Die als Gemeinschaftsprojekt von Stadt und Landkreis Osnabrück geplante Medizinische Hochschule in Osnabrück trifft auf breite Zustimmung im Osnabrücker Stadtrat. Gemeinsam einigten sich alle Fraktionen – mit Ausnahme der Linkspartei – darauf, dass mindestens jeder zweite Studienplatz durch Stipendien finanziert werden soll
Für zwei versprengte Gegendemonstranten, mehr konnte die Linkspartei nicht mobilisieren, war aber auch das wohl zu „elitär“.
Es brauche „keine Hochschule für die Kinder reicher Eltern“, hieß es vorab in einer Erklärung der Linken zu ihrer am Ende doch selbst ein wenig elitär wirkenden „Kleinstkundgebung“ mit Lastenfahrrad.
Dabei ging der reflexartig wirkende Protest völlig an allen Erklärungen von Oberbürgermeisterin Katharina Pötter und Landrätin Anna Kebschull vorbei, die seit Bekanntwerden dieses Projekts deutlich erklärt hatten, dass Stipendien ein wesentlicher Bestandteil der medizinischen Hochschule Osnabrück sein werden und es eben keine Elite-Hochschule sein wird.
Schließlich wurde der zuvor gemeinsam mit dem Landkreis entwickelte Beschlussvorschlag in der Ratssitzung am Dienstagabend nicht nur von einer breiten Ratsmehrheit getragen, sondern auch durch einen Änderungsantrag von SPD, Grünen und Volt nochmals zusätzlich um eine Klarstellung hinsichtlich der Förderung von finanziell weniger gut ausgestatteten Studenten ergänzt. Der Beschluss sieht unter anderem vor, dass mindestens 50 % der Studienplätze über Stipendien finanziert werden sollen.
„Es geht um echte Perspektiven“ für Osnabrück und den Landkreis
In einer eindringlichen Rede betonte Oberbürgermeisterin Katharina Pötter, dass das Projekt mehr sei als eine symbolische Initiative: „Es geht um eine echte Perspektive für die medizinische Versorgung in unserer gesamten Region.“ Der Ärztemangel betreffe inzwischen alle Fachrichtungen – nicht nur in ländlichen Gebieten, sondern auch in der Stadt Osnabrück. Gleichzeitig gebe es zahlreiche motivierte junge Menschen, denen ein Medizinstudium verwehrt bleibe – etwa wegen des Numerus clausus.
Katharina Pötter warb für ein Modell, das vorhandene regionale Ressourcen – von Pflege- und Hebammenwissenschaften bis hin zur bestehenden Krankenhausstruktur – effektiv bündele: „Was fehlt, ist die Humanmedizin. Und wenn wir hier nichts tun, wird es nicht gelingen, den medizinischen Nachwuchs zu sichern.“
„Soziale Durchlässigkeit“ soll sichergestellt werden
Der Beschluss umfasst eine zehnjährige Aufbauphase, in der die ICO InnovationsCentrum Osnabrück GmbH zentrale Steuerungsaufgaben übernimmt. Stadt und Landkreis stellen für den Projektstart jeweils 200.000 Euro bereit. Ein zentrales Anliegen vieler Ratsmitglieder: soziale Durchlässigkeit. Der eingebrachte Zusatzantrag verpflichtet zur Entwicklung eines langfristig tragfähigen Stipendienmodells mit einer Quote von mindestens 50 % geförderter Studienplätze.
Robert Alferink (SPD) betonte: „Bildung darf nicht vom Geldbeutel abhängen. Deswegen brauchen wir volle Stipendien – nicht Kredite.“ Zwar sehe man die Notwendigkeit des Projekts, doch nur unter strenger finanzieller und sozialer Kontrolle. Auch Volker Bajus (Grüne) sprach sich für eine soziale Ausgestaltung und staatliche Unterstützung aus, unterstrich aber zugleich die Dringlichkeit: „Wir können nicht länger auf eine Entscheidung aus Hannover warten.“
Praktische Ausbildung als Standortvorteil für Osnabrück
Martin Büker (Grüne), Lehrer an der BBS in Haste, schilderte eindrucksvoll die Hürden, vor denen viele seiner Schüler stehen: „Motiviert, gut ausgebildet – aber keine Chance auf einen Studienplatz.“ Die neue Hochschule könne diese Lücke schließen – und sei durch die vorhandene Infrastruktur ideal aufgestellt.
Auch Dr. Thomas Thiele (FDP), selbst niedergelassener Arzt, warnte vor einem massiven Ärztemangel in den kommenden Jahren: „In fünf Jahren werden wir 30 % weniger Ärztinnen und Ärzte haben. Viele machen ihre Praxen dicht, weil es keine Nachfolge gibt.“ Er würdigte den Einsatz der Oberbürgermeisterin und ihrer Mitstreiterinnen ausdrücklich.
Stipendien als regionaler Bindungsfaktor für die Region
Mehrere Redebeiträge verwiesen auf die strategische Bedeutung von Stipendien zur langfristigen Bindung junger Mediziner an die Region. Dr. E.h. Fritz Brickwedde (CDU) formulierte es deutlich: „Wenn ich Bürgermeister in Fürstenau wäre, würde ich sofort ein oder zwei Stipendien vergeben – mit der Bedingung: Fünf Jahre Rückkehrpflicht.“ Der Erfolg vergleichbarer Modelle – etwa in Brandenburg – diene hier als Vorbild.
Marius Keite, ebenfalls CDU, sprach von einer „Teamleistung“ und hob hervor, dass die veranschlagten Kosten überraschend niedrig seien – gerade im Vergleich zu den dringend benötigten gesellschaftlichen Effekten.
Linkspartei würde lieber Stipendien für andere Hochschulen vergeben
Kritik kam – wie angesichts der vorherigen Positionierung nicht anders zu erwarten – von Dr. Henry Gehrs von der Linkspartei. Gehrs, der eingestehen musste von dem Änderungsantrag der Mehrheitsgruppe überrascht gewesen zu sein, stellte die Frage, ob es nicht sinnvoller sei, Osnabrücker Stipendiaten an bestehende Fakultäten zu schicken, etwa nach Oldenburg oder Bielefeld. Gehrs zweifelte auch daran, dass die angestrebte Durchlässigkeit der Osnabrücker Medizinhochschule durch Stipendien tatsächlich realisierbar sein wird: „Wie viele Stipendien wir am Ende einsammeln, das steht doch alles in den Sternen.“
Oberbürgermeisterin will das Projekt „nicht zerreden“ lassen
Abschließend appellierte Katharina Pötter noch einmal eindringlich an die Ratsmitglieder: „Lassen Sie uns dieses Projekt nicht zerreden – es ist eine große Chance für unsere Stadt und für die ganze Region.“
Letztlich stimmten nur die beiden Ratsmitglieder der Linkspartei gegen den Beschluss – trotzdem der Änderungsantrag inzwischen sehr deutlich die Bedeutung der Stipendien festlegt. Einzelratsmitglied Kalla Wefel enthielt sich gemeinsam mit dem AfD-Ratsmitglied Alexander Garder.