Die angedrohten Zölle des früheren US-Präsidenten Donald Trump auf Importe könnten nach Einschätzung der Wirtschaftswissenschaftlerin Isabella Weber eine große Chance für Europa darstellen. Während Weber die geopolitischen Folgen für die USA und China analysiert, sieht auch Schaeffler-Chef Klaus Rosenfeld in der schwierigen Situation Potenziale für ein stärkeres Europa.
Weber: Chancen für Europa durch Trumps Politik
Die deutsche Wirtschaftswissenschaftlerin Isabella Weber, Professorin an der US-Universität von Amherst, Massachusetts, beurteilt die drakonischen Zölle des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump als mögliche Zäsur in den internationalen Beziehungen. „Wenn Trump wirklich Ernst macht mit der Abkopplung von China, wenn er auf absehbare Zeit die Geschäfte mit dem Rest der Welt dramatisch reduziert, wenn der Dollar weiter als Reservewährung der Welt an Bedeutung verliert, dann geht womöglich das amerikanische Zeitalter mit Trump zu Ende“, sagte Weber dem „Spiegel“.
Chinas Vorteile und europäische Handlungsoptionen
Nach Einschätzung von Isabella Weber habe China „in diesem Poker die besseren Karten“. Die Volksrepublik kämpfe, anders als die USA, nicht mit Inflation, sondern mit Deflation und habe entsprechend mehr Spielraum, um Kredite aufzunehmen und die inländische Nachfrage zu stimulieren. Zudem verfüge das Land als Autokratie über eine enorme Kontrolle über Industrie und Bevölkerung.
Um zu verhindern, dass China als neuer Hegemon die USA ablöst, plädiert Weber für eine „neue Chinapolitik“ in Europa. Sie empfiehlt, die Strategie der Chinesen zu adaptieren und den europäischen Markt für chinesische Investoren zu öffnen – vorausgesetzt, diese setzen in Schlüsselbereichen wie dem Automobilsektor auf Joint Ventures mit lokalen Unternehmen. „Europa sollte eine Führungsrolle übernehmen in der Gestaltung einer Wirtschaftsordnung“, so Weber laut „Spiegel“. Als weitere Maßnahmen sieht sie eine Clearingstelle für den Welthandel zur Regulierung von Handelsungleichgewichten durch Strafzahlungen, sowie gemeinsam angelegte Rohstoff-Lager und -Puffer, um Preisschwankungen auf den Weltrohstoffmärkten abzufedern. „Bei allem kurzfristigen Chaos liegt hier langfristig auch eine Chance“, betont Weber.
Rosenfeld: Unsicherheit als Herausforderung und Chance
Auch Klaus Rosenfeld, Chef des fränkischen Autozulieferers Schaeffler, teilt die Ansicht, dass die aktuellen Entwicklungen Chancen für Europa eröffnen: Die direkten Folgen der Zölle hält er für „mehr oder minder vernachlässigbar“. Gefährlicher seien laut Rosenfeld die indirekten Auswirkungen, insbesondere auf die Lieferketten, sowie die große Unsicherheit, die derzeit herrsche. „Das ist nur etwas für Männer und Frauen ohne Nerven“, kommentiert Rosenfeld im Gespräch mit dem „Spiegel“. Gleichzeitig sieht er für Europa eine Möglichkeit, gestärkt aus der Situation hervorzugehen: Er glaube, dass die EU aus der Situation „neues Selbstbewusstsein schöpfen kann und sollte“.
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