Die unsichtbaren Barrieren: Psychologische Aspekte der Wohnraumgestaltung für Senioren und Menschen mit Behinderungen

In der Diskussion über altersgerechtes und barrierefreies Wohnen liegt der Fokus oft auf physischen Anpassungen wie Rampen, breiten Türen und Haltegriffen. Doch neben diesen offensichtlichen baulichen Maßnahmen spielen auch psychologische Aspekte eine entscheidende Rolle. Die Gestaltung eines Wohnraums hat einen starken Einfluss auf das emotionale Wohlbefinden und die Selbstständigkeit von Senioren und Menschen mit Behinderungen. 

Die Bedeutung des psychologischen Wohlbefindens

Psychologisches Wohlbefinden ist ein wichtiger Faktor für Menschen jeden Alters und jeder Fähigkeit. Besonders für Senioren und Menschen mit Behinderungen kann die Umgebung einen großen Einfluss auf ihre Lebensqualität haben. Ungünstige Wohnbedingungen können Stress, Angstzustände oder sogar Depressionen verursachen.

Umgekehrt ist ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit ist essenziell für das psychische Wohlbefinden. Senioren und Menschen mit Behinderungen benötigen eine Umgebung, die ihnen Vertrauen gibt und in der sie sich vor Unfällen oder Bedrohungen geschützt fühlen. Ein gemütliches und komfortables Zuhause fördert das psychische Wohlbefinden, indem es den Bewohnern ermöglicht, sich zu entspannen und Stress abzubauen. Bequeme Möbel, angenehme Beleuchtung und eine ruhige Atmosphäre tragen dazu bei, dass sich Senioren und Menschen mit Behinderungen in ihrer Wohnung wohl fühlen.

Das Zuhause ist ein Ort, an dem Menschen ihre Persönlichkeit ausdrücken und ihre Identität verwirklichen können. Eine individuelle Gestaltung des Wohnraums, die den persönlichen Vorlieben und Bedürfnissen entspricht, stärkt das Selbstwertgefühl und das psychische Wohlbefinden. Indem Wohnungen und Häuser entsprechend gestaltet werden, können sie dazu beitragen, dass sich die Bewohner in ihrer Umgebung sicher, selbstbestimmt und glücklich fühlen.

Sicherheit und Vertrautheit schaffen

Eine der unsichtbaren Barrieren, die es zu überwinden gilt, ist das Gefühl der Unsicherheit. Senioren und Menschen mit Behinderungen haben möglicherweise Angst vor Stürzen oder Schwierigkeiten beim Navigieren in ihrem eigenen Zuhause. Durch eine Wohnraumgestaltung, die Sicherheit und Vertrautheit vermittelt, können solche Ängste reduziert werden.

Stürze sind eine der häufigsten Unfallursachen für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen. Um Stürze zu vermeiden, sollten Wohnräume frei von Hindernissen sein und über rutschfeste Böden verfügen. Gut befestigte Teppiche, Handläufe entlang von Treppen und Haltegriffe in Badezimmern sind ebenfalls wichtige Sicherheitsvorkehrungen.

Eine ausreichende Beleuchtung ist entscheidend, um Stolperfallen zu vermeiden und die Sichtbarkeit im Wohnraum zu verbessern. Helle, blendfreie Lichtquellen sollten an strategischen Stellen wie Fluren, Treppen und Eingängen platziert werden. Bewegungsmelder und automatische Nachtlichter können zusätzlich zur Sicherheit beitragen.

Vertrautheit und Routine können ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Die Wohnraumgestaltung sollte daher den individuellen Bedürfnissen und Gewohnheiten der Bewohner entsprechen. Das bedeutet zum Beispiel die Beibehaltung vertrauter Möbelarrangements oder die Integration von persönlichen Gegenständen und Erinnerungsstücken.

Mann im Rollstuhl vor Regal
Mann im Rollstuhl / Bild: Adobe Stock © unai

Förderung von Autonomie und Selbstständigkeit

Ein weiterer wichtiger psychologischer Aspekt ist das Bedürfnis nach Autonomie und Selbstständigkeit. Niemand möchte das Gefühl haben, aufgrund physischer Einschränkungen seine Unabhängigkeit zu verlieren. Eine altersgerechte und barrierefreie Wohnraumgestaltung sollte daher die Möglichkeit zur Selbstbestimmung unterstützen.

Barrierefreiheit

Eine grundlegende Voraussetzung für Autonomie ist die barrierefreie Zugänglichkeit des Wohnraums. Das bedeutet, dass alle Bereiche der Wohnung ohne Hindernisse zugänglich sein sollten, einschließlich breiter Türen, niedriger Schwellen und ausreichend Platz für Rollstühle oder Gehhilfen.

Treppenlifts können ebenfalls eine Überlegung wert sein. Je nach Anforderung der Bewohner gibt es verschiedene Faktoren, die für oder gegen bestimmte Modelle sprechen. Es gibt klassische Sitzlifte, Stehlifte, Plattformlifte oder spezielle Rollstuhlhebebühnen für innen und außen. Doch nicht nur das Anwendungsgebiet ist entscheidend, auch die Treppenform hat einen Einfluss darauf, welcher Lift geeignet ist.

Die Möbel und Einrichtungsgegenstände sollten ergonomisch gestaltet sein, um den Komfort und die Funktionalität zu verbessern. Höhenverstellbare Küchenarbeitsplatten, leicht erreichbare Schränke und Griffe sowie gut platzierte Lichtschalter und Steckdosen sind Beispiele für ergonomische Lösungen, die die Selbstständigkeit unterstützen.

Badezimmer, die barrierefrei gestaltet sind und sich einfach anpassen lassen, bieten Senioren und Menschen mit Behinderungen eine höhere Unabhängigkeit und Sicherheit bei der täglichen Körperpflege. Dazu gehören beispielsweise bodengleiche Duschen, höhenverstellbare Waschbecken und Haltegriffe, die je nach Bedarf installiert oder entfernt werden können.

Assistenzsysteme

Moderne Assistenztechnologien können Senioren und Menschen mit Behinderungen dabei unterstützen, alltägliche Aufgaben eigenständig zu bewältigen. Dazu gehören unter anderem:

  • Intelligente Haussteuerungssysteme: Smart-Home-Technologien ermöglichen es den Bewohnern, verschiedene Geräte und Funktionen in ihrem Zuhause über eine zentrale Steuerung zu automatisieren und zu kontrollieren. Beispielsweise können Lichter, Thermostate, Jalousien und Sicherheitssysteme über Sprachbefehle, Smartphone-Apps oder programmierbare Zeitpläne gesteuert werden, was den Komfort und die Zugänglichkeit erhöht.
  • Sturzerkennung und Notfallalarme: Spezielle Sensoren und Überwachungssysteme können dazu beitragen, Stürze zu erkennen und im Notfall automatisch einen Alarm auszulösen. Diese Systeme können entweder am Körper getragen werden oder in der Wohnumgebung installiert sein und helfen, schnelle Hilfe herbeizurufen, wenn sie benötigt wird.
  • Medikamentenmanagement: Elektronische Pillendispenser und Medikamentenmanagement-Systeme erinnern die Bewohner daran, ihre Medikamente rechtzeitig einzunehmen und helfen dabei, die Dosierung und den Zeitplan zu überwachen. Diese Technologien können dazu beitragen, die Medikamenteneinnahme zu optimieren und das Risiko von Medikationsfehlern zu reduzieren.
  • Telemedizin und Fernüberwachung: Durch den Einsatz von Telemedizin und Fernüberwachungssystemen können Senioren und Menschen mit Behinderungen medizinische Betreuung und Unterstützung aus der Ferne erhalten. Dies ermöglicht es ihnen, Gesundheitsprobleme frühzeitig zu erkennen, medizinische Beratung einzuholen und ihre Gesundheit zu überwachen, ohne ihr Zuhause verlassen zu müssen.
  • Kommunikationshilfen: Sprachgesteuerte Assistenzgeräte und Kommunikationshilfen können Menschen mit Sprach- oder Kommunikationsstörungen dabei unterstützen, sich besser zu verständigen und mit anderen zu interagieren. Diese Technologien können sowohl für persönliche Kommunikation als auch für die Steuerung anderer Assistenzsysteme eingesetzt werden.

Durch die Integration dieser Assistenztechnologien in die Wohnraumgestaltung können Senioren und Menschen mit Behinderungen dabei unterstützt werden, ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben in ihrem Zuhause zu führen.

Anpassbare Wohnräume

Die Möglichkeit, den Wohnraum nach den individuellen Bedürfnissen anzupassen, ist entscheidend für die Autonomie und Selbstständigkeit der Bewohner. Möbelstücke, die sich einfach anpassen und umgestalten lassen, bieten eine hohe Flexibilität und Funktionalität. Modulare Sofas, Tische und Schränke können je nach Bedarf umgebaut und umgestaltet werden, um den Raum optimal zu nutzen und den individuellen Anforderungen der Bewohner gerecht zu werden.

Offene Grundrisse und flexible Raumkonzepte ermöglichen es den Bewohnern, den Wohnraum nach Bedarf zu nutzen und anzupassen. Durch bewegliche Trennwände, Schiebetüren oder Faltwände können Räume bei Bedarf vergrößert oder verkleinert werden, um den aktuellen Anforderungen und Lebenssituationen der Bewohner gerecht zu werden.

Älterer Mann sitzt im Sessel und liest ein Buch
Älterer Mann sitzt im Sessel und liest ein Buch / Bild: Adobe Stock © Stockphotodirectors

Ästhetik und Wohlbefinden

Neben funktionalen Aspekten spielt auch die ästhetische Gestaltung eine wichtige Rolle. Ein ansprechendes und wohnliches Umfeld kann das psychische Wohlbefinden erheblich steigern. Die Auswahl von Farben hat einen großen Einfluss auf die Stimmung und das Wohlbefinden. Warme, beruhigende Farbtöne wie Erdtöne, Pastellfarben oder sanfte Blautöne können eine entspannende Atmosphäre schaffen und das Gefühl von Geborgenheit und Harmonie verstärken.

Die Verwendung von natürlichen Materialien wie Holz, Stein, Leinen oder Baumwolle verleiht einem Raum eine organische und einladende Atmosphäre. Natürliche Materialien strahlen Wärme und Behaglichkeit aus. Natürliches Tageslicht sollte optimal genutzt werden, indem Fenster frei von Hindernissen gehalten werden und leichte Vorhänge oder Jalousien verwendet werden, um das Licht zu regulieren. Zusätzlich sollten verschiedene Lichtquellen wie Deckenleuchten, Stehleuchten und Tischlampen verwendet werden, um eine angenehme und unaufdringliche Beleuchtung zu schaffen.

Die Integration persönlicher Gegenstände und Erinnerungsstücke in die Wohnraumgestaltung kann das Wohlbefinden der Bewohner erheblich steigern. Fotografien, Kunstwerke, Souvenirs oder Familienstücke schaffen eine persönliche Note und verleihen dem Raum eine individuelle und einzigartige Atmosphäre, die ein Gefühl von Zugehörigkeit und Geborgenheit vermittelt.

 Fazit

Die unsichtbaren Barrieren in der Wohnraumgestaltung für Senioren und Menschen mit Behinderungen sind genauso wichtig wie die physischen Hindernisse. Die Frage, ob barrierefreie Umbaumaßnahmen erlaubt sind oder nicht, führte in der Vergangenheit übrigens bereits bis vor Gericht.

Indem Vermieter sich bewusst mit den psychologischen Aspekten auseinandersetzen und die Wohnräume entsprechend gestalten, können sie ein Umfeld schaffen, das Sicherheit, Autonomie und Wohlbefinden fördert. Letztendlich geht es darum, Menschen dabei zu unterstützen, ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben in ihrem Zuhause führen zu können.


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