Morgen-Kommentar: Lasst uns den geistigen Brandstiftern die Zündhölzer nehmen

Vor wenigen Tagen veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung einen Kommentar mit dem Titel „Die Corona Krise entzaubert die Populisten“. Absolut lesenswert. Der Nachrichtensender ntv titelt: „Der Flügel soll sich auflösen – Diesmal könnte es die AfD zerreißen“. Auch das lässt hoffen.
Viele ähnlich lautende Titel zieren in diesen Tagen die Gazetten der Nation. Ungeachtet des Inhalts der Artikel werden sich womöglich viele von uns beim Lesen dieser Überschriften fragen: Sind wir die Hohlköpfe von Nationalisten bald endlich los? Bleiben wir künftig vom verbalen Dünnpfiff der (Rechts)Populisten verschont? Hat das Corona-Virus die AfD und ihre Sympathisanten in die Bedeutungslosigkeit gejagt?

All eyes on Corona?

Ich fürchte, ich muss enttäuschen. Der Fokus der Berichterstattung liegt lediglich woanders: beim Virus. Die geistigen Brandstifter haben sich mit ihren gesellschafts- und demokratiefeindlichen Ansichten zu tief in unserer Mitte eingenistet, als dass sie sich zu einem Sinneswandel verleiten ließen. Auch nicht durch eine Pandemie, an der ja – laut der Argumentation vieler dieser Individuen – ohnehin die Regierung Schuld hat.

Wir, die Bevölkerung, stehen vor einem Stresstest – wie es Kalla Wefel bereits vor ein paar Tagen in seinem Kommentar hier auf Hasepost.de konstatierte. Dieser Stresstest, davon bin ich fest überzeugt, steht uns besonders beim Umgang mit Rechtspopulisten und anderen Provokateuren bevor. Es ist bereits jetzt klar, dass wir auf eine wirtschaftliche und soziale Krise zusteuern. Und in Krisen finden Neid und Missgunst seit jeher ihren Nährboden. Wir sind also gut beraten, wenn wir dieses Mal frühzeitig mit voller Entschiedenheit symbolisch die Fahnen des Respekts und des Miteinanders hissen und den Verfassern, Verbreitern und/oder Sympathisanten von Hetze und Fake News im Netz unmissverständlich klar machen: SO NICHT! DIE ZUKUNFT GEHÖRT UNS ALLEN!

Die Überzeugung reift, dass die Ewiggestrigen die (nunmehr durch die Einschränkungen des Alltags) hinzugewonnene Zeit im Netz dazu nutzen, um noch intensiver im geheimen Kämmerlein über künftige strategische und operative Aktionen zur Bekämpfung der „politischen Elite“ und „gewaltsamen Durchsetzung der neofaschistischen Ziele“ zu konspirieren. Denn, eines ist gewiss: Die Krise bietet das Potential, dass die geistigen Brandstifter – aufgrund von mutmaßlich zunehmender Unzufriedenheit in der Bevölkerung – es künftig noch einfacher mit ihrer Bauernfängerei haben könnten.

Verführer in verschiedenen Gewändern

Und zu diesen Brandstiftern zählen nicht nur die ganz offensichtlich irregeleiteten Rechtspopulisten, sondern die (ebenso zur offensichtlich intelligenzbefreiten Personengruppe gehörenden) Verschwörungstheoretiker, Hetzer und Provokateure verschiedener Couleur. Sie alle tragen zu einer massiven Verrohung unserer Sprache und Umgangs und somit zu unserer Gesellschaft bei. Wer meint, dass sie sich – ob der vorherrschenden Corona-Krise – plötzlich zu wertvollen Mitgliedern unserer Gesellschaft wandeln, der irrt!

Zu schwach war bisher die Gegenwehr der demokratischen Mitte, so dass sich die Grenzen des Sagbaren extrem verschoben haben. Populisten, rechte Hetzer, Verschwörungstheoretiker oder schlichtweg hirnlose Provokateure fühlen sich nach wie vor legitimiert, mit ihren radikalen Aussagen und moralisch höchst verwerflichen Aktionen Andersdenkenden ihren Willen aufzudrücken. Immer öfter leider auch gewaltsam oder brachial anmutend. So scheint es beispielsweise für rechte Kräfte mittlerweile ganz normal zu sein, mit einer „uniformierten“ Bürgerwehr vor dem Reichstag aufzumarschieren, um das dortige Gelände zu einer „Schutzzone“ zu erklären. Nur ein Beispiel von vielen. Wie auch u.a. eine Chronik auf Zeit Online in erschreckender Weise aufführt. Hätte man mir vor ein paar Jahren die Nachricht mit der Bürgerwehr vor dem Reichstag aufgetischt, ich hätte sie wahrscheinlich für einen Beitrag des Satiremagazins „Der Postillon“ gehalten.

Ignorieren ist das falsche Rezept

Damit solche Aktionen sich in unserer Gesellschaft nicht etablieren und irgendwann als „normal“ gelten und somit die Hürden für Angriffe auf Leib und Leben Andersdenkender gänzlich wegfallen, ist es unabdingbar, dass sich ein Jeder von uns entschieden gegen Lügen und Hetze im Netz auflehnt! Und zwar auch gegen die vermeintlich harmlosen Beiträge. Die Strategie, solche Menschen und ihre Aussagen schlichtweg zu ignorieren, geht leider nicht auf! Denn, so paradox es auch klingen mag – erfolgt keine Reaktion, fassen es die meisten Unbelehrbaren als Zustimmung ihrer Thesen und Ansichten auf. Zustimmung, die wiederum als Nährböden dient, um unsere Gesellschaft noch unverblümter und aggressiver mit Beiträgen des Hasses, des Neids und/oder der Missgunst zu vergiften.

Auch im privaten Bereich wachsam sein

Wenn es um jene Individuen geht, die auf unsere gesellschaftlichen und moralischen Normen scheißen (sorry, aber so deutlich muss man es leider sagen), sind sie leider zuweilen auch in unserem engeren Umfeld vorzufinden. Ich selbst wurde jüngst im Freundeskreis mit digitaler Hetze, der Relativierung von Rechtsradikalismus und Verschwörungstheorien konfrontiert. Ich habe – so, wie ich es ja auch in diesem Text proklamiere – die Beiträge kritisiert und darum gebeten, „so einen gesellschaftsfeindlichen Müll“ nicht in der 10-Mann starken Whatsapp-Gruppe zu posten. Es sei hierbei angemerkt: Ich glaube nicht, dass der Verfasser eine überzeugte rechte Gesinnung besitzt, jedoch bedient er sich als Provokateur der Sprache und den Mechanismen der Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretikern, leistet unserer Gesellschaft damit einen Bärendienst und trägt somit Mitverantwortung für die Verrohung unserer Gesellschaft.

Wer glaubt, ich hätte bei meinem kritischen Hinweis auf die Unterstützung der anderen Gruppenteilnehmer zählen können, der irrt! Tatsächlich musste ich mich dafür rechtfertigen, warum ich den Gruppenfrieden störe, indem ich die Beiträge kritisiere. Im Einzelgespräch mit einigen der Gruppenteilnehmer wird klar: Sie fühlen sich wohler dabei, wenn sie die unangebrachten Inhalte dieser Person schlichtweg ignorieren. Was Ignorieren bei den Distributoren von Provokationen solcher Art oftmals für eine Wirkung erzielen, habe ich bereits betont: Zustimmung. Ignorieren ist somit kontraproduktiv!

Tipps für den Umgang mit Fake News, Hetze & Co.

Mein Rat in solchen Situationen: bleibt standhaft! Betont einmal konkret Euren Standpunkt, untermauert ihn mit einer plausiblen Argumentation und fügt im besten Fall die tatsächlichen Fakten hinzu. Das entlarvt die Lügen/Hetze und wird zudem von anderen Menschen registriert, die sich ohne eine entsprechende Aufklärung womöglich von den Inhalten hätten verführen lassen. Leider ist ein solches Vorgehen sowohl in den Sozialen Netzwerken als auch in unmittelbarer privater Umgebung vonnöten. Denn, das ist zumindest meine Beobachtung in den vergangenen Jahren, die Fraktion der „Ich bin kein Nazi, aber…“-Menschen gewinnt immer mehr Zulauf. Schleichend, fast lautlos.

Sollte Euch für ein erstes ausführliches Feedback auf den Social Media Kanälen schlichtweg die Zeit fehlen, platziert zumindest ein passendes Emoticon, um Euer Missfallen in der Kommentarspalte deutlich zum Ausdruck zu bringen. Wird Euch dann als Reaktion ein „Mangel an Argumenten“ vorgeworfen, könnt Ihr diesen Vorwurf gelassen hinnehmen. Die Aussage gehört ohnehin zum Standardrepertoire der Ewiggstrigen.

Bei meinem mittlerweile über zehn Jahre andauerndem Engagement gegen Hetze, Fake News und Verschwörungstheorien im Netz gibt es einige grundlegende Vorgehensweisen, die ich beherzige:

  • Bleibt höflich und bei den Fakten! Wenn Ihr auf einschlägigen Seiten nicht durch Beleidigungen oder unsachliche Kommentare auffallt, findet Ihr besser Gehör und Zugang u.a. zu den stillen Beobachtern, die sich noch in der Phase der Meinungsfindung befinden könnten. Auch Provokationen begegnet Ihr stets mit der gebotenen Sachlichkeit.
  • Werdet Ihr blockiert, dann wertet es als Ritterschlag! Ich wurde auf einigen AfD-Seiten oder anderen rechtsorientierten Personen auf Facebook blockiert, nachdem ich Fakten geliefert habe, die deren Postings in eindeutiger Weise der Lüge oder der Hetze überführten. Wurde ich blockiert, war dies nichts anderes als ein Zeichen dafür, dass bei ihnen die Argumente ausgingen oder gänzlich fehlten. Das Blockieren auf allen Kommunikationskanälen gehört – nach der Konfrontation von unangenehmen Wahrheiten – zu einer durchaus üblichen Praxis und sollte Euch nicht entmutigen, Euch weiterhin gesellschaftspolitisch zu engagieren.
  • Nicht voreilig reagieren! Kommt Euch ein Link, eine Aussage oder ein Videobeitrag suspekt vor, dann nehmt Euch die Zeit, um zu recherchieren, ob und inwieweit es sich tatsächlich um Hetze, Lügen oder Verschwörung handeln muss. Nichts ist schlimmer als ein Hohlkopf, der Euer Halbwissen in der Luft zerreißt und somit weitere Fürsprecher gewinnt.
  • Keine Angst vor (akademischen) Titeln! Wenn ein mutmaßlicher Hetzer, Verschwörungstheoretiker oder Provokateur einen (akademischen) Titel trägt – etwa Doktor, Professor, Spezialist, Experte, etc. – hat es eine gewisse Strahlwirkung auf die Adressaten seiner Botschaften. Wenn dann noch eine gewisse Eloquenz und die passende Rhetorik zum Einsatz kommen, warnt uns das Unterbewusstsein vor der offenen Konfrontation mit solchen Menschen. Zu groß ist die Befürchtung, man könne von ihnen vorgeführt werden – trotz plausibler Argumente. Diese Angst ist nicht ganz unberechtigt, da einige dieser Personen tatsächlich Meister im „Worte verdrehen“ und in der Manipulation sind. Sie unterziehen z.B. Aussagen ihrer Kontrahenten einer intelligenten, trotzdem irreführenden Interpretation, die ihnen selbst natürlich in die Hände spielt. Überwindet diese Angst, sofern vorhanden. Ihr werdet merken, sehr schnell routiniert und „normalisiert“ sich Euer Umgang mit ihnen.
  • Vorsicht bei bestimmten Namen, Organisationen und/oder Gruppierungen! Mittlerweile sollte dem Großteil der Bevölkerung bekannt sein, dass man Beiträge, die z.B. von der Rechtspopulistin und Verschwörungstheoretikerin Eva Hermann stammen bzw. moderiert werden, getrost (ungesichtet) in die Kategorie „hirnloser Dünnschiss“ einordnen kann. Es gibt aber viele weitere Personen und Institutionen, bei denen Vorsicht geboten ist und eine genauere Recherche nicht schaden kann. Bei folgenden Namen und/oder Gruppierungen sollten Eure Alarmglocken klingeln:

– grundsätzlich bei allen Vertretern von rechtsorientierten Parteien und Gruppierungen (AfD, NPD, PEGIDA, Pro NRW, Identitäre Bewegung, etc.)
Liste der Vertreter von Verschwörungstheoretikern (darunter befinden sich auch Namen wie Xavier Naidoo, Udo Ulfkotte, Andreas von Bülow, Ken Jebsen)

… oje, ich merke gerade, das scheint ein Fass ohne Boden zu sein. Es gibt unzählige Youtube-Kanäle, Blogs und Social Media Kanäle, die Verschwörungstheorien und/oder rechtspopulistischen Schwachsinn verbreiten. Vielleicht mache ich es mir auch etwas zu einfach an dieser Stelle, wenn ich die Liste nicht weiter fortführe und einfach nur an Euren gesunden Menschenverstand appelliere. Aber Ihr wollt sicher an dieser Stelle auch keine Listen in epischer Länge durchforsten. Grundsätzlich sollten wir alle Beiträge, in denen Menschen und demokratische Institutionen diskreditiert und angefeindet werden, mit einer gewissen Skepsis begegnen.

Kommt dann tatsächlich ein Dialog mit Populisten und/oder Verschwörungstheoretikern zustande, werdet Ihr womöglich mit folgenden Aussagen konfrontiert:

„Dafür bist Du gar nicht qualifiziert.“ – In den meisten Fällen reicht das Vorhandensein des gesunden Menschenverstandes aus, um qualifiziert genug zu sein.

„Was maßt Du Dir an, meine Meinung zu kritisieren. Es herrscht Meinungsfreiheit.“ – Ja, es herrscht Meinungsfreiheit, aber auch diese hat ihre Grenzen. Und zwar spätestens dort, wo die Würde des Menschen verletzt und gegen Andersdenkende gehetzt wird.

„Das sind alternative Fakten.“ – Das ist im Grunde genommen nichts anderes als ein eindeutiges Indiz dafür, dass die Behauptungen vom Verfasser nicht belegt werden können.

„Ich brauche mich vor Dir nicht zu rechtfertigen.“ – Das ist grundsätzlich richtig. Aber die fehlende Bereitschaft der Rechtfertigung ist auch ein weit verbreitetes Phänomen unter Rechtspopulisten. Sie geht einher mit der stoischen Beratungsresistenz der Akteure.

„Ich bin studierter X,Y,Z und kenne mich in dem Thema besser aus als alle anderen.“ – Wissen schützt nicht vor Irrglauben und Charakterschwäche. Wenn man als Populist, Verschwörungstheoretiker oder Provokateur – bewusst oder unbewusst –gesellschaftliche/moralische Normen mit den Füßen tritt, darf dieses Verhalten durchaus als Charakterschwäche ausgelegt werden.

Fazit

Zugegeben, bei der Vielzahl der Nachrichten, die im Internet kursieren, ist es schwer, wenn nicht gar unmöglich, stets die Fake News oder die subtile Hetze zu erkennen. Aber, es geht auch nicht darum, bei der Bewertung solcher Inhalte unfehlbar zu sein. Es ist unserer Gesellschaft schon geholfen, wenn wir vermehrt der Verbreitung von gesellschaftsfeindlichen Inhalten entgegensteuern. Indem wir unsere Stimme erheben! Indem wir die Beiträge und deren Verfasser nicht ignorieren! Nur so können wir heute und in Zukunft womöglich dafür sorgen, dass unsere Mitmenschen wieder aus ihrer gesellschaftsfeindlichen Filterblase entfliehen oder – noch besser – erst gar nicht in ihren Bann gezogen werden.

Noch ein abschließender Tipp: Sollte sich einer von der Hetzer & Co.-Garde gerade in diesen Tagen als besonders beratungsresistent erweisen und ein vernünftiger Dialog nicht möglich sein (was wahrscheinlich in den meisten Fällen der Fall sein wird), so können wir uns vielleicht doch der Schützenhilfe von COVID-19 bedienen und einfach dieses Video in seiner Kommentarspalte teilen – es sagt irgendwie alles:

Lasst uns gemeinsam auf eine friedlichere Zukunft hoffen. Auch, wenn es utopisch anmutet: eine Zukunft, möglichst frei von Rechtspopulisten, Hetzern und Verschwörungstheoretikern. Sehen wir die Corona-Krise also auch als eine Chance … für ein besseres DANACH! 😉

Vor allem aber, bleibt gesund!

Das oben verlinkte Video erschien zuerst auf Italienisch bei YouTube, zum Beispiel hier

Hier finden Sie alle bislang erschienenen “Morgen-Kommentare”.


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Daniel Hopkins
Daniel Hopkins
Unser Gastautor Daniel Hopkins ist ausgebildeter Redakteur sowie Spezialist für Marketing und Kommunikation. Der gebürtige Osnabrücker war viele Jahre als Journalist (u.a. für NOZ, stern.de, Die WELT, u.v.m.) tätig und spezialisierte sich auf den investigativen Journalismus und Reportagen. Seit knapp 15 Jahren ist er als Experte für Marketing und Unternehmenskommunikation in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft und Industrie tätig – national und international. Ein Fokus seiner Expertise liegt u.a. in der Social Media Kommunikation. So referiert er u.a. als Dozent für verschiedene Institutionen über die Krisenkommunikation und grundlegenden Strategien von Unternehmensauftritten auf Social Media Kanälen. Als Mitgründer engagiert sich Hopkins zudem als ehrenamtlicher Pressesprecher bei der Osnabrücker gemeinnützigen Organisation „Wir starten gleich!“.

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