Objektive Beobachter des Osnabrücker Sports reiben sich die Augen. Seit gut einem Jahrzehnt schreiben die Langsprinter aus unserer ansonsten von sportlichen Erfolgsgeschichten nicht unbedingt verwöhnten Stadt maßgeblich an deutscher und sogar europäischer Leichtathletikgeschichte mit. Sie setzen Jahr für Jahr neue Akzente. Ab dem morgigen Donnerstag will der 21jährige Florian Kroll (LG Osnabrück) das unausgesprochene LG-Motto „Unmögliches möglich machen“ im norwegischen Bergen erneut mit Leben füllen und bei der U23-Europameisterschaft für die nächste Steigerung sorgen.
Nach 12-wöchiger Verletzungspause am Start
Nach seinem Trainingskollegen Fabian Dammermann 2017 und 2019 (Platz vier und eins mit der 4×400 m-Staffel) ist Florian erst der zweite Osnabrücker auf dieser Ebene. Und sorgt für eine Premiere: Erstmals gibt es einen Einzelstart für einen Osnabrücker Leichtathleten. Florian darf in Vorlauf am Donnerstag und gegebenenfalls Halbfinale (Freitag) und Finale (Samstag) um eine Medaille bzw. gute Platzierung sowie neue Bestleistungen kämpfen.
Florian geht nach einer sensationellen Vorstellung bei den Deutschen U23-Meisterschaften in Ulm mit breiter Brust an den Start. Nach zwölf Wochen Verletzungspause lieferte er beim Comeback im Halbfinale mit 46,65 sec und im Finale mit 46,35 sec die viert– und zweitbeste Zeit seiner Karriere ab. Im stärksten Endlauf der 81-jährigen Meisterschaftsgeschichte erfüllte er als Vizemeister nicht nur die EM-Norm, sondern sicherte sich einen Platz in der deutschen EM-Staffel.
Ein Blick in die Startliste für Norwegen verdeutlicht die Schwere der Aufgabe. 34 Aktive aus 19 Nationen stellen sich über 400 m dem Starter, Florian greift von Rang 19 der Meldeliste an. 16 Langsprinter ziehen ins Halbfinale ein, im Finale reduziert sich die Zahl auf acht. „Ich schau nicht auf die Startlisten und die Leistungen der Konkurrenz. Ich werde mein Bestes geben und bis zum letzten Meter kämpfen – dann ist vieles und alles möglich“. Florian hat Erfahrung mit der Außenseiterrolle. Bei den Deutschen Meisterschaften der Männer in der Halle sowie der U23 im Freien schockte er die Konkurrenz schon in den Halbfinals. In den Finals spurtete er zur Überraschung aller Experten sensationell zum Deutschen Meistertitel bei den Männern bzw. Rang zwei bei der U23.
Realistische Medaillenchance
Deutlich realistischer ist die Medaillenchance in der 4 x 400 m. Das deutsche Team reist als Nummer 2 der europäischen Jahresbestenliste an, 14 Nationen stellen sich dem Starter. Die Staffel bietet traditionell, aber auch besondere Herausforderungen und damit ist nicht nur die fehlerfreie Weitergabe des Staffelstabes gemeint. Zwischen Halbfinale und Finale liegen am Sonntag weniger als neun Stunden, die Arithmetik von Staffelaufstellungen fordert die Trainer besonders heraus. Erst im Finale am Abend werden die Teams ihre besten Aktiven auf die Bahn stellen. Auch Florian könnte zu den Kandidaten gehören, die erst im Finale eingewechselt werden. Erst dort treffen dann die bestbesetzten Teams aufeinander – und dürften sich einen harten Kampf liefern. Fabian Dammermann, der 2019 im schwedischen Gävle sein Team mit einem überragenden Auftritt auf Position drei an den favorisierten Briten vorbeibrachte und zum Titel führte, hat seinen Vereinskollegen maximal moviert: „Auch damals ist die 4 x 400 m-Staffel der Männer die letzte Disziplin der EM gewesen. Nach unserem Sieg ist die EM nahtlos in eine tolle Abschlussfeier übergegangen – mittendrin die Siegerehrung der Staffeln. Das werde ich nie vergessen. Nichts gönne ich Florian mehr als dieses Erlebnis.“
Das sind die Termine
Donnerstag, 17. Juli, 13.15 Uhr: 400 m Runde 1
Freitag, 18. Juli, 17.53 Uhr: 400 m Halbfinale
Samstag, 19. Juli, 18.15 Uhr: 400 m Finale
Sonntag, 20. Juli, 10.30 Uhr: 4 x 400 m Runde 1
Sonntag, 20. Juli, 19.40 Uhr: 4 x 400 m Finale
Live zu verfolgen www.eurovisionsport.com bzw. auf der Homepage von European Athletics.