Guten Abend,

ich habe mit Verwunderung zur Kenntnis genommen, daß Michael Hagedorn, seines Zeichens der oberste Vertreter der Grünen im Osnabrücker Stadtrat und eher ein ausgleichender Charakter, auf seiner Facebook-Seite in dieser Woche regelrecht aggressive Töne anschlägt: »Die Holländer sind uns 20 Jahre voraus“ Lt. Einer Umfrage wollen 82% der Deutschen weg von der autogerechten Stadt.. Das sollten auch die politischen Platzhalter der Autofetischisten mal zur Kenntnis nehmen….« war dort öffentlich zu lesen.

Michael Hagedorn bei Facebook
Screenshot: Facebook


Was hat den guten Mann bloß so in Rage versetzt? Er hat ein Interview von deutschlandradiokultur.de mit einem Professor für Stadtplanung am der Bauhaus-Universität Weimar geteilt, in dem es unter anderem heißt: „Das Auto ist auch extrem bequem, und es ist immer verfügbar und man kommt überall damit hin und so weiter. Es ist im Grunde kaum zu schlagen, die Bequemlichkeit des Autos und die ganze Qualität, die das Auto hat ist überragend. (…) Wir sind einfach das Autoland. Wir sind eine Auto-Gesellschaft, eine Auto-Nation. Unsere gesamte Geschichte, Kulturgeschichte, Technikgeschichte, Alltagsgeschichte ist so eng mit dem Auto verbunden, dass wir da nicht einfach so von heute auf morgen das ändern können. Das ist in diesen kleinen Ländern Holland und Dänemark anders. Die haben beide keine Autoindustrie – Dänemark überhaupt nicht, Holland ganz wenig. Da spielt das nicht so eine Rolle.“
Das sind durchaus interessante und sachlich vorgetragene Feststellungen von jemandem, dessen Aufgabe es ist, neue urbane Lebensformen zu entwickeln. Eigentlich kein Grund, sich künstlich aufzuregen.

Wen mag Michael Hagedorn wohl mit „…die politischen Platzhalter der Autofetischisten…“ gemeint haben? Ich finde, er hat mit dieser Aussage gleich zwei wichtige gesellschaftliche Gruppen beleidigt. Zum einen diejenigen politischen Parteien und Gruppierungen, die den Automobilverkehr als nach wie vor wichtigen Bestandteil der allgemeinen Mobilität betrachten und wertschätzen, sei es nun aus pragmatischen, ökonomischen oder ideologischen Gründen. Oder weil sie einfach die Realität anerkennen, in der ein Großteil unserer täglichen Bewegungsabläufe vom Automobil durchgeführt wird. Deshalb sollte man die Autofahrer nicht gleich als – hier ist die zweite Beleidigung versteckt – Fetischisten bezeichnen. Fetischisten sind Menschen, die unter anderem ihre sexuellen Begierden auf bestimmte Gegenstände oder Körperteile richten. Nun weiß ich aus eigener leidvoller Erfahrung, daß es in Osnabrück aufgrund zahlreicher Schikanen seit vielen Monaten gar nicht mehr möglich ist, beim Autofahren so etwas wie lustvolle Empfindungen zu verspüren. Na ja, jeder Mensch braucht nun mal sein ganz persönliches Feindbild, und daß das bei einem Politiker der Grünen die Autofahrer sind, verwundert mich ehrlich gesagt nicht. Mich macht bei diesem von mir aufgeführten Beispiel nur wieder einmal die Wortwahl und die Form der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner äußerst traurig. Was sind das nur für Politiker, die sich so über die Menschen, die sie gewählt haben und für die sie schwerwiegende Entscheidungen zu treffen haben, äußern, die Polemik mit dem Vorschlaghammer der sachlichen Auseinandersetzung vorziehen, und die im Rundumschlag alles desavouieren, was nicht in ihr Weltbild paßt. Glauben diese Leute wirklich, daß man nur laut genug trommeln muß, damit sich die Zeiten ändern und die braven Bürger ihnen begeistert zujubeln?

Ich habe an dieser Stelle schon des öfteren beklagt, daß selbst in der kleinen heilen Welt des Osnabrücker Stadtrats nicht mehr vernünftig miteinander geredet und gestritten wird. Wenn man die Kompromittierung des politischen Gegners der sachlichen Auseinandersetzung vorzieht, dann braucht man sich freilich auch nicht zu wundern, wenn die Wahlergebnisse in den Keller purzeln und sich das gemeine Volk von einem abwendet. Und man muß auch wirklich kein Autofetischist sein, um Zustände anzuprangern, die politisch offensichtlich gewollt sind, die aber das Zusammenleben in der Hasestadt zunehmend erschweren. Haben Sie, verehrte Leser, schon mal versucht, nach 20 Uhr im Katharinenviertel noch eine legale Parkmöglichkeit zu ergattern? Oder an Werktagen, zumindest außerhalb der Schulferien, rund um die Liebigstraße Ihr Auto abzustellen, ohne gleich das OS-Team auf den Plan zu rufen? Von den unsäglichen Verhältnissen im fließenden Verkehr ganz zu schweigen. Jetzt, da das Wetter wieder schlechter geworden ist, wo Nässe und Kälte den Ton angeben, setzen sich die Bürger gerne wieder vermehrt hinter das Lenkrad des eigenen Autos. Wer will ihnen das verdenken? Die Politik hat eigentlich die Aufgabe, dieser zahlenmäßig größten Gruppe an Verkehrsteilnehmern in Osnabrück die Teilnahme am Straßenverkehr einigermaßen erträglich zu machen. Aber es passiert genau das Gegenteil. Allenthalben suchen die rot-grünen Ratsherren nach Möglichkeiten, den Autoverkehr künstlich zu erschweren und den Menschen, die täglich zur Arbeit fahren müssen oder das Automobil zur Bewältigung ihrer Arbeitstätigkeiten benötigen, das Leben so schwer wie nur irgend möglich zu machen. Und in einem äußerst süffisanten Ton und entlarvender Überheblichkeit wird dann noch davon geschwafelt, daß 82% der Deutschen weg von der autogerechten Stadt wollen. Woher nimmt Michael Hagedorn solche Zahlen? Oder sind sie doch eher Ausdruck grünen Wunschdenkens? Ich werde jetzt notgedrungen meine dicke Jacke anziehen und mich in meinen kleinen roten Flitzer setzen. Und dann zum Einkaufen fahren. Draußen regnet es mal wieder in Strömen. Osnabrücker Schmuddelwetter. Hoch lebe der Autofetischismus!

Ich wünsche allen HASEPOST-Lesern ein Wochenende, an dem es ausnahmsweise mal nichts zu mösern gibt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Ihr

Justus Möser

[Anmerkung des Herausgebers, weil unser Justus diesen Aspekt noch vergessen hat: In Osnabrück arbeiten mehr als 2.000 Menschen allein bei Volkswagen Osnabrück – hinzu kommen Logistik, Fremdfirmen und die Lieferanten von Kantine und Co.
Mehr als ein Dutzend Autohäuser, zahlreiche Werkstätten, Tankstellen und nicht zuletzt die großen Zulieferer wie Kieback oder der Teilegroßhändler Wessels + Müller dürften mit ihren Arbeitsplätzen in Summe wohl für das finanzielle Auskommen von mehreren 10tausend Familien im Großraum Osnabrück sorgen.]

Hier alle bislang erschienenen Kolumnen von Justus Möser.