Kolumne

Guten Abend,

Osnabrück ist in vielerlei Hinsicht eine Stadt der etwas anderen Art. Von hier ging der Westfälische Frieden aus, der den deutschen Landen nach einem verheerenden dreißig Jahre währenden Krieg wieder etwas Ruhe brachte; von hier machte sich Erich Maria Remarque auf in die große weite Welt, um einen Roman zu schreiben, der hinter der Bibel zu den meistverkauften Büchern in der ganzen Welt gilt; hier gibt es einen Verein für Leibesübungen, der seine Fans seit vielen Jahrzehnten fast jede Saison in den Herzinfarkt treibt und hier lebten trotzdem vor wenigen Jahren sogar mal die glücklichsten Menschen in ganz Deutschland. Das alles macht Osnabrück nicht unbedingt zu einer Weltstadt, aber in der niedersächsischen Provinz ist man gezwungenermaßen auch schon mit wenig zufrieden. Was uns aber seit einiger Zeit deutlich vom Rest der Republik, wenn nicht sogar vom Rest der Welt deutlich unterscheidet, das ist der stoische Gleichmut, mit dem es die hier lebenden Bürger ertragen, daß ihre schöne und geschichtsträchtige Stadt nach und nach in ein großes Versuchslabor umgewandelt wird. 

Was vor zehn Jahren die Diskussion über ein Rauchverbot in allen öffentlichen Einrichtungen sowie in Gaststätten und Restaurants war, das ist im Jahr 2017 die Diskussion über ein Verbot der Nutzung des Automobils zu individuellen Zwecken. Die Stadt Stuttgart hat beschlossen, schon im nächsten Jahr Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge auszusprechen. Grund ist die angebliche Belastung der Luft durch Feinstaub. Den Lokalpolitikern in Osnabrück scheint dieses Vorgehen aber dann doch zu halbherzig zu sein. Hier wird gleich am ganz großen Rad gedreht, hier gibt man sich nicht mit ein paar lächerlichen Fahrverboten zufrieden. Flankiert von einer regionalen Tageszeitung, in der ein führender Lokalredakteur, der bezeichnenderweise ein begeisterter Sportradfahrer ist, Sätze schreibt wie: „Leute, die es schick finden, mit Sportauspuff und hohen Drehzahlen auf sich aufmerksam zu machen, gehören auf die Couch und nicht auf die Straße. (…) Im großen Gang bleiben und auf den Sprint zwischen zwei Ampeln verzichten, das bringt schon was. Wer so fährt, kommt auch mit Tempo 30 klar. Die anderen fordern es heraus, dass sie geblitzt werden.“, wird in Osnabrück permanent versucht, ein Klima der Autofeindlichkeit zu erzeugen und unter der Zuhilfenahme von Fake News Autofahrer als schwere Umweltsünder und Bedrohung für eine lebenswerte Innenstadt darzustellen. Ein Förderer dieser in Teilen des Osnabrücker Establishments verbreiteten Geisteshaltung ist leider auch der Stadtbaurat Frank Otte. Nach Erlangung der Fachhochschulreife im zarten Alter von zwanzig Jahren(!) und anschließendem zehnjährigen Studium(!!) in den Bereichen „Bauingenieurwesen“ und „Architektur“ sowie diversen Nebentätigkeiten im Baugewerbe machte der Mann schließlich eine steile Karriere in der öffentlichen Verwaltung, die vor vier Jahren beinahe schon im ersten Anlauf in der Ernennung zum Stadtbaurat der Stadt Osnabrück gipfelte. Nachdem es mit der ersten Ernennung trotz überaus intensivem Studiums mangels ausreichender Qualifikation nicht klappte, und erst die Stellenausschreibung nach unten korrigiert nachgebessert werden musste, beweist Otte in dem im zweiten Anlauf erreichten Amt, neben einem ausgeprägten Sinn für Humor auch eine ausgesprochen starke Neigung zur Selbstironie und Satire. Denn obwohl die Arbeitsschwerpunkte des Stadtbaurats in der Stadtverwaltung unter anderem die Förderung der Mobilität sowie die Stärkung des Handels- und Gewerbestandortes sind, läßt Frank Otte seit 2013 nichts unversucht, um grade diese für das Wohlergehen einer Kommune außerordentlich wichtigen Dinge lahmzulegen. Dafür ist ihm so ziemlich jedes Mittel recht. Mit Unterstützung seiner grünen Parteifreunde im Stadtrat und der ihn scheinbar vergötternden SPD sowie einiger kleinerer Parteien, die augenscheinlich wohl auch mal an Entscheidungen mit einer gewissen Tragweite beteiligt werden wollen, hat er Osnabrück zu einem Versuchslabor für eine Verkehrspolitik gemacht, die man ruhigen Gewissens als haarsträubend bezeichnen kann. Das vor Jahren geäußerte Interesse eines Investors an der Errichtung eines Einkaufscenters am Neumarkt wird ohne Rücksicht auf Verluste dazu genutzt, diese wichtige Verbindungsachse zwischen Nord und Süd für den individuellen PKW-Verkehr komplett zu sperren. Daß das Interesse des vermeintlichen Investors mittlerweile erlahmt zu sein scheint, interessiert dabei niemanden mehr, schon gar nicht den Stadtbaurat, der aber im Rahmen seines Aufgabenbereichs schon längst Alternativen zu der unsinnigen Neumarktsperrung hätte aufzeigen müssen. Stattdessen wird munter weiter herumexperimentiert. Der gesamte Nordwesten Osnabrücks steht seit vielen Monaten im Stau, wie jeden Morgen aufs Neue in den Verkehrsnachrichten zu hören ist. Und nun will sich die Stadt Osnabrück auch noch an einem sogenannten Modellversuch für Tempo 30 beteiligen, um an ausgewählten Straßenabschnitten die Wirkung von Tempo 30 auf die Lärm- und Schadstoffbelastung untersuchen zu lassen. Kostenpunkt: landesweit schlappe 700.000 Euro, die allerdings vom Land Niedersachsen bereitgestellt werden. Der umtriebige Volker Bajus von den Grünen soll schon seine Kontakte genutzt haben, um eine Mehrheit für dieses Projekt zu organisieren. Dafür ist Geld da, dafür wird sich engagiert, da wird soviel Herzblut investiert, daß man sich als Osnabrücker Bürger dann doch fragt, warum an anderer Stelle in dieser Stadt so gut wie nichts vorangeht.

Seit vielen Jahren hat sich im Stadtgebiet kein namhaftes Unternehmen mehr niedergelassen. Mit viel Glück konnte zumindest ein Teil der bei der Karmann-Insolvenz verlorengegangenen Arbeitsplätze gerettet werden, weil sich Volkswagen bereiterklärt hat, das hochmoderne Karmann-Werk, das auf dem Silbertablett präsentiert wurde, zu übernehmen. Ohne Unterstützung der Landesregierung wäre dort bis heute nichts passiert. Bei Kabelmetal sind Arbeitsplätze akut gefährdet, dem Einzelhandel wird durch die immer schwierigere Erreichbarkeit der Innenstadt das Leben schwer gemacht. Doch der Stadtbaurat, dessen Tätigkeitsschwerpunkt wohlgemerkt unter anderem die Stärkung des Handels- und Gewerbestandortes ist, tut so, als wäre alles in bester Ordnung. Und tummelt sich, statt sich seinen Kernaufgaben zu widmen, lieber auf Nebenkriegsschauplätzen oder ficht Scharmützel mit Religionsgemeinschaften, die ihm nicht passen. Wenn die lokale Tageszeitung dann auch noch dieses Verhalten lobpreist und eine Politik, die weder vorausschauend noch nachhaltig ist, sondern einzig und allein auf eine Verteufelung des Automobils zielt, als die einzig mögliche Alternative für Osnabrück darstellt, dann wundere ich mich immer wieder aus Neue, daß die Bürger diesen ganzen Kuddelmuddel noch hinnehmen. Da mag jede Menge Resignation mit im Spiel sein. Vielleicht liegt es aber auch daran, daß Osnabrück zunehmend von Studenten dominiert wird. Die sind auf das Auto nicht unbedingt angewiesen und müssen ihr Geld nach abgeschlossenem Studium auch nicht zwingend in Osnabrück verdienen. Sonst würden sie die gegenwärtigen Entwicklungen sicherlich mit äußerster Skepsis betrachten. Denn die Zeche für diese autofeindliche Politik und die Umwandlung Osnabrücks in ein riesiges Versuchslabor müssen andere zahlen: die, die immer schon hier waren und die auch weiterhin hier bleiben wollen oder müssen. Nicht die vermeintlichen Verwaltungsexperten, nicht die Bauplaner und schon gar nicht die Politiker. Zahlen müssen immer die, die am schwächsten sind – die Bürger. 

Ich wünsche allen HASEPOST-Lesern ein Wochenende, an dem es nichts zu mösern gibt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Ihr

Justus Möser

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