskoordinator Daniel Lindholz persönlich sprechen möchte, der findet ihn in der Johannisstraße 75 im Quartiersbüro. Weil er auch mal unterwegs sein kann, gibt es Sprechzeiten, in denen er in jedem Fall vor Ort ist: Dienstags von 15:00 bis 18:00 Uhr, mittwochs von 10:00 bis 13:00 Uhr und donnerstags von 15:00 bis 18:00 Uhr.


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