Hohe Erbschaftssteuer: Zu teure Immobilienbewertung durch Finanzämter

Deutschland erhebt bei Erbschaften grundsätzlich keine Nachlasssteuer, sondern eine Erbschaftsteuer. Im Gegensatz zu Letztgenannter wird die Erbschaftsteuer nicht auf den Nachlass selbst erhoben, sondern auf den Erwerb des Begünstigten. Dementsprechend muss der Begünstigte die deutsche Erbschaftsteuer auf alle erhaltenen Übertragungen entrichten.

In Deutschland existiert zudem ein einheitliches Erbschaft- und Schenkungssteuersystem: Unentgeltliche Übertragungen von Todes wegen oder unter Lebenden, insbesondere eine Schenkung zwischen denselben Personen innerhalb von 10 Jahren, werden zusammengerechnet und die Steuer wird auf der Grundlage des zusammengerechneten steuerpflichtigen Erwerbs berechnet. Dies kann dazu genutzt werden, die anfallende Steuer zu minimieren.

Die deutsche Erbschaftsteuer wird auf jede Übertragung von Vermögenswerten im Todesfall erhoben. Die folgenden Übertragungen sind beispielsweise steuerpflichtig:

  • Eine Erbschaft, ein Vermächtnis und/oder ein Pflichtteil
  • Die Schenkung auf den Todesfall
  • Die Todesfallleistung einer Lebensversicherung oder Rentenversicherung oder eine andere vertragliche Todesfallleistung
  • Übertragung von Todes wegen auf eine Stiftung oder eine Vermögensmasse ausländischen Rechts
  • Jede Entschädigung für eine Ausschlagung der Erbschaft (Ausschlagung)

Vererben von Immobilien: Wie berechnet sich die Erbschaftssteuer?

Der Steuersatz der deutschen Erbschaftsteuer hängt von der Steuerklasse des Begünstigten ab. Die Steuerklasse richtet sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Erblasser und dem Begünstigten:

In Steuerklasse I fallen:

  • Ehepartner
  • Eingetragene gleichgeschlechtliche Partner
  • Kinder (einschließlich Stiefkindern)
  • Kinder eines Kindes
  • Elternteil oder ein anderer Verwandter in aufsteigender Linie (Übertragung von Todes wegen)

In Steuerklasse II fallen:

  • Geschiedene Ehepartner
  • Geschwisterkinder (Bruder oder Schwester)
  • Nichten und Neffen
  • Stiefeltern
  • Schwiegereltern
  • Schwiegertochter oder Schwiegersohn

In Steuerklasse III fallen:

  • Jede andere Person

Muss ich in jedem Fall Erbschaftssteuer auf eine geerbte Immobilie zahlen?

Immobilienexperte André Heid betont: „Nein, denn es existieren bestimmte Freibeträge im deutschen Erbschaftssteuergesetz. Der persönliche Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz richtet sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen Erblasser und Begünstigtem.“

Bei unbeschränkter Steuerpflicht gelten die folgenden Freibeträge:

  • Ehepartner: 500.000 EUR
  • Geschiedener Ehepartner: 20.000 EUR
  • Eingetragener gleichgeschlechtlicher Partner: 500.000 EUR
  • Kinder (einschließlich Stiefkindern): 400.000 EUR
  • Kind eines vorverstorbenen Kindes: 400.000 EUR
  • Nachkommen von lebenden Kindern: 200.000 EUR
  • Elternteil: 100.000 EUR
  • Geschwisterkind (Schwester oder Bruder): 20.000 EUR
  • Nichte oder Neffe: 20.000 EUR
  • Stiefelternteil: 20.000 EUR
  • Schwiegereltern: 20.000 EUR
  • Schwiegertochter oder Schwiegersohn: 20.000 EUR
  • Andere Personen: 20.000 EUR

Der Freibetrag nach § 16 und 17 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz wird für jede Übertragung von ein- und derselben Person gewährt. Eine Person kann also mehr als einmal von dem Freibetrag profitieren.

Wie berechnet sich der Wert der Immobilie?

Um den anfallenden Erbschaftssteuerbetrag für eine Immobilie festlegen zu können, muss zunächst deren Wert festgestellt werden. Dabei obliegt es grundsätzlich dem zuständigen Finanzamt, den finalen Wert festzustellen. Das heißt jedoch nicht, dass Erben nicht selbstständig einen Sachverständigen mit der Wertermittlung beauftragen können. Allerdings muss das Finanzamt diese Wertermittlung nicht zwingend anerkennen. Diesbezüglich hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass die verbindliche Marktwertbestimmung nur durch das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu tätigen ist.

Experte André Heid von Heid Immobilienbewertung gibt dazu folgenden Tipp:

„In der Praxis erkennen viele Finanzämter auch Gutachten von nicht vereidigten Sachverständigen an. Im Zweifel sollten Sie jedoch vor der Beauftragung eines solchen Gutachters mit dem zuständigen Finanzamt sprechen und dort entsprechende Auskünfte zum Umgang mit dem Gutachten einholen.“

Welche Faktoren fließen mit in die Immobilienbewertung ein?

Um beurteilen zu können, ob ein Gutachten den Anforderungen des Finanzamtes entspricht, sollten Sie darauf achten, dass folgende Faktoren entsprechend berücksichtigt werden:

Datum der Bewertung

Maßgebend für die Bewertung ist der Zeitpunkt, zu dem die Steuer entstanden ist. Siehe § 11 ErbStG. Die Steuer auf eine Erbschaft entsteht mit dem Tod des Erblassers (und nicht zu dem Zeitpunkt, zu dem der persönliche Vertreter eine Verteilung an den Begünstigten vornimmt). Folglich sind evtl. Wertveränderungen nach dem Tod nicht zu berücksichtigen.

Bewertungsmethoden

Die Bewertung von inländischem Grundbesitz richtet sich nach dem gemeinen Wert (§§ 162 I 1, 177 BewG). Der Steuerpflichtige muss den Wert nicht selbst ermitteln, sondern kann spezielle Steuerformulare ausfüllen, die es dem Finanzamt am Belegenheitsort ermöglichen, den Verkehrswert in einem besonderen Steuerverfahren zu ermitteln. (Achtung: siehe Tipps oben!) Je nach Art des Grundstücks ermittelt die örtliche Finanzbehörde den Wert von inländischen Grundstücken auf der Grundlage von …

  • einer vergleichenden Marktforschung (insbesondere für ein Ein- oder Zweifamilienhaus),
  • dem Wert des Grundstücks / Baus oder
  • dem Nettoeinkommen (insbesondere bei Mietobjekten) oder
  • einer Kombination daraus.
Bei der Wahl von einem Sachverständige sollte man auf z.B. auf die DEKRA-Zertifikation achten, damit das Gutachten durch das Finanzamt anerkannt wird. © Pexels, Sora Shimazaki
Bei der Wahl von einem Sachverständigen sollte man auf z.B. auf die DEKRA-Zertifikation achten, damit das Gutachten durch das Finanzamt anerkannt wird. © Pexels, Sora Shimazaki

Wurde die Immobilie innerhalb eines Jahres vor dem Steuerereignis (z. B. im Todesfall) verkauft, gilt im Allgemeinen der Kaufpreis als angemessener Marktwert. Ein Wertgutachten ist nicht erforderlich. Ist der Steuerpflichtige der Ansicht, dass der von der örtlichen Finanzbehörde ermittelte Wert über dem Verkehrswert liegt, kann er einen niedrigeren Wert durch ein Gutachten nachweisen.

Ausländische Immobilien werden ebenfalls mit dem Verkehrswert bewertet. Anders als bei der Bewertung inländischer Immobilien wird der Wert ausländischer Immobilien nicht in einem besonderen Steuerverfahren ermittelt. Stattdessen muss der Steuerpflichtige den Wert angeben und dem Erbschaftssteueramt Auskunft über den angegebenen Wert erteilen.

Was passiert, wenn ich mich nicht selbst um die Wertermittlung meiner geerbten Immobilie kümmere?

In diesem Fall wird das zuständige Finanzamt den Wert des Objektes schätzen. Und diese Schätzung fällt nicht immer zugunsten des Steuerpflichtigen aus. Im Gegenteil: Immer wieder sind Steuerpflichtige verärgert darüber, dass Finanzämter den Wert einer geerbten Immobilie zu hoch einschätzen, so dass sich daraus eine entsprechend hohe Erbschaftssteuer ergibt. Beachten Sie daher die in diesem Ratgeber aufgeführten Tipps, um ein solches Vorgehen nach Möglichkeit zu vermeiden.

Fazit und abschließende Tipps

Abgesehen davon, dass bei einer Erbschaft immer ein trauriger Anlass zugrunde liegt, sind manche Menschen darum zu beneiden, quasi ohne Arbeit und eigenes Zutun ein Objekt von immensem Wert vermacht zu bekommen. Allerdings hängen daran durchaus auch Verpflichtungen, wie etwa zur Zahlung von Erbschaftssteuer.

Zum Glück gibt es hier – je nach Verwandtschaftsgrad – recht hohe Freibeträge von bis zu 500.000 Euro. Ist die Immobilie allerdings mehr wert, fallen nicht unerhebliche Beträge der Erbschaftssteuer an. Ärgerlich wird es, wenn das Finanzamt den Wert der Immobilie zu hoch ansetzt. In diesem Fall hat der Erbe aber die Möglichkeit, ein Gegengutachten eines anerkannten und vereidigten Sachverständigen erstellen zu lassen, so dass der Wert u. U. nach unten korrigiert werden kann.

 


Liebe Leserin und lieber Leser, an dieser Stelle zeigen wir Ihnen künftig regelmäßig unsere eigene Kommentarfunktion an. Sie wird zukünftig die Kommentarfunktion auf Facebook ersetzen und ermöglicht es auch Leserinnen und Lesern, die Facebook nicht nutzen, aktiv zu kommentieren. FÜr die Nutzung setzen wir ein Login mit einem Google-Account voraus.

Diese Kommentarfunktion befindet sich derzeit noch im Testbetrieb. Wir bitten um Verständnis, wenn zu Beginn noch nicht alles so läuft, wie es sollte.

 
Redaktion Hasepost
Redaktion Hasepost
Dieser Artikel entstand innerhalb der Redaktion und ist deshalb keinem Redakteur direkt zuzuordnen. Sofern externes Material genutzt wurde (bspw. aus Pressemeldungen oder von Dritten), finden Sie eine Quellenangabe unterhalb des Artikels.

Diese Artikel gefallen Ihnen sicher auch ...Lesenswert!
Empfohlen von der Redaktion