Wichtigste Erkenntnisse
- Das deutsche Arbeitsrecht basiert auf dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und weiteren Spezialgesetzen
- Kündigungsfristen richten sich nach § 622 BGB und betragen grundsätzlich 4 Wochen zum 15. oder Monatsende
- Der Kündigungsschutz gilt in Betrieben mit mehr als 10 Arbeitnehmern nach 6-monatiger Betriebszugehörigkeit
- Arbeitsverträge müssen bestimmte Mindestangaben enthalten und können sowohl befristet als auch unbefristet sein
- Arbeitnehmer haben Anspruch auf Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und ein qualifiziertes Arbeitszeugnis
Das deutsche Arbeitsrecht bildet das Fundament für Millionen von Arbeitsverhältnissen und regelt die komplexen Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Ob Sie als Arbeitnehmer Ihre Rechte verstehen möchten oder als Unternehmer Ihre Pflichten kennenlernen wollen – dieser umfassende Leitfaden bietet Ihnen alle wichtigen Informationen zu diesem vielschichtigen Rechtsgebiet.
In diesem Artikel erfahren Sie alles über die Grundlagen des Arbeitsrechts, von der Entstehung des Arbeitsverhältnisses bis hin zu dessen Beendigung. Wir erläutern Ihnen die wichtigsten Gesetze, Ihre Rechte und Pflichten sowie praktische Aspekte wie Kündigungsfristen und Kündigungsschutz.
Grundlagen des deutschen Arbeitsrechts
Das deutsche Arbeitsrecht stellt einen spezialisierten Bereich des Zivilrechts dar, der die rechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern umfassend regelt. Es dient dem Schutz der typischerweise schwächeren Vertragspartei – dem Arbeitnehmer – und schafft ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den beteiligten Parteien.
Definition und Aufgaben des Arbeitsrechts im deutschen Rechtssystem
Das Arbeitsrecht umfasst alle gesetzlichen Bestimmungen, die die Entstehung, den Inhalt, die Änderung und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen betreffen. Sein Hauptziel ist es, ein gerechtes Gleichgewicht zwischen den Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern herzustellen, wobei es die strukturelle Unterlegenheit der Arbeitnehmer berücksichtigt.
Wichtigste Rechtsquellen: BGB, KSchG, BetrVG, AGG und Tarifverträge
Die rechtlichen Grundlagen des deutschen Arbeitsrechts bilden verschiedene Gesetze und Regelungen:
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Enthält die grundlegenden Bestimmungen zum Arbeitsvertrag (§ 611a BGB) und zu Kündigungsfristen
- Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Regelt den Schutz vor willkürlichen Kündigungen in größeren Betrieben
- Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG): Bestimmt die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmervertretung
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Verbietet Diskriminierung am Arbeitsplatz
- Tarifverträge: Schaffen branchenspezifische Standards für Löhne und Arbeitsbedingungen
Unterscheidung zwischen Individual- und Kollektivarbeitsrecht
Das Arbeitsrecht gliedert sich in zwei wesentliche Bereiche:
Individualarbeitsrecht regelt die direkten Beziehungen zwischen einem einzelnen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es umfasst den Abschluss und Inhalt von Arbeitsverträgen, Rechte und Pflichten beider Parteien sowie Fragen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Kollektivarbeitsrecht befasst sich mit den Beziehungen zwischen Arbeitgeberverbänden und Arbeitnehmervertretungen wie Gewerkschaften und Betriebsräten. Es regelt Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und das Streikrecht.
Schutzfunktion des Arbeitsrechts für die schwächere Vertragspartei
Da Arbeitnehmer in der Regel wirtschaftlich von ihrem Arbeitsplatz abhängig sind und der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers unterliegen, wirkt das Arbeitsrecht als Schutzmechanismus. Es verhindert die Ausnutzung dieser strukturellen Unterlegenheit und gewährleistet faire Arbeitsbedingungen.
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Der Arbeitsvertrag – Grundlage des Arbeitsverhältnisses
Der Arbeitsvertrag stellt die rechtliche Grundlage jedes Arbeitsverhältnisses dar und begründet die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien. Seine ordnungsgemäße Gestaltung ist entscheidend für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Rechtliche Voraussetzungen für einen wirksamen Arbeitsvertrag
Ein Arbeitsvertrag kommt durch übereinstimmende Willenserklärungen der Vertragsparteien zustande. Er bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form, sollte jedoch aus Beweisgründen schriftlich abgefasst werden. Wichtig ist, dass beide Parteien geschäftsfähig sind und der Vertrag nicht gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten verstößt.
Pflichtangaben nach Nachweisgesetz (NachwG): Arbeitszeit, Vergütung, Urlaubsanspruch
Das Nachweisgesetz verpflichtet Arbeitgeber, spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen. Diese Niederschrift muss folgende Angaben enthalten:
- Name und Anschrift der Vertragsparteien
- Beginn des Arbeitsverhältnisses
- Bei befristeten Verträgen: Ende und Grund der Befristung
- Arbeitsort oder Hinweis auf wechselnde Arbeitsorte
- Kurze Charakterisierung der Tätigkeit
- Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts
- Vereinbarte Arbeitszeit
- Dauer des Urlaubs
- Kündigungsfristen
- Verweis auf Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen
Unterschiede zwischen befristeten und unbefristeten Arbeitsverträgen
Unbefristete Arbeitsverträge sind die Regel im deutschen Arbeitsrecht. Sie enden nur durch Kündigung einer der Parteien, Aufhebungsvertrag oder andere besondere Umstände.
Befristete Arbeitsverträge sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Eine Befristung ohne sachlichen Grund ist für maximal zwei Jahre möglich, wobei innerhalb dieser Zeit bis zu drei Verlängerungen statthaft sind. Bei sachlichen Gründen (wie Vertretung, Projektarbeit oder Probezeit) kann eine Befristung auch darüber hinaus vereinbart werden.
Probezeit: Dauer, Kündigungsmöglichkeiten und rechtliche Besonderheiten
Die Probezeit darf maximal sechs Monate betragen und kann nur bei Beginn des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden. Während dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Trotzdem bleiben allgemeine Kündigungsverbote (wie Diskriminierungsverbot) bestehen.
Tarifvertragliche Bindung und ihre Auswirkungen auf den Arbeitsvertrag
Tarifverträge setzen Mindeststandards fest, die in individuellen Arbeitsverträgen nicht unterschritten werden dürfen. Sie gelten unmittelbar für Mitglieder der tarifschließenden Parteien oder können durch Allgemeinverbindlichkeitserklärung auf alle Unternehmen einer Branche ausgedehnt werden. Auch nicht tarifgebundene Unternehmen können Tarifverträge durch Bezugnahmeklauseln in ihre Arbeitsverträge einbeziehen.
Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien
Das Arbeitsverhältnis begründet ein Geflecht wechselseitiger Verpflichtungen, die sowohl aus dem Arbeitsvertrag selbst als auch aus gesetzlichen Bestimmungen resultieren. Diese Rechte und Pflichten bilden das Fundament für eine geordnete und faire Zusammenarbeit.
Arbeitnehmerpflichten
Arbeitsleistung: Qualität, Quantität und Arbeitszeit
Die Hauptpflicht des Arbeitnehmers besteht in der vertragsgemäßen Erbringung der Arbeitsleistung. Dabei muss er:
- Die vereinbarte Arbeitszeit einhalten und pünktlich erscheinen
- Seine Aufgaben sorgfältig und gewissenhaft erfüllen
- Den fachlichen Standards seiner Stelle entsprechen
- Weisungen des Arbeitgebers im Rahmen seines Direktionsrechts befolgen
Treuepflicht und Verschwiegenheit über Betriebsgeheimnisse
Arbeitnehmer sind zur Loyalität gegenüber ihrem Arbeitgeber verpflichtet. Dies umfasst:
- Schutz der Interessen des Unternehmens
- Verschwiegenheit über Betriebsgeheimnisse und vertrauliche Informationen
- Unterlassung von Handlungen, die dem Arbeitgeber schaden könnten
- Anzeige von Umständen, die für das Unternehmen wichtig sind
Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses
Während des laufenden Arbeitsverhältnisses dürfen Arbeitnehmer keine Tätigkeiten ausüben, die in Konkurrenz zu ihrem Arbeitgeber stehen. Nebentätigkeiten sind grundsätzlich erlaubt, sofern sie:
- Die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigen
- Nicht in direkter Konkurrenz zum Arbeitgeber stehen
- Die gesetzlichen Arbeitszeiten nicht überschreiten
- Eventuellen vertraglichen Anzeigepflichten entsprechen
Anzeigepflicht bei Krankheit und Arbeitsunfähigkeit
Bei Arbeitsunfähigkeit müssen Arbeitnehmer:
- Den Arbeitgeber unverzüglich (spätestens am ersten Krankheitstag) informieren
- Die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit mitteilen
- Ab dem dritten Tag ein ärztliches Attest vorlegen
- Bei längerer Krankheit regelmäßig über den Gesundheitszustand informieren
Arbeitgeberrechte und -pflichten
Weisungsrecht: Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung
Der Arbeitgeber besitzt das Direktionsrecht und kann bestimmen:
- Welche konkreten Aufgaben der Arbeitnehmer zu erfüllen hat
- Wann die Arbeitsleistung zu erbringen ist (innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit)
- Wo die Arbeit zu verrichten ist
- Art und Weise der Arbeitsausführung
Dieses Weisungsrecht ist jedoch begrenzt durch Gesetze, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und das Schreiben des Arbeitsvertrags.
Entgeltfortzahlungspflicht bei Krankheit und Feiertagen
Der Arbeitgeber muss das Entgelt fortzahlen:
- Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit für bis zu sechs Wochen
- An gesetzlichen Feiertagen, wenn diese auf einen Arbeitstag fallen
- Bei unverschuldeter Verhinderung (z.B. Arzttermine, Behördengänge)
- Bei Mutterschutz und in bestimmten Fällen der Elternzeit
Fürsorgepflicht und Arbeitsschutz
Arbeitgeber haben umfassende Fürsorgepflichten:
- Gewährleistung eines sicheren Arbeitsplatzes
- Schutz vor Gesundheitsgefahren
- Bereitstellung notwendiger Arbeitsmittel
- Rücksichtnahme auf persönliche Verhältnisse der Arbeitnehmer
- Einhaltung der Arbeitszeitgesetze zum Gesundheitsschutz
Gleichbehandlungsgebot und Diskriminierungsverbot nach AGG
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verpflichtet Arbeitgeber zur Gleichbehandlung und verbietet Diskriminierung aufgrund von:
- Rasse oder ethnischer Herkunft
- Geschlecht
- Religion oder Weltanschauung
- Behinderung
- Alter
- Sexueller Identität
Diese Maßnahmen gelten für alle Bereiche des Arbeitsverhältnisses, von der Einstellung über die Vergütung bis hin zur Kündigung.
Kündigung von Arbeitsverhältnissen
Die Kündigung stellt den wichtigsten Beendigungsgrund für Arbeitsverhältnisse dar und unterliegt strengen rechtlichen Regelungen. Das deutsche Arbeitsrecht unterscheidet zwischen verschiedenen Kündigungsarten und bietet umfassenden Schutz vor willkürlichen Kündigungen.
Ordentliche Kündigung
Gesetzliche Kündigungsfristen nach § 622 BGB mit Staffelung nach Betriebszugehörigkeit
Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt in § 622 die gesetzlichen Kündigungsfristen, die sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit staffeln:
| Betriebszugehörigkeit | Kündigungsfrist für den Arbeitgeber |
| Bis 2 Jahre | 4 Wochen zum 15. oder zum Monatsende |
| 2 Jahre | 1 Monat zum Monatsende |
| 5 Jahre | 2 Monate zum Monatsende |
| 8 Jahre | 3 Monate zum Monatsende |
| 10 Jahre | 4 Monate zum Monatsende |
| 12 Jahre | 5 Monate zum Monatsende |
| 15 Jahre | 6 Monate zum Monatsende |
| 20 Jahre | 7 Monate zum Monatsende |
Für Arbeitnehmer gelten grundsätzlich einheitlich vier Wochen zum 15. oder zum Monatsende, es sei denn, der Vertrag oder ein Tarifvertrag sehen längere Fristen vor.
Vertragliche und tarifliche Kündigungsfristen als Verlängerung der gesetzlichen Fristen
Arbeitsverträge und Tarifverträge können längere Kündigungsfristen vorsehen, jedoch niemals kürzere als die gesetzlichen Mindestfristen. Häufig enthalten Tarifverträge einheitliche, längere Kündigungsfristen für beide Vertragsparteien.
Berechnung der Kündigungsfristen: zum 15. oder Monatsende
Die Berechnung erfolgt so, dass die Kündigung entweder zum 15. eines Kalendermonats oder zum Ende eines Kalendermonats ausgesprochen werden kann. Das Datum der Zustellung der Kündigungserklärung ist dabei entscheidend für den Beginn der Frist.
Schriftformerfordernis nach § 623 BGB – elektronische Form unwirksam
Jede Kündigung muss schriftlich erfolgen und die eigenhändige Unterschrift der kündigenden Partei tragen. E-Mail, Fax oder andere elektronische Formen sind unwirksam. Bei juristischen Personen muss ein vertretungsberechtigter Vertreter das Kündigungsschreiben unterzeichnen.
Kündigungsschutz nach dem KSchG
Anwendungsbereich: Betriebe mit mehr als 10 Arbeitnehmern
Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung in Betrieben mit mehr als 10 Arbeitnehmern. Dabei werden Teilzeitkräfte entsprechend ihrer Arbeitszeit anteilig berücksichtigt. Der besondere Kündigungsschutz greift erst nach einer Wartezeit von sechs Monaten.
Wartezeit von 6 Monaten für den Kündigungsschutz
Arbeitnehmer können sich erst auf den besonderen Kündigungsschutz des KSchG berufen, wenn ihr Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate ohne Unterbrechung bestanden hat. Diese Wartezeit beginnt mit dem tatsächlichen Arbeitsbeginn.
Soziale Rechtfertigung: personenbedingte, verhaltensbedingte und betriebsbedingte Gründe
Eine ordentliche Kündigung ist nur sozial gerechtfertigt, wenn sie durch einen der folgenden Gründe bedingt ist:
Personenbedingte Kündigung: Wenn der Arbeitnehmer aufgrund persönlicher Umstände (z.B. lange Krankheit, fehlende Qualifikation) die Arbeitsleistung nicht erbringen kann.
Verhaltensbedingte Kündigung: Bei steuerbarem Fehlverhalten des Arbeitnehmers (z.B. wiederholte Unpünktlichkeit, Pflichtverletzungen), meist nach vorheriger Abmahnung.
Betriebsbedingte Kündigung: Wenn der Arbeitsplatz aufgrund wirtschaftlicher oder technischer Gründe wegfällt und keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht.
Kündigungsschutzklage: 3-Wochen-Frist und arbeitsgerichtliches Verfahren
Arbeitnehmer können innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen. Nach Ablauf dieser Frist gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam, selbst wenn sie ursprünglich unwirksam war.
Außerordentliche Kündigung
Voraussetzungen: wichtiger Grund und Unzumutbarkeit der Fortsetzung
Eine außerordentliche, fristlose Kündigung ist nur möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der es der kündigenden Partei unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls und die Interessen beider Parteien abzuwägen.
Fristlose Kündigung und ihre rechtlichen Konsequenzen
Bei einer wirksamen fristlosen Kündigung endet das Arbeitsverhältnis sofort. Der Arbeitnehmer verliert seinen Anspruch auf Vergütung für die Zeit bis zum ordentlichen Kündigungstermin. Gleichzeitig kann eine fristlose Kündigung zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führen.
Abmahnung als Voraussetzung bei steuerbarem Fehlverhalten
Bei steuerbarem Fehlverhalten ist vor einer verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich. Diese muss das Fehlverhalten konkret beschreiben und für den Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen androhen. Nur bei besonders schweren Pflichtverletzungen kann ausnahmsweise ohne Abmahnung gekündigt werden.
2-Wochen-Frist für die Erklärung nach Kenntnis des Kündigungsgrunds
Eine außerordentliche Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen ausgesprochen werden. Diese Frist ist eine Ausschlussfrist und kann nicht verlängert werden.
Besonderer Kündigungsschutz
Bestimmte Personengruppen genießen besonderen Schutz vor Kündigungen, der über den allgemeinen Kündigungsschutz hinausgeht. Diese Schutzvorschriften berücksichtigen besondere Lebensumstände und gesellschaftspolitische Ziele.
Mutterschutz: Kündigungsverbot während Schwangerschaft und Elternzeit
Schwangere Arbeitnehmerinnen sind ab Beginn der Schwangerschaft bis vier Monate nach der Entbindung vor Kündigungen geschützt. Während der Elternzeit besteht ebenfalls ein umfassendes Kündigungsverbot. Nur in Ausnahmefällen kann die zuständige Behörde eine Kündigung für zulässig erklären.
Betriebsratsmitglieder: Schutz vor ordentlicher Kündigung
Betriebsratsmitglieder können ordentlich nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Außerordentliche Kündigungen sind nur mit Zustimmung des Betriebsrats möglich. Dieser Schutz beginnt mit der Kandidatur und endet ein Jahr nach Beendigung der Amtszeit.
Schwerbehinderte Menschen: Zustimmungspflicht der Schwerbehindertenvertretung
Die Kündigung schwerbehinderter Menschen bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Dabei werden die besonderen Umstände der Behinderung und die Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung geprüft. Ohne diese Zustimmung ist die Kündigung unwirksam.
Auszubildende: Besondere Schutzvorschriften nach Berufsbildungsgesetz
Nach der Probezeit können Auszubildende nur aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden. Ordentliche Kündigungen sind nicht möglich. Auszubildende können das Ausbildungsverhältnis mit einer vierwöchigen Frist kündigen, wenn sie die Berufsausbildung aufgeben oder sich für einen anderen Beruf ausbilden lassen wollen.
Arbeitszeit und Urlaubsrecht
Die Regelung von Arbeitszeit und Urlaub ist ein zentraler Bestandteil des Arbeitsrechts, der dem Schutz der Gesundheit und der Work-Life-Balance der Arbeitnehmer dient. Verschiedene Gesetze und Vereinbarungen schaffen hier einen umfassenden Rechtsrahmen.
Arbeitszeitgesetz (ArbZG): Höchstarbeitszeiten und Pausenregelungen
Das Arbeitszeitgesetz regelt die zulässigen Arbeitszeiten und dient dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer:
Tägliche Arbeitszeit: Grundsätzlich maximal 8 Stunden, ausnahmsweise bis zu 10 Stunden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden täglich nicht überschritten werden.
Ruhepausen: Bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 bis zu 9 Stunden mindestens 30 Minuten, bei mehr als 9 Stunden mindestens 45 Minuten. Pausen können in Abschnitte von mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden.
Ruhezeiten: Zwischen Ende und Wiederbeginn der Arbeit müssen mindestens 11 zusammenhängende Stunden liegen.
Sonn- und Feiertagsruhe: Grundsätzliches Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen mit Ausnahmen für bestimmte Branchen und Tätigkeiten.
Gesetzlicher Mindesturlaub: 20 Werktage bei 5-Tage-Woche nach Bundesurlaubsgesetz
Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) gewährt jedem Arbeitnehmer einen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub von mindestens 20 Werktagen bei einer 5-Tage-Woche. Bei einer 6-Tage-Woche beträgt der Mindesturlaub 24 Werktage. Viele Tarifverträge und Arbeitsverträge sehen jedoch deutlich längere Urlaubszeiten vor.
Entstehung und Verfall von Urlaubsansprüchen
Der volle Urlaubsanspruch entsteht nach sechsmonatiger Wartezeit. Für jeden vollen Monat der Betriebszugehörigkeit in den ersten sechs Monaten erwirbt der Arbeitnehmer einen Teilurlaub von einem Zwölftel des Jahresurlaubs.
Urlaub muss grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden. Eine Übertragung ins Folgejahr ist nur möglich, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Übertragener Urlaub verfällt spätestens am 31. März des Folgejahres.
Überstundenregelung und Ausgleichsmöglichkeiten
Überstunden sind Arbeitszeiten, die über die vertraglich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen. Sie sind grundsätzlich nur zu leisten, wenn:
- Sie im Arbeitsvertrag vereinbart sind
- Betriebliche Notwendigkeiten sie erfordern
- Der Betriebsrat (falls vorhanden) zugestimmt hat
Der Ausgleich kann erfolgen durch:
- Bezahlung mit Überstundenzuschlägen
- Freizeitausgleich
- Arbeitszeitkonten
Teilzeitarbeit und flexible Arbeitsmodelle
Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) regelt verschiedene flexible Arbeitsformen:
Teilzeitarbeit: Arbeitnehmer können unter bestimmten Voraussetzungen eine Verringerung ihrer Arbeitszeit verlangen. Der Arbeitgeber kann dies nur bei betrieblichen Gründen ablehnen.
Gleitzeit: Ermöglicht flexible Arbeitszeiten innerhalb bestimmter Kernarbeitszeiten.
Jobsharing: Aufteilung eines Arbeitsplatzes auf mehrere Personen.
Homeoffice/Mobile Arbeit: Arbeitsleistung außerhalb der betrieblichen Räumlichkeiten, zunehmend durch Betriebsvereinbarungen geregelt.
Entgelt und Sozialleistungen
Die Vergütung der Arbeitsleistung und zusätzliche Sozialleistungen bilden zentrale Elemente des Arbeitsverhältnisses. Das deutsche Recht sieht hier verschiedene Schutzvorschriften und Mindeststandards vor.
Mindestlohngesetz: Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn seit 2015
Seit dem 1. Januar 2015 haben alle Arbeitnehmer in Deutschland Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Dieser wird regelmäßig angepasst und beträgt derzeit 12 Euro pro Stunde (Stand 2024). Der Mindestlohn gilt grundsätzlich für alle Branchen und Tätigkeiten, mit wenigen Ausnahmen für bestimmte Personengruppen.
Kontrolle und Durchsetzung: Das Mindestlohngesetz sieht umfangreiche Dokumentationspflichten für Arbeitgeber vor, insbesondere bei geringfügigen Beschäftigungen und in bestimmten Branchen. Verstöße werden als Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten verfolgt.
Entgeltfortzahlung bei Krankheit für 6 Wochen
Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) verpflichtet Arbeitgeber zur Fortzahlung der Vergütung bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit für die Dauer von sechs Wochen. Voraussetzungen sind:
- Das Arbeitsverhältnis besteht länger als vier Wochen
- Der Arbeitnehmer ist unverschuldet erkrankt
- Er zeigt die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich an
- Ab dem dritten Tag liegt ein ärztliches Attest vor
Nach sechs Wochen übernimmt die Krankenkasse die Zahlung von Krankengeld.
Lohnfortzahlung an Feiertagen und bei persönlicher Verhinderung
An gesetzlichen Feiertagen, die auf Arbeitstage fallen, haben Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung ohne Arbeitsleistung. Zusätzlich besteht bei unverschuldeter persönlicher Verhinderung ein Anspruch auf bezahlte Freistellung für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit, beispielsweise für:
- Arztbesuche (soweit nicht in der Freizeit möglich)
- Behördentermine
- Familiäre Ereignisse (Hochzeit, Geburt, Todesfall)
- Ehrenamtliche Tätigkeiten
Betriebliche Altersversorgung und Entgeltumwandlung
Seit dem Betriebsrentengesetz von 2002 haben alle Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung. Dabei können sie einen Teil ihres Bruttogehalts in eine betriebliche Altersversorgung umwandeln. Arbeitgeber sind seit 2019 verpflichtet, die gesparten Sozialversicherungsbeiträge als Zuschuss weiterzugeben.
13. Monatsgehalt und Sonderzahlungen
Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld entstehen nur durch:
- Vertragliche Vereinbarung
- Tarifvertragliche Regelung
- Betriebsvereinbarung
- Betriebliche Übung bei regelmäßiger Zahlung
Die rechtlichen Regelungen unterscheiden zwischen einmaligen Zahlungen und dauerhaft gewährten Leistungen, die sich zu einem Anspruch verdichten können.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Die ordnungsgemäße Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfordert die Beachtung verschiedener rechtlicher Aspekte und kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Neben der Kündigung gibt es weitere Beendigungsformen, die jeweils eigene Besonderheiten aufweisen.
Aufhebungsvertrag als einvernehmliche Beendigung ohne Kündigungsfristen
Ein Aufhebungsvertrag beendet das Arbeitsverhältnis durch beiderseitiges Einverständnis. Im Gegensatz zur Kündigung müssen keine Kündigungsfristen eingehalten werden. Wichtige Aspekte:
Schriftform: Aufhebungsverträge müssen schriftlich abgeschlossen werden (§ 623 BGB).
Bedenkzeit: Arbeitgebern wird empfohlen, Arbeitnehmern eine angemessene Bedenkzeit zu gewähren.
Abfindungsregelungen: Häufig werden Abfindungen vereinbart, die steuerlich begünstigt sein können.
Arbeitslosenversicherung: Eine freiwillige Beendigung kann zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führen.
Beendigungsarten: Kündigung, Aufhebung, Zeitablauf, Tod
Das Arbeitsverhältnis kann auf verschiedene Weise beendet werden:
- Kündigung (ordentlich oder außerordentlich)
- Aufhebungsvertrag (einvernehmliche Beendigung)
- Zeitablauf bei befristeten Verträgen
- Tod des Arbeitnehmers oder Arbeitgebers (bei natürlichen Personen)
- Erreichen der Regelaltersgrenze
- Anfechtung bei Willensmängeln
Arbeitszeugnis: einfaches und qualifiziertes Zeugnis
Arbeitnehmer haben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein Arbeitszeugnis:
Einfaches Zeugnis: Enthält nur Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit.
Qualifiziertes Zeugnis: Beinhaltet zusätzlich Bewertungen der Leistungen und des Verhaltens. Es wird in der Regel erwartet und sollte:
- Wohlwollend formuliert sein
- Der Wahrheit entsprechen
- Vollständig sein
- Keine versteckten negativen Botschaften enthalten
Herausgabeansprüche und Rückgabepflichten bei Vertragsende
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen wechselseitige Herausgabe- und Rückgabeansprüche:
Arbeitnehmer muss zurückgeben:
- Betriebsmittel (Computer, Handy, Firmenwagen)
- Geschäftsunterlagen und Datenträger
- Schlüssel und Zugangskarten
- Arbeitskleidung
Arbeitgeber muss herausgeben:
- Private Gegenstände des Arbeitnehmers
- Arbeitszeugnis
- Bescheinigungen für die Arbeitsagentur
- Lohn- und Gehaltsabrechnungen
Abfindungen: gesetzliche und vertragliche Ansprüche
Einen allgemeinen gesetzlichen Anspruch auf Abfindung gibt es nicht. Ansprüche können entstehen durch:
- § 1a KSchG: Bei betriebsbedingter Kündigung, wenn der Arbeitnehmer die Drei-Wochen-Frist für die Kündigungsschutzklage verstreichen lässt
- Sozialplan: Bei Betriebsänderungen mit Interessenausgleich
- Tarifvertrag: Branchenspezifische Regelungen
- Aufhebungsvertrag: Freie Vereinbarung zwischen den Parteien
- Vergleich: Im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens
Kleinbetriebe und Sonderregelungen
Kleinbetriebe unterliegen besonderen Regelungen im Arbeitsrecht, die das strukturelle Ungleichgewicht zwischen kleinen Unternehmen und größeren Konzernen berücksichtigen. Diese Sonderbestimmungen betreffen insbesondere den Kündigungsschutz.
Ausnahmen vom Kündigungsschutzgesetz bei Betrieben bis 10 Arbeitnehmer
Das Kündigungsschutzgesetz findet keine Anwendung in Betrieben mit regelmäßig 10 oder weniger Arbeitnehmern. Für die Berechnung gelten besondere Regeln:
- Vollzeitbeschäftigte zählen mit 1,0
- Teilzeitbeschäftigte bis 20 Stunden mit 0,5
- Teilzeitbeschäftigte bis 30 Stunden mit 0,75
- Auszubildende werden nicht mitgezählt
Vereinfachte Kündigungsmöglichkeiten für Kleinbetriebe
In Kleinbetrieben können Arbeitgeber ordentliche Kündigungen aussprechen, ohne die strengen Anforderungen der sozialen Rechtfertigung nach dem KSchG beachten zu müssen. Sie müssen lediglich:
- Die gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen einhalten
- Die Schriftform beachten
- Allgemeine Kündigungsverbote respektieren
Dennoch geltende allgemeine Kündigungsverbote (sittenwidrig, diskriminierend)
Auch in Kleinbetrieben bleiben bestimmte Kündigungsverbote bestehen:
- Diskriminierungsverbot: Kündigungen aus Gründen des AGG sind unwirksam
- Sittenwidrigkeit: Willkürliche oder auf Schikanierung beruhende Kündigungen
- Maßregelung: Kündigungen zur Bestrafung der Rechtsausübung (z.B. Geltendmachung von Ansprüchen)
- Verstoß gegen die guten Sitten: Besonders rücksichtslose oder anstandswidrige Kündigungen
Tarifliche Schutzregelungen auch in Kleinbetrieben
Wenn ein Kleinbetrieb tarifgebunden ist oder Tarifverträge durch Bezugnahme anwendet, gelten deren Schutzbestimmungen auch hier. Dies kann umfassen:
- Erweiterte Kündigungsfristen
- Besondere Kündigungsvoraussetzungen
- Abfindungsregelungen
- Verfahrensvorschriften
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Kann ich während der Probezeit ohne Grund gekündigt werden?
Ja, während der Probezeit (maximal 6 Monate) kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen gekündigt werden, es sei denn, es liegt eine diskriminierende oder sittenwidrige Kündigung vor.
Wann habe ich Anspruch auf eine Abfindung?
Ein gesetzlicher Abfindungsanspruch besteht nur in wenigen Fällen, etwa bei betriebsbedingter Kündigung nach § 1a KSchG oder bei Sozialplänen. Häufiger werden Abfindungen im Rahmen von Aufhebungsverträgen oder Vergleichen vor dem Arbeitsgericht vereinbart.
Muss ich als Arbeitnehmer Überstunden leisten?
Überstunden sind nur dann zu leisten, wenn sie im Arbeitsvertrag vereinbart sind, sich aus einer Notlage des Betriebs ergeben oder der Betriebsrat zugestimmt hat. Die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten nach dem Arbeitszeitgesetz müssen dabei eingehalten werden.
Kann mein Arbeitgeber mir ein Nebenjob verbieten?
Grundsätzlich ist eine Nebentätigkeit erlaubt, solange sie nicht in Konkurrenz zum Hauptarbeitgeber steht und die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt. Viele Arbeitsverträge enthalten jedoch Anzeige- oder Genehmigungsvorbehalte für Nebentätigkeiten.
Wie lange kann mein Arbeitgeber mich nach einer Kündigung freistellen?
Eine Freistellung während der Kündigungsfrist ist zulässig, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat (z.B. bei Konkurrenzgefahr oder bei Führungskräften). Der Lohnanspruch bleibt bestehen, Urlaubstage können angerechnet werden.
