Caritas und Diakonie schlagen Alarm: Ihre ambulanten Suchtberatungsstellen stehen mit dem Rücken zur Wand. Betroffen sind auch die Einrichtungen in Stadt und Landkreis Osnabrück. Grund: Bereits seit Jahren leiden die Angebote unter einer weder auskömmlichen noch stabilen Finanzierung durch das Land. Nun kam vor einigen Monaten die Nachricht aus Hannover, dass die Förderung im kommenden Jahr um 300.000 Euro gekürzt wird.
„Wirksame Suchtberatung gelingt nur mit einer kostendeckenden und verlässlichen Finanzierung“, betonte Conrad Tönsing, Leiter des Geschäftsbereichs Suchtprävention und Rehabilitation beim Caritasverband für die Diözese Osnabrück, im Gespräch mit dem Grünen-Landtagsabgeordneten Volker Bajus. Ulrike Sensse, Geschäftsbereichsleiterin Sucht bei der Diakonie Osnabrück Stadt und Land, fügte hinzu: „Schon jetzt sind die Fachstellen für Suchtberatung unterfinanziert. Eine Kürzung der Mittel macht die Lage noch prekärer und bringt unsere Arbeit existenziell in Gefahr.“
Corona verschärft die Lage
Die beiden Experten von Caritas und Diakonie verdeutlichten den steigenden Bedarf an Suchtberatung anhand der Klientenzahlen: Während im Jahr 2018 in Stadt und Landkreis Osnabrück 4782 Klienten zu verzeichnen waren, erhöhte sich die Anzahl in 2019 auf 4915 Klienten. „Im laufenden Jahr erreichen wir diese Zahl schon im Oktober“, erläuterte Tönsing. „Die Corona-Pandemie verschärft die Lage: Vereinsamung und Verunsicherung lassen etwa den Alkoholkonsum zu Hause ansteigen, wie Studien zeigen“, so Sensse. Insgesamt sucht damit jährlich etwa 1 % der Bevölkerung in der Region Osnabrück eine Suchtberatungsstelle auf.
„Sucht ist kein Randgruppenphänomen. Es macht zur Randgruppe“
„Sucht ist kein Randgruppenphänomen. Es macht zur Randgruppe“, sagte Tönsing. Die Suchtberatungsstellen stehen vor der Herausforderung, auf viele unterschiedliche Problemlagen bei Hilfesuchenden reagieren zu müssen. Neben Alkohol und Drogen etwa auch verstärkt auf Medien- und Internetsucht, Glücksspiel oder Sportwetten. „Um unsere Klienten abzuholen, halten wir passgenaue, ausdifferenzierte Angebote bereit, die refinanziert sein müssen“, betonte Sensse. „Suchtberatungsstellen leisten einen wertvollen Dienst für die Gesellschaft“, hob der Grünen-Landtagsabgeordnete Volker Bajus im Austausch mit den Caritas- und Diakonie-Vertretern hervor. „Es ist zwingend notwendig, dass wir diesen Bereich nachhaltiger, dynamischer und verlässlicher finanzieren, um die Angebote langfristig aufrecht erhalten zu können.“
Bundesweiter Aktionstag
Die Regelförderung des Landes für Suchtberatung in Höhe von 4,64 Mio. Euro stagniert seit 2014. Sie wurde wiederholt allein über die politische Liste aufgestockt, im Jahr 2020 um 300.000 Euro. Diese zusätzliche Förderung fällt im kommenden Jahr nun weg. Caritas und Diakonie machen sich im Verbund mit anderen niedersächsischen Trägern der Suchtberatung für eine Verbesserung der finanziellen Förderung des Landes für die Suchtberatungsstellen um eine Millionen Euro stark. Gefordert wird zudem eine dynamische Finanzierung und dass die Suchtberatung kein freiwilliges kommunales Angebot mehr ist, sondern zur Pflichtleistung wird. Am 4. November ruft die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. zu einem bundesweiten Aktionstag auf, um auf die prekäre finanzielle Lage der Suchtberatung aufmerksam zu machen. Auch Caritas und Diakonie in Niedersachsen beteiligen sich daran.