Mösers Meinung – zum Thema “Resignation und Bürgerwillen”

Guten Abend,

es ist Karnevalszeit! Haben Sie davon schon etwas mitbekommen? Ich nicht.
Wohin ich schaue, sehe ich nur Traurigkeit, Missmut und Resignation. Keine Spur von Aufbruchstimmung, von Zuversicht, von Fröhlichkeit. Deutschland im Jahr 2016 gleicht einer Trauerweide, die einsam auf einem kalten, zugigen Feld steht, von besseren Zeiten träumt und keine Freude mehr am Leben hat. Da kann die Karnevalszeit leider nicht drüber hinwegtäuschen. In Zeiten des globalen Terrors müssen wir ja sowieso damit rechnen, daß die närrischen Umzüge kurzfristig abgesagt werden, daß den Verwaltungsbeamten, die für unsere Sicherheit zuständig sind, im allerletzten Moment die Nerven durchgehen, daß sie unter der angeblichen Last der Verantwortung zusammenbrechen, daß sie keine komplexen Entscheidungen treffen wollen und können. So wie der Rest derjenigen, die dieses Land eigentlich am Laufen halten sollen und doch nur noch am Blockieren und Vertuschen sind. In Osnabrück wird dieses schändliche Verhalten, dieses Versagen der Politik, neuerdings auch noch als pädagogisch wertvoll dargestellt. Als Erziehungsprozess, den die Bürger mitmachen müssen, weil es den weisen Ratsherren und -damen so gefällt. Weil sie für einmal getroffene Entscheidungen, die sich im Nachhinein als falsch erweisen, nicht geradestehen wollen und können. Wenn ich die heutige Riege der Politiker, egal ob auf kommunaler Ebene, im Landtag oder im Bundestag, mit den Volksvertretern früherer Zeiten vergleiche, dann kommen mir die Tränen.

Mösers Meinung Hasepost Osnabrück


Ich möchte nicht den Vergleich heranziehen, daß früher alles besser war. Aber zumindest gab es damals nicht diese permanente Verachtung der öffentlichen Meinung, der Meinungsäußerungen der „einfachen“ Bürger, des sogenannten Bürgerwillens. Heutzutage scheint es die Lieblingsbeschäftigung der Politiker zu sein, sich über den Bürgerwillen hinwegzusetzen, ihn bestenfalls zu ignorieren, ihn schlimmstenfalls zu manipulieren, in Richtungen zu lenken, die dem Bürgerwillen zuwiderlaufen, dem Bürgerwillen im Grunde völlig fremd sind, aber den Regierenden das Regieren leichter machen. Heutzutage scheint jeder doof zu sein, der nicht in irgendwelchen politischen Gremien sitzt oder eine öffentliche Aufgabe hat. Der sich darauf beschränkt, seinem Tagewerk nachzugehen, seine Pflicht gegenüber seiner Familie, seinem Arbeitgeber und durch das Zahlen von Steuern letzten Endes natürlich auch gegenüber dem Staat zu erfüllen. Hier in Deutschland wird mittlerweile von den Bürgern mehr als das erwartet. Man hat sich einzubringen in das große Ganze, man hat sich den Entscheidungen von oben zu fügen, man hat den Mund zu halten, alles toll zu finden und natürlich widerstandslos den Rundfunkbeitrag zu zahlen. Das Denken kann und soll man getrost den großen Parteien und den staatstragenden Medien überlassen. Und wenn man zu dieser Haltung nicht bereit ist, gilt man mittlerweile als „schwierig“, als „extremistisch“, als „unmenschlich“, als „Pack“. Und am Ende wird sich von höchster Stelle aus gewundert, daß unsere Gesellschaft immer mehr auseinanderdriftet, daß kein Zusammenhalt mehr zu erkennen ist, daß jeder nur zusieht, wo er bleibt in diesen schwierigen Zeiten. Keine Aufbruchstimmung, keine Zuversicht, keine Fröhlichkeit. Nirgends! Die einen halten sich nicht an bestehende Gesetze und schließen ohne rechtliche Grundlage Hauptverkehrsstraßen, um ihr verqueres Weltbild der Allgemeinheit aufzuzwingen. Die anderen wollen den guten alten Bargeldverkehr komplett unterbinden und sämtliche Zahlungsbewegungen nur noch elektronisch abwickeln lassen. Was soll das? Will man damit die Bürger von der Flüchtlingskrise ablenken? Wer kommt bloß auf solche Ideen? Was für Weltbilder stecken hinter diesen Verhaltensweisen?

Ich habe mir als politisch tätiger Mensch immer den Grundsatz zu eigen gemacht, daß vor und hinter allen politischen Entscheidungen zuerst der Mensch stehen muß. Mit all seinen Fehlern und Schrullen, mit all seinen Macken, allen Einschränkungen, denen er unterliegt, mit dem ganzen Blödsinn, der unser Menschsein ausmacht. Aber natürlich auch mit all dem Wunderbaren, das uns auszeichnet, mit unserer Begeisterung, unserer Fähigkeit zur Vernunft, zur Klugheit, zu rationalen und kreativem Handeln. Ich betrachte das Menschsein als Grundlage für einen funktionierenden Staat. Aber ich habe immer öfter den Eindruck, daß der Staat das Menschsein mit seinen Nebenwirkungen und Begleiterscheinungen nur noch als lästig empfindet und uns die natürlichen menschlichen Regungen so gut es eben geht abgewöhnen möchte. Auch auf die Gefahr hin, daß ich mich an dieser Stelle wiederhole: wir dürfen uns das nicht gefallen lassen! In den öffentlichen Diskussionen wird in diesen wilden Tagen immer wieder darauf hingewiesen, daß das Grundgesetz der Maßstab für das Zusammenleben in Deutschland ist. Dann sollten sich gerade die, die dieses Grundgesetz in die Praxis umsetzen müssen, auf einen der wichtigsten Punkte in diesem Gesetz zurückbesinnen: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus!“ Das ist ein wunderbarer Satz, den sich jeder mal auf der Zunge zergehen lassen sollte. Und den es gilt, mit Leben und Leidenschaft zu erfüllen. Heute mehr denn je. In diesem Sinne: Osna Helau!

Ich wünsche allen Hasepost-Lesern ein närrisches Wochenende!

Ihr

Justus Möser

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Justus Möser
Justus Möser
Justus ist unser "ältester Mitarbeiter", seit 1720 wandelt er durch unsere Stadt - wobei er inzwischen eher "geistert". Sein Vertreter in der Gegenwart ist unser Autor Wolfgang Niemeyer, der sich in dieser Kolumne regelmäßig darüber Gedanken macht „was würde Möser dazu meinen“?

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