Mösers Meinung – zum Thema „Veränderung“

Guten Abend,

ich hoffe, alles ist gut!
Das Land ändert sich. So vermuten jedenfalls meine Kollegen von der schreibenden Zunft. In allen Postillen ist von gewaltigen Umwälzungen und Zeitenwenden zu lesen, mehr oder weniger plausible Szenarien unserer Zukunft werden entworfen, mehr oder weniger kompetente Experten für dieses und jenes werden zu Rate gezogen und dürfen zu Wort kommen. Es scheint eine unumstößliche Tatsache zu sein, das sich das Land ändert. Ich frage mich nur: warum eigentlich? Es ging uns in Deutschland noch nie so gut wie heute. Wohlstand, vielfältige politische, kulturelle und soziale Gestaltungsmöglichkeiten, innenpolitischer Frieden, ein hohes Ansehen bei allen Nationen rund um den Erdball, geringe Arbeitslosigkeit, gute Gesundheitsstandards und ärztliche Versorgung – das sind nur ein paar positive Schlagworte, die Deutschland im Jahre 15 nach der Jahrtausendwende kennzeichnen. Und jetzt ändert sich also das Land. Daran ist offensichtlich nicht zu rütteln, wie eine übernatürliche Naturgewalt rollt die Veränderung auf uns zu. Und wir haben drauf zu warten, bis sie denn endlich da ist, die Veränderung, wie auch immer sie aussehen mag.

Mösers Meinung Hasepost Osnabrück

Veränderungen einer Nation sind keine Naturgesetze, sie werden von Menschenhand gemacht. Unser Grundgesetz ist von verantwortungsbewußten und dem demokratischen Gedanken verpflichteten Menschen entworfen und eingeführt worden. Sie wollten nach den unsäglichen Jahren der Nazi-Barbarei dem Land ein neues und stabiles Fundament geben, sie wollten es zum Guten verändern. In den 90er Jahren hat sich Deutschland durch die Wiedervereinigung neu erfinden, neu definieren müssen. Auch damals gab es viele Veränderungen, nicht immer zum Guten. Aber die Deutschen haben diese Herausforderungen gemeistert, weil sie wußten, daß es notwendig war, weil sie wußten, daß das Land sich ändern mußte. Und jetzt sollen wir uns also wieder ändern. Mir ist diesmal die Notwendigkeit nicht klar, ich verstehe sie ganz einfach nicht. Vielleicht ist das die größte Fehlleistung, das größte Versagen der herrschenden politischen Klasse, daß sie von notwendigen Veränderungen redet, ohne gleichzeitig zu begründen, warum jetzt, warum ausgerechnet bei uns in Deutschland, in einer der derzeit erfolgreichsten Nationen der Welt Veränderung kommen muß. Und vor allem kann uns die Politik nicht erklären, wie diese Veränderung denn bitteschön aussehen soll. Ratlosigkeit und Schweigen allerorten und ausgerechnet von allerhöchster Stelle. Sieht so Veränderung aus? Dann möchte ich lieber darauf verzichten.

Das Land ändert sich. Ich gehe am Heger Tor entlang und schaue auf die Inschrift über dem Torbogen. Man widmete dieses Baudenkmal seinerzeit den Osnabrückern, die im Kampf gegen Napoleon ihr Leben gelassen hatten. Das war vor 200 Jahren. Auch da änderte sich Deutschland gewaltig. Heute gibt es keine Napoleons mehr, es gibt Typen wie Assad, Verbrecherbanden wie den IS oder die Taliban, es gibt eine unerträgliche materielle Armut in vielen Regionen Südosteuropas. Und deshalb muß sich das Land ändern? Ich verstehe diesen Sachzwang nicht, und je mehr ich über ihn nachdenke, umso verständnisloser und wütender werde ich. Manchmal ist Veränderung gut und wichtig, manchmal unabdingbar. Die Veränderung, die uns jetzt mit großen Worten und Gesten angekündigt wird, ist das nicht. Sie schwebt wie ein Phantom über dem Land, wie ein Flaschengeist, von dem sich die meisten wünschen, daß er doch bitte in seiner Flasche bleiben möge. „Never change a winning team“ heißt es im Sport. Warum halten wir uns hierzulande nicht daran? Das Land ändert sich. Oder auch nicht. Manchmal ist es besser, wenn alles bleibt, wie es ist. Es liegt an uns. Ich wünsche allen HASEPOST-Lesern ein schönes Wochenende!

Ihr

Justus Möser

 Hier alle bislang erschienenen Kolumnen von Justus Möser.


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Justus Möser
Justus Möser
Justus ist unser "ältester Mitarbeiter", seit 1720 wandelt er durch unsere Stadt - wobei er inzwischen eher "geistert". Sein Vertreter in der Gegenwart ist unser Autor Wolfgang Niemeyer, der sich in dieser Kolumne regelmäßig darüber Gedanken macht „was würde Möser dazu meinen“?

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