Thomas Klein (Bündnis 90/Die Grünen, Mitte) stellte sich den Fragen von Petra Tiesmeyer, Nicole Verlage, Franz Loth und Friedemann Pannen (von links). Foto: Caritas/Knillmann
In der Pandemie haben sie Applaus bekommen und die offizielle Bestätigung, dass sie systemrelevant sind: circa 1,8 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland in der Pflege. Doch in der Branche gibt es viele Missstände. Wie geht es besser? Der DGB, ver.di, die Caritas und die Diakonie haben darüber mit den Bundestagskandidaten des Wahlkreises Osnabrück-Stadt gesprochen.
Trotz der hohen Wertschätzung besteht Einigkeit, dass die Rahmenbedingungen für Pflegekräfte besser werden müssen, wenn der Beruf attraktiv sein soll. Diese Diagnose und die Diskussion um Tarifverträge in der Altenpflege waren Grund genug für den DGB, ver.di, die Caritas und die Diakonie, die drei Bundestagskandidaten des Wahlkreises Osnabrück Stadt zum Gespräch einzuladen.
Dumpinglöhne beenden
Die Geschäftsführerin der DGB-Region Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim, Petra Tiesmeyer, ver.di-Gewerkschaftssekretärin Nicole Verlage, Diakonie-Geschäftsführer Friedemann Pannen, Caritasdirektor Franz Loth und der ehrenamtlich engagierte Siegfried Reinelt führten drei intensive Gespräche mit den Kandidaten, die nicht nur von ihren Vorstellungen berichteten, sondern auch viele Fragen stellten. Im Zentrum standen die Fragen, wie sich die Situation der Pflegenden verbessern lasse und wie eine gesicherte Finanzierung aussehen könne. Während Manuel Gava (SPD) und Thomas Klein (Bündnis 90/Die Grünen) eine Umstellung des Versicherungssystems auf eine Bürgerversicherung favorisieren und zudem mehr Steuermittel einsetzen möchten, betonte Dr. Mathias Middelberg (CDU), dass nicht alles aus Steuermitteln finanziert werden könne. Einig waren sich die drei Politiker, dass es klare tarifvertragliche Regelungen für alle Anbieter braucht, damit Dumpinglöhne ein Ende haben.
Frage nach der Trägerschaft
Damit war die Frage nach der Trägerschaft von Pflegeeinrichtungen im Raum: kommunal, freigemeinnützig oder privat? Manuel Gava unterstreicht, dass Einrichtungen möglichst in staatlicher und kommunaler Trägerschaft sein sollten. Gleichwohl wolle er private Anbieter nicht verteufeln. Thomas Klein betont: „Pflege darf kein Mittel zur Gewinnmaximierung sein!“ Dr. Mathias Middelberg sieht die Trägervielfalt in der Pflege als Ausdruck einer pluralen Gesellschaft. Franz Loth und Friedemann Pannen hoben die wichtige Rolle der Wohlfahrtsverbände hervor: „Sowohl Caritas als auch Diakonie zahlen überdurchschnittliche Löhne. Zudem geht jeder Euro, der als Überschuss erwirtschaftet wird, wieder zurück in die Einrichtung und nicht auf das Konto von Aktionären oder Managern.“
Flüchtlinge in der Pflege?
Wie ist der Personalmangel zu beheben? Middelberg sieht in den etwa fünf Millionen Menschen, die seit 2015 als Flüchtlinge oder Migranten nach Deutschland gekommen sind, ein großes Potential: „Wir müssen Wege finden, Menschen mit Migrationshintergrund für die Pflege zu gewinnen.“ Gava setzt den Akzent auf bessere Rahmenbedingungen: „Wir müssen selber ausbilden und bessere Rahmenbedingungen schaffen, damit junge Leute diesen Beruf wählen.“ Bei der Einwanderung von Fachkräften müsse immer im Blick behalten werden, dass dies eventuell Schwierigkeiten in anderen Ländern schaffe. Thomas Klein lenkt den Blick auch auf das Schulgeld: „Es ist ein Skandal, dass Assistenzkräfte für ihre Ausbildung auch noch Schulgeld zahlen müssen!“
Was ist Pflege wert?
Einig waren sich die drei Politiker darin, dass die Verbesserung der Pflege eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. „Wir müssen uns fragen, was uns die Pflege wert ist“, betonte Thomas Klein; Mathias Middelberg unterstrich: „Es geht nicht allein um mehr Geld aus der Politik. Es geht darum, wie unsere Gesellschaft insgesamt diese mitmenschliche Arbeit honoriert.“ Manuel Gava hob hervor, dass der Gesundheitsbereich dem Gemeinwohl diene: „Der Markt regelt da überhaupt nichts“.
Gemeinsames Ziel der besseren Pflege
Am Ende eines jedes der drei Gespräche stand die Gewissheit, dass der Austausch wichtig war. Nicole Verlage, Petra Tiesmeyer, Friedemann Pannen und Franz Loth unterstrichen:„Wir wollten hier vor Ort ein kleines Zeichen setzen. Mit der etwas überraschenden Kombination Gewerkschaften und kirchliche Wohlfahrtsverbände haben wir ein Signal gegeben: Es geht um das gemeinsame Ziel, die Situation der Pflege zu verbessern. Das ist bei den Politikern angekommen.“ Die Impulse, die Caritas, Diakonie, ver.di und DGB gegeben hatten, führten zu intensiven Diskussionen und etlichen Fragen der drei Kandidaten – und damit hoffentlich zu weiteren Verbesserungen für die Pflegekräfte in der kommenden Legislaturperiode.