Mösers Meinung: Über den Niedergang der Freiheit

Guten Abend,

es gibt ein paar Dinge, die kommen nie mehr zurück, wenn man sie erst einmal verloren hat. Dazu gehören Vertrauen und Glaubwürdigkeit, Jugend, Vermögenswerte, eine gesunde Leber und die Liebe. Manchmal verschwinden diese Dinge schleichend, so daß man ihren Verlust kaum bemerkt, Stückchen für Stückchen, bis sie einfach nicht mehr da sind. Und leider erkennt man erst, wenn sie unwiderruflich weg sind, wie sehr sie doch fehlen und was sie uns bedeutet haben. Wenn einem diese Dinge am Herzen liegen, dann sollte man darauf achten, daß sie möglichst lange erhalten bleiben; man sollte sie wertschätzen, hegen und pflegen und gegebenenfalls mit besonderer Vorsicht und Rücksichtnahme behandeln. Einen Fernseher oder ein Auto kann man neu kaufen, wenn sie ihre Dienste versagen, sei es aus Altersschwäche oder aufgrund von technischen Mängeln. Man kann auch des Deutschen liebstes Möbelstück, das Sofa, durch ein jüngeres Modell ersetzen, wenn es durchgelegen oder verschlissen ist. Aber das geht, wie eingangs schon erwähnt, nicht mit allen Dingen so.

Ein besonders sensibles Objekt dieser Kategorie von seltenen und besonderen Dingen, die man unbedingt mit Samthandschuhen anfassen sollte, ist die Freiheit. Nun ist der Begriff an sich schon ein Reizwort, das heutzutage bei vielen mehr oder minder qualifizierten Zeitgenossen einen erhöhten Pulsschlag hervorruft. Es ergibt sich mitunter der Eindruck, daß ungeschützte und nicht reglementierte Freiheiten sofort die Forderung nach Verboten hervorrufen. Was natürlich die Frage aufwirft, wieviel uns Freiheit noch wert ist, wenn sie permanent reguliert, gedeckelt und fast schon als etwas Unanständiges angesehen wird. Manchmal kommt es mir vor, als daß die Hauptaufgabe der amtierenden Politiker nichts weiter zu sein scheint, als den Niedergang der Freiheit in Deutschland auf den Weg zu bringen. Ich möchte an dieser Stelle noch nicht einmal so hehre Errungenschaften wie die Rede-, Meinungs- und Pressefreiheit anführen, die zumindest offiziell eine hohe Wertschätzung genießen und bei jeder noch so unpassenden Gelegenheit hervorgekramt werden, um zu beweisen, wie grunddemokratisch und liberal unser Staatswesen ist. Obwohl sich kaum jemand die Mühe macht, auszuloten, welches Maß an Rede- und Meinungsfreiheit unser Staatswesen wirklich verträgt, ohne sich heillos zu zerstreiten und in Gruppen zu zerfallen, die nicht mehr miteinander reden wollen. Die im Andersdenkenden die Reinkarnation des Bösen sehen und ihn das auf eine ganz perfide Art und Weise spüren lassen, und zwar indem sie ihm das Wort entziehen, nicht mehr mit ihm in einen Dialog treten und ihm dadurch das Recht auf freie Meinungsäußerung absprechen und ihn sozial ausgrenzen. Unabhängig von der Asozialität solchen Handelns ist dieses Verhalten für eine Demokratie auch äußerst gefährlich. Dadurch kann eine Gesellschaft vor die Hunde gehen, irreparabel auseinanderdriften und politischen Kräften den Weg ebnen, für die Freiheit in ihren vielfältigen Ausprägungen nichts anderes als ein probates Mittel zum Zweck ist, um ausschließlich ihre Weltanschauung als die einzig wahre und heilsbringende Lösung aller irdischen Probleme durchzusetzen. Wobei schlussendlich natürlich die Freiheit auf der Strecke bleibt. Was aber dann womöglich von niemandem mehr bemerkt wird bzw. bemerkt werden darf, wenn man weitreichenden Sanktionen bis hin zum Ausschluss aus der Gemeinschaft der rechtschaffenden und rechtdenkenden Menschen entgehen will.

Es sind im Moment jedoch eher die kleinen Dinge, an denen man den schleichenden Verlust von Freiheit messen kann und die augenscheinlich auf den Weg gebracht werden, um auszuloten, wieviel Freiheitsberaubung ein Volk ertragen kann, ohne sich dessen bewusst zu werden und womöglich auf die Barrikaden zu gehen. Wenn ein Gastwirt in den von ihm angemieteten Räumen nicht mehr selbst entscheiden darf, ob er seine Gäste rauchen lässt, wenn selbsternannte deutsche „Umweltaktivisten“ (ein Begriff, der wohl auch George Orwell zu einer Geschichte angeregt hätte) unter Zuhilfenahme obskurer EU-Grenzwerte wichtige Hauptverkehrsstraßen für den Automobilverkehr lahmlegen, wenn der 500-Euroschein aus dem Verkehr gezogen wird, um die Geldflüsse der Bürger besser kontrollieren zu können (wobei in diesem Fall dreisterweise die Bekämpfung von Terrorismus und Schwarzgeld als Begründung herhalten muss), wenn es dem Konsumenten nicht mehr gestattet ist, seinen Einkauf in Plastiktüten nach Hause zu tragen, ohne den strafenden Blicken seiner Mitmenschen ausgesetzt zu sein und für die Verschmutzung aller sieben Meere verantwortlich gemacht zu werden, wenn Dieselfahrer als Generalverdächtige für imaginäre Klimakatastrophen am Pranger stehen, wenn im gleichen Atemzug Steuern erhoben werden sollen für Dinge, die wir seit Jahrhunderten produzieren und die einen wichtigen Teil unserer Lebensqualität und unserer Wirtschaftskraft ausmachen, wenn dann auch noch Kinder für obskure Ideologien instrumentalisiert und quasi zum Schule schwänzen gezwungen werden, wenn Universitäten anfangen, unter dem Deckmantel der Gleichberechtigung nur noch Frauen einzustellen, wenn in einer niedersächsischen Stadt in Gutsherrenmanier der Fahrradfetisch zur allgemeinen Maxime der Verkehrspolitik wird und sowohl Fußgänger als auch Autofahrer und ÖPNV-Nutzer zu Verkehrsteilnehmern zweiter Klasse degradiert werden, ohne dafür in irgendeiner Form legitimiert worden zu sein, wenn eine große Mehrheit der Bevölkerung glaubt, dass man bestimmte Dinge in diesem Land nicht mehr sagen darf – dann sind das in meinen Augen die ersten Anzeichen für das Ende der Freiheit, wie die Bürger der Bundesrepublik Deutschland sie bisher kannten. Es bleibt jedem von uns selbst überlassen, ob und wie er sich gegen diese Entwicklung wehrt. Vielleicht ist der schleichende Niedergang der Freiheit einer Mehrzahl der deutschen Bürger auch egal. Was schade wäre.

Aber das ist ja das herausragende Merkmal der Freiheit – dass wir uns selbst überlassen werden und die Möglichkeit erhalten, unser Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Dass wir nicht einem paternalistischen und bevormundenden Staatswesen ausgeliefert sind, das all unsere Schritte steuert und uns die Fähigkeit abspricht, selbständig zu denken und zu handeln. Das unterscheidet die Freiheit von einer Diktatur. Und das macht sie durchaus attraktiv und begehrenswert. Wir sollten uns dessen stets bewusst sein und um ihre Zuneigung kämpfen. Wie bei einem Menschen, dessen Herz wir unbedingt gewinnen wollen.

Ich wünsche allen HASEPOST-Lesern einen schönen Sonntagabend.

Ihr

Justus Möser

Hier alle bislang erschienenen Kolumnen von Justus Möser.


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Justus Möser
Justus Möser
Justus ist unser "ältester Mitarbeiter", seit 1720 wandelt er durch unsere Stadt - wobei er inzwischen eher "geistert". Sein Vertreter in der Gegenwart ist unser Autor Wolfgang Niemeyer, der sich in dieser Kolumne regelmäßig darüber Gedanken macht „was würde Möser dazu meinen“?

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