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Stadtrat fordert bundesweites Böller-Verkaufsverbot: Kein Feuerwerk mehr in Osnabrück?

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Am Dienstag (18. März) hatte der Osnabrücker Stadtrat mit einer breiten Mehrheit von Grünen/Volt, SPD, FDP/UWG und Linke/Kalla Wefel unter dem Motto „Einsatz- und Rettungskräften, Umwelt und Tieren zuliebe – für ein Silvester mit weniger Böllern“ einen Antrag beschlossen, der vorsieht, dass die Stadt böllerfreie Zonen, insbesondere in der Innenstadt, schafft und zu Silvester 2025 eine zentrale böllerfreie Veranstaltung organisiert. Es ergeht aber auch ein klarer Appell an den neuen Bundestag, noch bis Ende 2025 ein ganzjähriges bundesweites Böllerverkaufsverbot auf den Weg zu bringen, durch welches sich die Verbotszonen erübrigen könnten.

Reaktion auf Forderungen nach Pyrotechnikverbot

Den Anstoß für die diesjährige Diskussion über die Einschränkung von Feuerwerk und Böllerei zu Silvester in Osnabrück gaben fünf Todesfälle und vielfache enorme Sachschäden in der Silvesternacht 2024/25, was die die Gewerkschaft der Polizei Anfang Januar dazu veranlasst hat, eine Petition für ein bundesweites Böllerverbot an das Bundesinnenministerium zu überreichen. „Wenn fast zwei Millionen Menschen für eine Gesetzesveränderung unterschreiben, kann auch verantwortliche Politik das nicht mehr einfach wegatmen und zur Tagesordnung übergehen“, betont Jens Meier, Fraktionsvorsitzender der Osnabrücker Grünen, in Hinblick auf die Forderungen nach einem bundesweiten Pyrotechnikverbot. Laut einer INSA-Umfrage spricht sich aktuell die Hälfte der Deutschen für ein solches aus.

Zahlreiche Verletzungen durch Böller

Zur Verdeutlichung des Problem bilanziert Meier die Gefahren durch Böller, wie sie zum letzten Jahreswechsel wieder bearbeitet worden seien: „Wieder haben sich zahlreiche Menschen durch unsachgemäße Handhabung von Feuerwerkskörpern verletzt und verstümmelt. Und leider gab es mit illegalem Feuerwerk oder selbst gebastelten Dingern auch Todesfälle. Wieder waren die Notaufnahmen der Krankenhäuser voll, haben Tiere panisch auf die Knallerei reagiert, wurden in den Straßen riesige Müllberge hinterlassen und die Feinstaubwerte haben erneut Höchstwerte erreicht.“ Auch Heiko Panzer von der SPD verweist auf die Daten des Berufsgenossenschaftlichen Institutes für Arbeitsschutz und der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, die von jährlich tausenden Verletzten durch Pyrotechnik sprechen. „Es kommt immer wieder zu schweren Verletzungen, die Verbrennungen, Augenverletzungen und sogar Amputationen durch unkontrollierte Explosionen von Böllern verursacht werden.“ Susanne Hambürger dos Reis, Fraktionsvorsitzende der SPD, berichtet über ihre Erfahrungen als Krankenpflegerin im Silvesterdienst, wo die Vorfälle in der Notaufnahme nicht an ihr vorbeigingen, mit denen ihre Kollegen konfrontiert wurden.

Lärm als Stressfaktor für Mensch und Tier

Neben den Gefahren für Leib und Leben weist Hambürger dos Reis aber auch auf die Lärmbelästigung hin, die bestimmte Gruppen besonders hart treffen würden: „Für die unter uns, die aus Kriegs- und Krisenregionen zu uns gekommen sind, sind diese Situationen sehr schwer. Und auch für die ältere Generation, die den Krieg noch hautnah miterlebt hat, stellen knallende Feuerwerkskörper ein Déjà-vu sondergleichen dar. Die lauten Geräusche von Böllern und Feuerwerkskörpern versetzen aber auch unsere Tiere in Angst und Stress.“ Dr. Diana Häs von den Grünen erklärt, dass Tiere im Gegensatz zu Menschen die Ursache des lauten Feuerwerksgeknalles häufig nicht verstehen würden: „Hunde haben schreckliche Angst und können das überhaupt nicht einschätzen, was an dem Tag passiert. Katzen ebenso und Rehe und Eichhörnchen und andere Wildtiere. Tiere, die fliehen, wenn sie fliehen können, was ja in Zoos oder im Tierheim gar nicht der Fall ist. Die können nicht fliehen. Die haben schreckliche Angst mit diesen grellen Raketen und Lichtblitzen.“ Mit Verweis auf NABU und den Deutschen Tierschutzbund warnt sie sogar davor, dass das Geknalle Tiere wie Fledermäuse aus dem Winterschlaf reißen könne, die dann an Erschöpfung sterben würden. Vögel würden zudem vor Schreck und Verwirrung häufiger gegen Fensterscheiben prallen. In Konsequenz solle man vor allem im Umfeld von Zoo, Tierheimen, Bauernhöfen und Grünflächen wie Parkanlagen solche Böllerverbotszonen errichten.

Böllerei in Gassen gefährdet Einsatzkräfte

„Letzten Endes sind es die Vorfälle in der letzten Silvesternacht rund um die Johannisstraße, die wiederholt gezeigt haben, dass in engen Häuserschluchten das Abbrennen von Feuerwerk für alle Beteiligten zur Gefahr werden kann, nämlich dann, wenn man damit nicht sachgemäß umgeht. Werden dann Polizei und Rettungsdienste bei ihrem Einsatz attackiert, was auch wiederholt passiert ist, muss gehandelt werden,“ erläutert der ordnungspolitische Sprecher der FDP Oliver Hasskamp die besondere Gefährdungssituation in den engen Gassen der Innenstadt. Nicht nur Einsatzkräfte, sondern auch Feiernde, aber auch Tiere würden durch rücksichtslosen Pyrotechnikeinsatz gestört und gefährdet werden. Er betont allerdings, dass die FDP/UWG-Fraktion kein generelles Böllerverbot unterstützen würde, spricht sich aber für eine zentrale Lasershow als Alternative für Pyrotechnik aus, weil diese zusätzlich als Tourismusmagnet wirken könnte.

Enthaltung der CDU-Fraktion

Einzig die CDU-Fraktion und der AfD-Abgeordnete Alexander Garder enthielten sich der Abstimmung. Marius Keite, Fraktionsvorsitzender der CDU, kritisiert, dass der Antrag von schweren Verletzungen, Sachschäden und gar Todesfällen spreche, diese aber primär durch sowieso schon illegale Sprengsätze wie Kugelbomben verursacht werden würden. Diese Vorfälle mit Böllerverbotszonen in Bezug zu setzen, nennt Keite „etwas schräg und handwerklich nicht so ganz richtig.“ Keite wirft die Frage auf, „inwieweit Lärm- und Umweltschutz und auch Unfälle bei der unsachgemäßen Verwendung von Feuerwerk im Verhältnis zu bestehenden Traditionen und den vielen Menschen, die sich an Silvester auch verantwortungsvoll mit Feuerwerk verhalten, in Einklang zu bringen sind.“ Er verweist zudem auch auf die Kosten für den schon überstrapazierten Stadthaushalt und die zusätzliche Belastung der Einsatzkräfte zu Silvester, die solche Verbotszonen mit sich bringen würden. Vor der Änderung des Entwurfes hätte die CDU dem nicht zugestimmt, nun werde man sich lediglich enthalten. Auch wolle die CDU-Fraktion nicht die Forderung nach einem generellen Feuerwerksverbot für Private mittragen. Susanne Hambürger dos Reis bezeichnet die Enthaltung der CDU als schade, weil man ihr mit dem Kompromiss schon deutlich entgegengekommen sei, während Oberbürgermeisterin Katharina Pötter meint, dass eine Enthaltung immer noch besser als eine Ablehnung sei.

Das sieht der finale Ratsbeschluss vor

Der beschlossene Antrag sieht vor, dass die Stadtverwaltung einen Vorschlag über die Ausweisung böllerfreier Zonen erarbeiten soll. Dabei sollen vor allem die Innenstadt, etwa Neumarkt und Altstadt, und andere zu Silvester von vielen Menschen besuchte Bereiche im Fokus stehen, aber auch um gefährdete Orte wie Altenheime, Tierheime und insbesondere dem Zoo, aber möglicherweise auch um Bauernhöfe. Für Silvester 2025 soll zudem eine zentrale öffentliche Veranstaltung ohne Feuerwerk, etwa mit einer Lasershow, bis zur Jahreshälfte konzipiert werden. Beide Vorschläge sollen den zuständigen Fachausschüssen vorgelegt werden. Zusätzlich wird in einer Ergänzung der neue Bundestag dazu aufgefordert, bis Jahresende 2025 das Sprengstoffgesetz derart zu modifizieren, dass ganzjährig ein bundesweit einheitliches Böllerverkaufsverbot eingeführt wird. Bundestagsabgeordnete aus Osnabrück sollen diese Forderung in die Koalitionsverhandlungen hineintragen. Erst wenn dieses Verkaufsverbot bis Ende 2025 nicht absehbar sein sollte, will die Verwaltung im Auftrag des Rates lokale Verbotszonen prüfen.

Oberbürgermeisterin fordert Böllerverkaufsverbot

Oberbürgermeisterin Katharina Pötter begrüßt den finalen Kompromissvorschlag, insbesondere, weil er das von ihr geforderte Feuerwerksverkaufsverbot als Appell an den 21. Deutschen Bundestag mit aufgenommen wurde. Sie versichert, dass sie auch im Niedersächsischen und im Deutschen Städtetag dafür werben wolle. Zudem werde sie diesbezüglich mit aus Osnabrück kommenden neu gewählten Bundestagsabgeordneten und mit Landtagsabgeordneten – für eine Bundesratsinitiative – Kontakt aufnehmen. „Wenn es darum geht, die Einsatzkräfte zu schützen vor Angriffen, die mit Feuerwerkskörpern einhergehen, und vor zusätzlicher Arbeit, die man vielleicht nicht haben muss, wenn Menschen sich teilweise bewusst selbst in Gefahr bringen und verletzen, wenn wir sie davor schützen wollen, dann ist wirksam nur ein Böllerverkaufsverbot, und zwar ganzjährig und bundeseinheitlich. Ansonsten werden wir diesem Phänomen nicht Herr werden,“ hält Pötter fest. Einerseits könne man nämlich die schon ausgewiesenen Zonen, in denen Pyrotechnik untersagt ist, bereits jetzt nicht flächendeckend kontrollieren, andererseits gebe es weder die personellen, noch die finanziellen Ressourcen in der Stadtverwaltung, um die Kontrollen zu intensivieren. Darum sei letztlich nur eine Änderung des Sprengstoffgesetzes durch den Bund wirksam.

 

  

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