Mösers Meinung – zum Thema “Weihnachten”

Guten Abend,

auf einmal ist alles ruhig. Ich liebe die Tage zwischen den Jahren, wenn die Zeit stillzustehen scheint, wenn die Sorgen und Probleme des Alltags plötzlich nicht mehr so wichtig sind. Ich habe dann das Gefühl, angekommen zu sein, wieder eine Heimat zu haben. Ich glaube, in diesen wilden Zeiten ist uns der Sinn für dieses Gefühl abhanden gekommen. Es wird soviel von Globalisierung geredet, davon, daß die weite Welt immer enger zusammenrückt, daß wir flexibler werden müssen, daß wir alle Weltbürger sind. Das mag stimmen, aber trotzdem braucht jeder Mensch eine Heimat. Vielleicht ist das der eigentliche Sinn von Weihnachten: nach Hause kommen, sich geborgen fühlen und wieder ein Gespür für die Dinge zu entwickeln, die im Leben wirklich wichtig sind. Einfach wissen, wo wir herkommen, wo unsere Wurzeln liegen.

Möser_Sanne

Im 18. Jahrhundert war das Weihnachtsfest ein ganz anderes als heutzutage. Die Familie stand im Vordergrund, die Gewißheit, Zeit füreinander zu haben, sich auf seine Liebsten verlassen zu können. Ich will nicht behaupten, daß die Zeiten damals schwerer waren als heute. Wir haben seinerzeit alles wesentlich gelassener sehen können, wir waren innerlich ruhiger, wir haben die Dinge so genommen wie sie kamen. Weihnachten war für uns das Fest der Besinnlichkeit, was nichts anderes bedeutete, als daß wir das vergangene Jahr Revue passieren ließen, daß wir ein wenig innehielten und über uns selbst nachdachten. Ich glaube, daß in den wilden Zeiten des 21. Jahrhunderts viele Menschen diese Fähigkeit verloren haben. Sie sind heimatlos geworden, ruhelos, immer auf der Suche nach dem nächsten Kick, der nächsten Sensation. Alles muß immer größer, höher, schneller, weiter und noch ein bißchen sensationeller sein. Das, was gestern noch als toll galt, ist heute schon ein alter Hut. Wir sollten wieder mehr über uns selbst und unser Leben nachdenken.

Ich liebe es, während der Weihnachtstage durch die Osnabrücker Straßen und Gassen zu gehen. Nichts erinnert mehr an die zurückliegenden Wochen der Vorweihnachtszeit, an die Hektik und den Stress. Unsere Stadt ist fast menschenleer, es fahren nur ganz wenige Autos, die Weihnachtsmarktstände sind abgebaut, ein paar Vögel fliegen durch die Gegend auf der Suche nach etwas Eßbarem. Ich füttere dann die Enten, die einsam am Herrenteichswall herumschwimmen und sich wundern, wo denn die ganzen Menschen geblieben sind. Am liebsten würde ich ihnen zurufen: „Die sind jetzt alle zuhause, da wo sie hingehören. Jetzt ist alles nicht mehr so wichtig, die Weihnachtsfeiern sind gelaufen, die Geschenke sind verteilt, die nächsten hochwichtigen Termine passieren erst im nächsten Jahr. Aber macht euch keine Sorgen, die Menschen kommen schneller wieder, als euch lieb ist. Täuscht euch nicht, die Ruhe ist trügerisch!“

Diese Tage zwischen den Jahren sind für uns Menschen ein Geschenk. Wir sollten dieses Geschenk zu schätzen wissen, es in allen Ehren halten. Und wenn in ein paar Wochen der Alltagstrott wieder Einzug hält, wenn die Hektik uns wieder fest im Griff hat, dann wäre es doch schön, wenn wir noch ein wenig Kraft schöpfen können aus der Erinnerung an die stillen Tage. Wir erinnern uns, wie wir mit unserem Hund spazieren gegangen sind und ihn von der Leine lassen konnten, ohne daß gleich ein dienstbefissenes Mitglied des OS-Teams mit dem erhobenen Zeigefinger um die Ecke kam. Wie wir uns mit jemandem unterhalten haben, ohne ständig auf die Uhr sehen zu müssen. Wie wir morgens aufgestanden sind, den Fernseher angemacht haben, und es kamen keine Bilder von irgendeinem Terroranschlag, einer Naturkatastrophe, von gekenterten Flüchtlingsbooten und überfüllten Flüchtlingsheimen. Kein Politiker wollte uns ein X für ein U vormachen, die Lage schönreden und uns für dumm verkaufen. Im Briefkasten lag keine Post vom Finanzamt. Plötzlich war einfach nur himmlische Ruhe. Ich weiß natürlich, daß diese Zeit nicht lange anhält. Sie ist nur geliehen, und wenn sie vorüber ist, dann geht es mit rasender Geschwindigkeit weiter. Gerade deshalb sollten wir diese Zeit umso intensiver genießen. Denn wir brauchen sie heute mehr denn je, die stillen Tage zwischen den Jahren!

Ich wünsche allen Hasepost-Lesern fröhliche Weihnachten!

Ihr

Justus Möser

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Justus Möser
Justus Möser
Justus ist unser "ältester Mitarbeiter", seit 1720 wandelt er durch unsere Stadt - wobei er inzwischen eher "geistert". Sein Vertreter in der Gegenwart ist unser Autor Wolfgang Niemeyer, der sich in dieser Kolumne regelmäßig darüber Gedanken macht „was würde Möser dazu meinen“?

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