Immer öfter hört man diesen Spruch. Immer wieder liest man irgendwo: „Bleibt gesund!“ 

Ist das jetzt Hohn oder ein aufrichtiger Gruß?

Ich weiß es nicht.

Ein Gastkommentar von Hammed Khamis. Das Titelfoto hat unser Gastautor am 26.03. kurz nach 09:00 Uhr in Berlin gemacht. Der Kommentar entstand am Abend zuvor.

Es ist 20:29 Uhr.

Ich sitze in meiner Wohnung am Hackeschen Markt in Berlin und denke über die letzten Tage nach.

Die letzten Tage mit Corona und was es mit uns macht.

Ich selbst habe nicht wirklich Angst davor.
Angst habe ich eher um meinen 78jährigen Vater, der in Osnabrück die Quarantäne nicht annehmen will. Ihn besuchen kann ich nicht, weil ich nicht weiß, ob ich infiziert bin oder infiziert war.

Die Menschen haben anfangs nicht geglaubt, dass diese Sache mit Corona wirklich gefährlich ist.

Die klassischen Verschwörer kamen selbstverständlich über die sozialen Netzwerke zu Wort.

Die Pharma-Industrie habe das mit dem Virus gemacht, sagte der eine.

Ein anderer, selbsternannter Sachverständiger für Virologie, der eigentlich in einem Späti in Berlin Wedding arbeitet, glaubt zu wissen, dass das mit dem Virus alles nur Panikmache aus den Medien ist.

Ich selbst erfahre bei meinen seltenen Ausgängen zum Einkaufen immer mehr Solidarität unter den Menschen in und um meine Nachbarschaft.

Die Luft ist sauberer, nicht nur in Berlin, sondern auf der ganzen Welt.
Das Wasser in den Flüssen wird klarer.

Jeder ist bereit, seinem Nachbarn in irgendeiner Weise auszuhelfen.

Corona, was auch immer es ist, wird Schaden bringen.
Die Schwachen, die Alten und die Armen werden verlieren. Das ist klar.

Denkmal für die ermordeten Juden Europas
Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Foto: Hammed Khamis am 26. März 2020

Viele wissen nicht, wie es wirtschaftlich weitergehen soll.
Der eine kann sein Unternehmen nicht weiterführen, weil er eine Bar oder einen Jeansladen oder eine Pizzeria hat.

Ein anderer wiederum schlägt Profit daraus, indem er hamstert und Klopapier und Desinfektionsmittel zum Dreifachen verkaufen will.

Beim Einkaufen jedoch gehen alle Menschen voneinander entfernt durch die Regale, halten sich an die vom Staat vorgegebenen Regeln, mit denen man Zeit gewinnen will, einen Impfstoff zu finden.
Alle sind vorsichtig, besonnen und vor allem sind alle dankbar.

Ich selbst bin denen dankbar, die wirklich in Gefahr sind.

Mein Dank geht an alle Ärzte, Krankenpfleger, Kassierer oder Beamte im Öffentlichen Dienst.
Sie sind Helden. Helden und Heldinnen, die für so wenig Lohn bereit sind, so viel wie ihre Gesundheit und auch ihr Leben für andere zu riskieren.

Und genau deswegen soll als erstes die Bitte aller an euch adressiert sein.

Bitte bleibt gesund!

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"I am not animal", das neue Buch von Hammed Khamis
“I am not animal”, das neue Buch von Hammed Khamis

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Hammed Khamis
Hammed Khamis
Unser Gastautor Hammed Khamis wurde im Dezember 1981 in Osnabrück als elftes von vierzehn Kindern libanesischer Eltern geboren. Er wuchs in der Wüste auf und besuchte auch das Gymnasium in der Wüste, ging aber vor dem Abitur ab und rutschte in ein kleinkriminelles Milieu im Migrantenumfeld. Für einige Zeit wurde er zu einer bekannten Persönlichkeit im Osnabrücker Bandenmillieu. Bekannt wurde Hammed Khamis durch sein Buch “Ansichten eines Banditen”, in dem Osnabrücker viele (Tat-)Orte und vielleicht auch einige Mitbürger wiedererkennen können. Hammed Khamis arbeitet inzwischen als Streetworker in seiner neuen Wahlheimat Berlin, er ist aber auch weiterhin als Autor tätig, gefragter Gast in Talkshows und hat als Blogger u.a. Kurdistan und die Migrantenlager in Calais besucht.

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