Guten Abend,

ich schreibe diese Zeilen heute unter dem Eindruck der Sonnenstrahlen, die nicht nur Osnabrück, sondern auch mein Herz den ganzen Tag erwärmt haben. Wie schön könnte unser Leben sein, wenn wir uns allesamt darauf besinnen, daß wir nur Menschen sind, mit allen Vorzügen und Widrigkeiten. Aber, wie der Volksmund so schön sagt, „es kann der Frommste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt!“ Auch die Hasemetropole ist keine Insel der Glückseligen, auch in unserer Friedensstadt nehmen in letzter Zeit gewalttätige Übergriffe zu, herrscht viel zu oft das Recht des Stärkeren, das gemeine Faustrecht, die pure Gewalt. Wenn an der Natruper Straße zwei Männer einen dritten fast zu Tode prügeln und nur durch einen Polizeieinsatz von ihrem Vorhaben abgehalten werden können, wenn am Hauptbahnhof zwei Männer einen dritten krankenhausreif schlagen, weil sie in alkoholisiertem Zustand meinten, beleidigt worden zu sein, weil sie das Recht in die eigene Hand genommen haben, das Recht, einem anderen Menschen Schmerzen zuzufügen, ihn womöglich irreparabel zu schädigen, dann scheint in unserer Stadt doch einiges aus den Fugen zu geraten. Ich möchte dafür auch nicht die weltpolitische Lage verantwortlich machen, obwohl es gute Gründe gäbe, hier nach den tieferen Ursachen für die Zunahme von Gewalt auf unseren Straßen und in unserem Alltag zu forschen. Hat das alles mit dem Zusammenstoß von verschiedenen Kulturen zu tun? Schaffen wir es eventuell doch nicht, die Massen an Neubürgern, die bei uns ein friedliches Zuhause suchen, ohne Probleme zu integrieren? Oder sind wir selber schuld an der ganzen Misere? Sind wir mittlerweile geistig so verroht, daß wir gar nicht mehr merken, wie kalt unser soziales Umfeld, unser gesamtes Gesellschaftssystem geworden ist?

Wir werden von einer Kaste von Politikern regiert, die alles andere als moralische Vorbilder sind. Mit unverhohlener Aggressivität wird von den Staaten um uns herum verlangt, sich dem deutschen Diktum zu beugen, widerspruchslos zu akzeptieren und dem nachzueifern, was Deutschland als Maßstab für humanes Handeln setzt. Und wenn innerhalb der Europäischen Union ein gewisser Unmut über die deutschen Alleingänge entsteht, dann wird mit der Kürzung von Finanzhilfen gedroht, mit Sanktionen vielerlei Art, mit der Knute der Sozialprogramme und Leistungseinschränkungen. Die neuesten Auswüchse dieser Art von Politik scheinen zu sein, daß die übrigen EU-Staaten die deutsche Regierungschefin, den EU-Ratspräsidenten im Schlepptau, „europäische Verträge“ mit wem auch immer aushandeln lassen. Hauptsache, die Dame hat etwas zu tun und darf glauben, daß sie die Richtung bestimmt. Allerdings hat niemand der übrigen EU-Staaten die Absicht, sich an die voller Stolz der Öffentlichkeit präsentierten Verträge gebunden zu fühlen. Das ist schließlich immer noch besser als der offene Widerstand gegen gegen einen gefühlten deutschen Imperialismus in Europa. Vielleicht bereitet die latente Ablehnung, das Nein hinter vorgehaltener Hand, ja schon mal die Lockerung des Zusammenhalts der europäischen Staaten untereinander vor. Ich habe für dieses Verhalten ein gewisses Verständnis. Ignoranz ist offen kriegerischen Handlungen auf jeden Fall vorzuziehen. Am Ende stünde dann womöglich eine der realen sozialen Verfassung Europas gerecht werdende politische Verfassung, die die Deutschen nach ihrer Fasson selig werden läßt, ohne daß alle anderen Staaten dabei mitmachen müssen. Dann werden unsere Nachbarn auch nicht mehr den Kopf schütteln, wenn die im deutschen Bundestag vertretenen Parteien nach dem Debakel der Landtagswahlen vom 13. März gemeinsam verlautbaren lassen, alles sei in bester Ordnung, schließlich hätten achtzig Prozent für „Angela Merkels Flüchtlingspolitik“ gestimmt. Als ob die Deutschen keine anderen Sorgen hätten, als der Sprunghaftigkeit ihrer Kanzlerin nachträglich Legitimität zu verleihen. Und dann kann es auch als gottgegeben hingenommen werden, wenn die Regierungschefin einer Demokratie in monarchistischem Ton verlauten lässt, daß das Land, dessen Bürger sie auf Zeit gewählt haben, nicht mehr „ihr Land“ sein könne, wenn sie nicht weiterhin „ein freundliches Gesicht zeigen“ dürfe.

Man gewöhnt sich an alles. Vor allem wir Deutsche haben es in dieser Kunst beinahe zur Perfektion gebracht. Wahrscheinlich haben wir uns längst an die Gewalt in unserem Umfeld gewöhnt, an Handlungen, die alternativlos sind, weil sie angeblich unser aller Wohl dienen, an Vorschriften und Verordnungen, die einzig und allein dazu erlassen werden, um die Bürger klein zu halten und freie Geister, freies Denken und letztendlich freies Handeln zu erschweren. Jede Tätigkeit des Staates, der Verwaltung, der Obrigkeit ist in irgendeiner Form Gewalt. Wir müssen aufpassen, daß die vermeintliche Fürsorge des Staates nicht überhand nimmt, daß uns der Staat mit seinem Ordnungsgedanken nicht die Luft zum Atmen nimmt und das zarte Pflänzchen Freiheit, daß immer weniger Platz zum Wachsen und Gedeihen findet, nicht achtlos zertritt. Wir sollten gegen jede Form von Gewalt aufbegehren, in unserer Nachbarschaft, in der lokalen Politik, auf der großen Weltbühne. Ich finde, wir haben schon in friedlicheren Zeiten als heute gelebt, das ist noch gar nicht so lange her. Es wäre ein Anfang, wenn wir die Schuldigen an der erneuten Ausbreitung von Hass und Gewalt klar benennen würden. Und nicht noch mit ihnen irgendwelche Verträge schließen, um die Folgen unserer besinnungslosen Politik rückgängig zu machen und unser Gesicht zu wahren. Natürlich ist es auf das Schärfste zu verurteilen, wenn das Faustrecht das vernünftige Gespräch ersetzt. Natürlich gibt es keinerlei Entschuldigung für körperliche und seelische Gewalt, die man anderen Menschen antut. Aber, und da kommt der kleine Sozialpädagoge in mir zum Vorschein, jede gewalttätige Handlung hat irgendwo ihren Ursprung. Und wenn die Gewalt immer mehr zunimmt, dann muß auch dieser Ursprung ein ganz schön gewaltiger sein. Noch können wir diese Entwicklung stoppen. Ich plädiere deshalb an dieser Stelle für mehr Liebe, Frieden und Toleranz unter den Menschen. In Osnabrück und dem Rest der Welt. Ohne Ansehen von Geschlecht, Hautfarbe, religiöser Gesinnung und politischer Orientierung. Es könnte alles so einfach sein. Uns fehlen in Osnabrück, in ganz Deutschland im Moment schlichtweg die Vorbilder, die uns diese Gesinnung vorleben. Deshalb sollten wir am besten bei uns selber anfangen. Jetzt sofort. Das schöne Wetter gibt schon mal die Richtung vor.

Ich wünsche allen HASEPOST-Lesern ein Wochenende, an dem es nichts zu kritisieren gibt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Ihr

Justus Möser

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