Friedrich Merz wird Kanzlerkandidat der Union – für Politik-Deutschland ist diese Entscheidung keine gute.
Ein Kommentar von Maurice Guss
Ein kurzer Überblick über einige Errungenschaften des Friedrich Merz – wohlgemerkt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- Vergewaltigung in der Ehe? Laut Merz nicht wirklich strafbar. Seine Stimme gegen die Einführung eines entsprechenden Straftatbestands 1997 fällt ihm bis heute in aller Regelmäßigkeit auf die Füße – zurecht!
- Abtreibungsrecht? Bloß nicht liberalisieren! Auch hier hat Merz konsequent gegen seine eigene Fraktion gestimmt.
- Kündigungsschutz? Weg damit! Schließlich wollen wir ja flexibel bleiben – vor allem beim Entlassen.
- Rente mit 70? Warum nicht? Man könnte bei den letzten Punkten glatt meinen, dass Merz mal Aufsichtsratsvorsitzender und/oder Lobbyist für, hmm vielleicht, einen Vermögensverwalter war (upsi).
- Nebeneinkünfte von Abgeordneten? Lieber schön im Dunkeln lassen, Transparenz wird überbewertet!
- Privatjet und Millionen auf dem Konto? Klar, das gehört für ihn zur „gehobenen Mittelschicht“ – ein wahrer Mann des Volkes.
- Homosexualität? Könnte laut Merz die Ehe “aushöhlen” und stand für ihn 2020 sogar in fragwürdigem Zusammenhang mit Kindesmissbrauch.
(PS: Zu den Themen Klima, Umwelt und Nachhaltigkeit äußert sich Merz nach Möglichkeit nicht, daher sucht man auch in dieser Liste vergeblich danach.)
Trotz alle dem räumte am Dienstag CSU-Chef Markus Söder seinen Platz für Friedrich Merz. Markus Söder ist übrigens der Typ, der 1997 ebenfalls Vergewaltigungen in der Ehe nicht so schlimm fand. Wenn diese Einigkeit mal keine Grundlage für eine gute Zusammenarbeit in der Chefetage bis zur nächsten Bundestagswahl ist!
Verweile (nicht) in der Vergangenheit
Nun liegt vieles aus der obigen Übersicht in der Vergangenheit, doch solch zurückgebliebene Äußerungen wirken bis heute nach. Das gibt zu denken – gerade wenn man sich anschaut, wie schnell es Merz gelingt, seine eigenen Aussagen von gestern mit neuen Aussagen von morgen zu übertreffen. Populisten eben! Ob er seine Worte auch zu Inhalten machen kann, hat Merz zudem noch nie zeigen können – hatte er doch abseits seines Postens als Parteichef der Union noch kein bedeutendes politisches Amt inne.
Das Dilemma der Koalitionsmöglichkeiten
Wenn sich dies ausgerechnet als Kanzler der Union erstmals ändern sollte, steht Merz vor einem selbst verschuldeten Dilemma: Mit wem will er eigentlich regieren? Die Grünen hat er immer wieder attackiert und als Koalitionspartner ausgeschlossen. Wenn er nur etwas Rückgrat besitzt (was er nicht tut), dann hält er an dieser Aussage fest. Bei den aktuellen Umfragewerten bliebe die AfD in der Regierung fast unausweichlich – sie ist nur keine Option, zu seiner eigenen Aussage dazu dürfte Merz ausnahmsweise mal bis aufs Weitere stehen. Es bleibt fraglich, wie die Union unter seiner Führung überhaupt regierungsfähig wäre.
Alternativen ausradiert
(Mindestens) eine Alternative hätten CDU und CSU übrigens gehabt – und nein, die Rede ist nicht von Markus „ich liebe Döner und erzähle das täglich auf TikTok“ Söder, sondern – Daniel Günther mal (Achtung politisches Wortspiel) links liegen gelassen – Hendrik Wüst. Der NRW-Ministerpräsident, nicht nur ein solches Amt hat dieser Merz voraus, liefert seit Jahren zufriedenstellende Arbeit und gilt als verhältnismäßig beliebt. Noch dazu steht er nicht nur wegen seines Alters für eine neue, frische, moderate CDU.
Wüst zog sich mangels Unterstützung in seiner Partei aus dem Kanzlerkampf zurück, die Union überließ das Feld allein Merz und Söder. Die beiden alten Hasen radierten Wüst nur einen Tag nach dessen Rückzug quasi vollständig aus der Chefetage der CDU aus. Wüste Beschimpfungen und Hetze inklusive – peinlich-populistisch, aber leider ins Gesamtbild passend!
Populismus go
Übrig bleibt schlussendlich – zumindest solange Söder nicht doch noch wie im letzten Laschet-Kanzlerkampf eine Leberkäs-Semmel sauer aufstößt – nur Friedrich Merz, der als Kanzlerkandidat angesichts seiner zahlreichen Ausfälle allgemein (und insbesondere für Frauen) eigentlich unwählbar ist. Und der als Kanzler für viele wohl ein valider Grund wäre, das Weite zu suchen. Statt echter Reformen droht eine Merz-Kanzlerschaft, die sich in Populismus und der Vergangenheit verliert – man denke an der Stelle auch an seine berüchtigte Forderung nach einer Steuererklärung auf einem Bierdeckel.
Das Original für eine solche Politik sitzt in den USA: Donald Trump. Es bleibt zu hoffen, dass die Wähler sich für eine Zukunft entscheiden, die nicht von rückwärtsgewandten Populisten geprägt ist.
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