Universität Osnabrück (Symbolbild)
Anderthalb Jahre waren die Türen der Universitäten in ganz Deutschland geschlossen. Studiert wurde stattdessen über den Computerbildschirm von zuhause aus. Im Oktober soll jedoch der Präsenzunterricht wieder beginnen. Für viele Studierende eine große Freude, doch für einige auch eine Herausforderung. Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) nimmt Stellung zu dem Thema.
“Uns ist vor allem die Planungssicherheit über die unmittelbare “Sichtweite” hinaus besonders wichtig. Jede Studentin und jeder Student soll die Sicherheit haben, trotz eventueller Quarantäne gut studieren zu können. Um dies zu gewährleisten, muss die Universitätsleitung Backup-Pläne ausarbeiten, die einen nahtlosen Übergang bei einem erneuten Lockdown ermöglichen”, so der AStA. Eine grundsätzliche Durchführung aller Veranstaltungen in hybrider Form, bei der die Studierenden die Art ihrer Teilnahme frei wählen können, wäre das richtige Rüstzeug für den Fall der Fälle aber auch eine sichere Alternative für diejenigen, die sich trotz Impfung bzw. 3G nicht sicher in der Uni fühlen, wenn Räume, die nicht selten vor Corona schon als eng und stickig empfunden wurden, bis zu 100% belegt sind.
Kurzfristigkeit in der Planung
Eines der größten Probleme stelle die Unklarheit über die Art der Durchführung einzelner Veranstaltungen dar. Die Uni-Leitung äußert sich diesbezüglich: “Digitale Lehrveranstaltungen dürfen weiterhin angeboten werden und Präsenzveranstaltungen müssen nicht zwingend digitale Zusatzformate enthalten.” In den meisten Fällen ist derzeit weder über die Beschreibungen in StudIP noch über die Internetseiten der einzelnen Fachbereiche oder Institute ersichtlich, worauf die Studierenden sich genau einstellen müssen. Die schlechte Prognostizierbarkeit einer Pandemie ist dem AStA dabei durchaus bewusst und die meisten von ihnen mussten in den letzten 1,5 Jahren lernen flexibel zu sein und oder sich schlicht in Geduld zu üben. Die Verantwortung den Dozierenden zu überlassen und konkrete Entscheidungen zum Format und Ablauf einzelner Veranstaltungen unter diesen Bedingungen voraussichtlich erst ab Ende September zu kommunizieren, scheint keine angemessene Lösung zu sein: De facto wissen die Studierenden frühestens drei Wochen vor Semesterbeginn, ob ihre physische Anwesenheit überhaupt erwartet wird oder nicht.
3G als Patentlösung?
Die Sicherheit der Studierenden soll über die 3G-Regel gewährleistet werden. Konkret bedeutet das, dass die Personen, welche die Unigebäude und Veranstaltungsräume betreten, geimpft, genesen oder getestet sein müssen. Bei einem Restaurantbesuch beispielweise kann an dem einen Eingang das sowieso vorhandene Personal diese Einlasskriterien überprüfen – und schon hier lässt sich häufig beobachten, dass dies eher schlecht als recht umgesetzt wird. „Bei der Überprüfung der 3G-Regel setzt die Universität soweit wie möglich auf Vertrauen in die Studierenden. Überprüfungen der Einhaltung der 3G-Regel werden aber auch stichprobenartig, z.B. an den Eingängen zu Lehrveranstaltungen erfolgen. Lehrende sind berechtigt, den 3G-Status abzufragen; insbesondere, wenn die Raumverhältnisse als beengt wahrgenommen werden”, erläutert die Universitätsleitung. Der AStA ist diesbezüglich der Meinung, dass eine Durchführung etwaiger Stichproben vor Beginn einer Lehrveranstaltung dazu führen würde, dass wertvolle Zeit des Unterricht verloren geht. “Natürlich möchten wir nicht für mehr externes Wachpersonal auf den Fluren und in den Veranstaltungsräumen plädieren, die diese Aufgabe übernehmen. Aber es bleibt die Frage: Reicht dieses Vertrauen untereinander, insbesondere wenn Studierende in Ermangelung eines generellen Hybrid-Angebotes gezwungen sind, vor Ort zu sein und tägliche Tests für Ungeimpfte in absehbarer Zeit sehr teuer werden?”, bemerkt der AStA.
Begrenzung der Teilnehmenden
Die Universitätsleitung hat angekündigt, Veranstaltungen ab 200 Teilnehmenden verpflichtend als Digitalveranstaltungen anzubieten. “Wir können nicht nachvollziehen wie diese Begrenzung zustande gekommen ist und auf welcher Grundlage diese Entscheidung beruht. Wir halten die Anzahl von 200 Personen in einem Vorlesungraum für deutlich zu viel, wenn aufgrund der 3-G Regelung der Mindestabstand mit Maske unterschritten werden kann. So viele Personen in einem Raum sind ein unnötig großes Infektionsrisiko, vor allem weil sich das Format Vorlesung ideal für digitale Durchführung eignet”, erläutert der AStA. Praktische oder diskursive Anteile wie in Seminaren, Tutorien oder Laborübungen, die besser in Präsenz funktionieren, seien in Vorlesungen nicht vorgesehen. Ein weiterer Vorteil von digitaler Durchführung von Vorlesungen (auch <200) wären die gesparten Raumkapazitäten, die dann anderweitig für die sicherere Durchführung von Seminaren genutzt werden könnten. Sinnvoll wären wenige große Veranstaltungen digital, auch um mehr Raum für viele kleine Veranstaltungen in Präsenz zu haben.
Wohnraum
Die so kurzfristig angekündigte Wiederaufnahme von Präsenzveranstaltungen stellt die Studierenden zum Teil auch vor ein räumliches Problem. Einige sind seit Beginn der Pandemie umgezogen, zurück in ihre Heimat, zu ihren Eltern oder anderen Bezugspersonen. Gründe dafür sind unter anderem fehlende soziale Kontakte in Osnabrück, bedingt durch Schließung der Uni, fehlende Sport- und Freizeitangebote und generelle Kontaktbeschränkungen.
Da sich die Pandemie nun schon über mehr als drei Semester zieht, ist es auch dazu gekommen, dass Studierende erst garnicht nach Osnabrück gezogen sind, um sich nicht in eine derart belastende Situation zu bringen. Bedingt durch die digitale Lehre, war diese Entscheidung möglich. Nun müssen sich Teile von bis zu drei Semestern von extern Studierenden und zusätzlich auch noch ein neuer Jahrgang Erstsemestler um den knappen Wohnraum bemühen, sei es in Wohngemeinschaften, Studierendenwohnheimen oder eigenen Wohnungen. “Osnabrück ist zwar nicht Berlin, Hamburg oder München, aber wer hier schon die Erfahrung gemacht hat, eine passende Wohnung finden zu müssen, weiß, dass es auch in Osnabrück alles andere als ein üppiges und vor allem bezahlbares Wohnraumangebot gibt”, merkt der AStA an. Um diesem Dilemma vorzubeugen oder wenigstens entgegen zu kommen, hätte das Präsidium seine Entscheidung für Präsenzlehre deutlich eher treffen und angemessen kommunizieren müssen.
Mangel an Kommunikation
Ernsthafte Problematiken beziehungsweise tiefgreifende Änderungen für die Studierenden würden einfach systematisch, gegenüber der Euphorie über die Rückkehr zur Teilnormalität, vernachlässigt. Es wurde bisher noch kein Konzept eingereicht, welches sich systematisch mit dem Fall der Quarantäne von Studierenden beschäftigt. Stets wird bisher das berühmte Mantra der “Einzelfalllösung” bedient, anstatt für Verbindlichkeit und Einheitlichkeit zu sorgen.
Außerdem wurde in einem Meeting zwischen AStA und Vizepräsidentin für Studium und Lehre mitgeteilt, dass die Veranstaltungszeiten von montags bis einschließlich samstags ausgeweitet werden können, um den Erfordernissen an die Kapazitäten, unter den aktuellen Vorstellungen gerecht zu werden. “Es wird stillschweigend wichtige Zeit der Studierenden für verdiente Erholung oder notwendige Lohnarbeit angegriffen”, kritisiert der AStA.