Offener Brief aus Osnabrück an Verteidigungsminister Boris Pistrorius fordert diplomatisches Ende des Ukraine-Kriegs

Seit fast einem Jahr herrscht Krieg in der Ukraine. Verschiedene Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen der Stadt Osnabrück haben nun einen offenen Brief an den Verteidigungsminister und ehemaligen Osnabrücker Oberbürgermeister Boris Pistorius verfasst. In dem Schreiben fordern sie ihn dazu auf, Friedensverhandlungen einzuleiten, um damit den Ukraine-Krieg zu beenden.

In Erinnerung an den Abschluss des Westfälischen Friedens vor 375 Jahren fordern
über 30 Prominente der Osnabrücker Zivilgesellschaft ein Ende des völkerrechtswidrigen grausamen Krieges Russlands in der Ukraine. Verfasser des offenen Briefes sind Heiko Kauffmann, ehemaliger Inlandreferent von terre des hommes, Mitbegründer und ehemaliger Sprecher von PRO ASYL., und Lioba Meyer, ehemalige Bürgermeisterin und Trägerin der Bürgermedaille Osnabrück. Unterstützt werden sie etwa von verschiedenen Trägerinnen und Trägern der Justus Möser-Medaille sowie der Bürgermedaille Osnabrücks oder auch vom ehemaligen Oberbürgermeister und Ehrenbürger Hans-Jürgen Fip sowie Bischof Franz-Josef Bode. Aber auch Gesellschaften wie die Felix Nussbaum-Gesellschaft oder die Osnabrücker Friedensinitiative unterstützen den Brief. Die Verfasser erinnern Pistorius unter anderem an den Westfälischen Frieden.

Hier der offene Brief in voller Länge:

Sehr geehrter Herr Verteidigungsminister, lieber Boris Pistorius,

die Friedensstadt Osnabrück begeht in diesem Jahr den 375. Jahrestag des „Westfälischen Friedens“ 1648, Vorbild und Wegbereiter für eine nachhaltige dauerhafte europäische Friedensordnung. Als engagierte und mit der Friedensstadt Osnabrück eng verbundene Bürgerinnen und Bürger möchten wir Sie in Ihren Bemühungen für eine Beendigung des grausamen Krieges in der Ukraine unterstützen und wenden uns heute mit der eindringlichen Bitte an Sie, sich als ehemaliger Oberbürgermeister dieser Stadt und jetziger Verteidigungsminister dafür einzusetzen, alle diplomatischen Wege und Kanäle für Friedensverhandlungen und eine baldige Beendigung des Krieges zu nutzen.

Sicherheitspolitik muss vor allem darauf ausgerichtet sein, Eskalationsspiralen zu vermeiden und zur Deeskalation beizutragen. Sie muss immer an den Versuch gekoppelt werden, politische und diplomatische Lösungen zu finden. Eine eindimensionale Fokussierung auf Waffen aber führt nur zur Verlängerung des Krieges. Waffen allein haben noch keinen Krieg beendet. Davon zeugt der von den Pacificatores klug ausgehandelte Westfälische Friede von 1648, der einen grausamen Dreißigjährigen Krieg, dem unzählige Menschen zum Opfer fielen und der ganze Landstriche verwüstete, mit Verhandlungen beendete.

Der Westfälische Friede zeigt, dass Friedensverhandlungen und diplomatische Lösungen nur gelingen können, wenn auf militärische Eskalation, auf immer mehr Waffen und Kriegsrhetorik verzichtet und der Friedenswille deutlich erkennbar wird.

Es ist richtig, dass Wladimir Putin deutlich signalisiert wird, dass sein völkerrechtswidriger Angriffskrieg nicht hingenommen wird. Es ist aber zu befürchten, dass eine alleinige Fokussierung auf Waffen eine Eskalationsspirale in Gang setzt, die weiteres Sterben, Millionen Flüchtlinge und totale Zerstörung zur Folge hat und diesen Krieg zum gefährlichsten Umwelt– und Klimazerstörer und zum Armuts– und Hungertreiber weltweit werden lässt. Über 200.000 Gefallene auf beiden Seiten, über 50.000 zivile Opfer, Millionen von Flüchtlingen, Städte in Schutt und Asche – es ist höchste Zeit, das Töten, Sterben und Zerstören zu beenden!

Die Forderung des Grundgesetzes an Politik und Bürgerinnen und Bürger, „dem Frieden in der Welt zu dienen,“ bedeutet – gerade nach den dunklen Erfahrungen der deutschen Geschichte – die Verpflichtung, mit einer verantwortungsvollen Politik, die Verhandlungen und Diplomatie an Stelle von immer mehr Waffen setzt, dazu beizutragen, einen neuen Kalten Krieg zu verhindern, der zahllose Kriege zur Folge haben könnte, auch in Europa. Erste Aufgabe von Politik und allen internationalen Institutionen muss sein, mit Diplomatie, Besonnenheit und Vernunft Strategien mit dem Ziel der Verständigung, Versöhnung und Konfliktlösung zu entwickeln.

Als ehemaliger Oberbürgermeister von Osnabrück sind Sie dem Friedensauftrag der Stadt eng verbunden, der durch den Westfälischen Frieden und durch die Anti-Kriegsromane von Erich Maria Remarque geprägt wird.

Im Sinne Remarques und in Erinnerung an das von Osnabrück ausgehende epochale Ereignis des Westfälischen Friedens bitten wir Sie, alles Ihnen Mögliche zu tun, um Wege und Perspektiven für Verhandlungen und für einen Frieden zu eröffnen. Nur so lässt sich heute, im Jahr 2023, unserer Überzeugung nach Sicherheit im Sinne des Westfälischen Friedens und im Rahmen einer neuen europäischen Sicherheitsordnung erreichen.

Willy Brandt sagte in seiner Nobelpreisrede von 1971: „Alle, die Macht haben, Krieg zu führen, möchten der Vernunft mächtig sein und Frieden halten!“ und an anderer Stelle: „Frieden ist nicht alles; aber ohne den Frieden ist alles nichts.“


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