Die Diskussion um den Neumarkt und das zukünftige Busnetz sorgt innerhalb der Osnabrücker Grünen offenbar für deutliche Spannungen und ein Aufbegehren der Generation, die es erst möglich gemacht hat, dass die Grünen im Rathaus sitzen.
Mehrere prominente Mitglieder der Gründergeneration der Partei wenden sich in einem offenen Brief öffentlich gegen den Kurs der eigenen Ratsfraktion. In dem Schreiben fordern sechs prägende Persönlichkeiten der frühen Osnabrücker Grünen, in der kommenden Ratssitzung die aktuellen Umbaupläne (Kosten fast 30 Millionen Euro) zu stoppen und Alternativen für die Führung des Busverkehrs zu prüfen. Nach den derzeitigen Plänen soll der Umbau kommendes Jahr beginnen, aber erst nach den Kommunalwahlen im September.
Wir veröffentlichen den Offenen Brief in vollem Wortlaut
Der Brief, der am Donnerstag an die Fraktion zugestellt wurde, trägt die Unterschriften von Ruth Hammerbacher, Johannes Bartelt, Gerhard Kooiker, Martin Läer, Thomas Polewsky und Werner Sievers. Die Unterzeichner haben die Entwicklung der Grünen in Osnabrück seit den 1970er- und 1980er-Jahren maßgeblich geprägt und waren über viele Jahre in Partei, Initiativen und Umweltbewegung aktiv. Nun stellen sie sich gegen den aktuellen Kurs der Fraktion – insbesondere gegen die Idee, Teile des Linienverkehrs künftig über die Johannisfreiheit – direkt am Hospiz und dem Marienhospital (MHO) entlang – zum Hauptbahnhof zu führen.
Unterzeichner sind teils auch in anderen Initiativen aktiv
Mit ihrer Kritik stehen sie nicht allein. Verschiedene Osnabrücker Initiativen – darunter der ADFC, Pro Stadtbus und der Verein „zuFuß“ – äußerten ebenfalls Kritik und Zweifel an den Planungen. Die Unterzeichner sind selbst in einigen dieser Gruppen engagiert; der offene Brief ist damit auch eine Selbstverstärkung einer kleinen, aber lautstarken und einflussreichen linken und grünen Szene, aus der die Osnabrücker Grünen einst hervorgegangen sind.
Offener Brief gegen die geplante Busführung über die Johannisfreiheit
An die Ratsmitglieder von Bündnis 90/Die Grünen,
an den Vorstand des Kreisverband Osnabrück von Bündnis 90/Die Grünen,
als langjährig bei den Osnabrücker Grünen und für grüne Politik Aktive und als Gründungsmitglieder der Osnabrücker Grünen verfolgen wir die Diskussion um die Entwicklung des Osnabrücker Bussystems und den Neumarkt mit großer Sorge.
Wir haben Verständnis für die Komplexität der Entscheidungen, die im Rat zu diskutieren und zu fällen sind. Auch verstehen wir, dass es schwierig ist, die gerade bei Mobilitätsthemen konträren Interessen im politischen Raum zu tragfähigen Lösungen zu bringen.
Dies darf aber nicht auf Kosten sinnvoller Lösungen für die Stadtentwicklung und für das Bussystem gehen. Zugunsten fragwürdiger politischer Kompromisse dürfen keine langfristigen baulich schädlichen Tatsachen geschaffen werden und überflüssige Belastungen des extrem angespannten Investitionshaushalts der Stadt Osnabrück entstehen.
Auch für die Stadtwerke dürfen keine unnötigen zusätzlichen Kosten durch eine ungeeignete Streckenführung entstehen. Das für das Osnabrücker Bussystem mobilisierbare Geld muss vielmehr zielführend in tragfähige Verbesserungen geführt werden.
Wir wenden uns heute an Euch, weil wir die Position der grünen Ratsfraktion, die Johannisfreiheit als Bustrasse zu nutzen, für falsch halten und ausdrücklich ablehnen.
Wir können das Argument, diese Entscheidung sei notwendig, um die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zu verbessern, in keiner Weise nachvollziehen:
- Eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität für den Neumarkt zwischen Johannisstraße und Kollegienwall kann mit wesentlich weniger eingreifenden Maßnahmen erreicht werden. In diesem Zusammenhang weisen wir ergänzend darauf hin, dass die voranschreitende Elektrifizierung von Bussen und Pkw‘s zu einer deutlichen Reduzierung von Lärm und Luftschadstoffen am Neumarkt führen wird.
- Der bescheidene Mehrwert, den die vorliegenden Pläne zeigen, rechtfertigt in keiner Weise die damit einhergehenden Belastungen im Bereich Johannisfreiheit, Johanniskirche/Neustädter Rathaus und Johannisstraße.
- Für eine maximal mäßige Platzqualität am Neumarkt wird der historisch außerordentlich bedeutsame Bereich an der Johannisfreiheit und zwischen Johanniskirche und dem ehemaligen Neustädter Rathaus massiv belastet.
- Die Führung von vielen hundert Bussen durch die Johannisfreiheit würde zur Entwertung eines bestehenden verkehrsberuhigten Straßenraums und eines innerstädtischen Platzes führen, die eigentlich beide mit überschaubaren Mitteln aufgewertet werden könnten. Für diesen Teil der Innenstadt würde sie zum Verlust des zentralen öffentlichen Ortes führen, anstatt diesen aufzuwerten.
- Ein großer Teil der umgeleiteten Busse würde über die ohnehin bereits durch Busverkehr überlastete Johannisstraße Richtung Neumarkt/Neuer Graben geführt werden müssen. Die Ausweisung dieser Straße als verkehrsberuhigter Bereich ist bereits jetzt mit keinem entsprechenden Aufenthalts- und Einkaufserlebnis verbunden. In Zukunft droht eine Situation, die eher einem Busbahnhof gleicht. Das wird sich qualitätssenkend auf die sich eigentlich positiv entwickelnde neue Geschäftswelt in der Johannisstraße auswirken.
- Last not least: Die geplante Busführung über die Johannisfreiheit würde dazu führen, dass Umstiege im Busverkehr komplizierter werden. Das wäre das Gegenteil von Fahrgastfreundlichkeit und würde den für die Verkehrswende zentralen Öffentlichen Nahverkehr weniger attraktiv machen.
In den Fraktionen der CDU, der SPD und der Linken gibt es öffentliche Kritik und Ablehnung durch profilierte Personen bezüglich der Umleitung über die Johannisfreiheit. Aus der grünen Fraktion und Partei hört man dazu nichts.
Wir hoffen sehr, dass die grüne Ratsfraktion den Mut findet, am 9. Dezember 2025 der Ratsvorlage über den Beginn der Bauarbeiten nicht zuzustimmen, die Diskussion wieder zu öffnen und auf eine bessere Lösung hinzuarbeiten.
Mit grün-motivierten Grüßen
Ruth Hammerbacher
Johannes Bartelt
Gerhard Kooiker
Martin Läer
Thomas Polewsky
Werner Sievers
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