Guten Abend,

wenn ich dieser Tage durch die Straßen meiner Heimatstadt fahre, dann lerne ich viele Ecken kenne, die mir vorher völlig unbekannt waren. Jetzt, wo die Hannoversche Straße zumindest stadtauswärts ebenfalls dichtgemacht worden ist, fange ich an, den Großen Fledderweg zu schätzen und zu lieben. Von der Meller Straße ganz zu schweigen, die bislang in meinem Bewußtsein eher ein Schattendasein geführt hat. Ich finde sowieso, daß der gesamte Schölerberg einer der unterschätztesten Stadtteile von Osnabrück ist, mit so wunderschönen Flecken wie Am Riedenbach oder der Hanns-Braun-Straße, dem Höltyweg oder dem Langenkamp. Und wer braucht noch die schnöde Natruper Straße, wenn er doch hier am anderen Ende der Stadt über die Narupstraße vom Schölerberg durch den Fledder fast bis direkt in den Schinkel gelangen kann?

Es muß wirklich nicht immer die Hannoversche Straße sein, mit ihren gut ausgebauten Fahrspuren und den zahlreichen Gewerbetreibenden rechts und links am Fahrbahnrand. Wie besinnlich ist dagegen eine Fahrt durch die Wohngebiete am südlichen Ende unserer Hasemetropole. Da gibt es so romantische Straßennamen wie „Am Waldzoo“ oder „Am Waldschlößchen“. Der Tapirweg lädt zu ausgedehnten Spaziergängen ein und über die Voxtruper Straße kommt man heutzutage wesentlich schneller zur Autobahn als über die eigentlichen Hauptverkehrsstraßen. Ob die Anwohner des Schölerbergs von dem überraschenden Ansturm frustrierter Autofahrer begeistert sind, lasse ich jetzt mal dahingestellt sein. Ich glaube, daß sie vielleicht sogar ein bißchen Verständnis haben für die verzweifelten Versuche der motorisierten Bevölkerung, in einem erträglichen Zeitrahmen vom Rosenplatz Richtung Osten vorwärts zu kommen. Und es spricht ja überhaupt nichts dagegen, endlich einmal unsere Stadt neu zu entdecken, im wahrsten Sinne des Wortes neue Wege zu beschreiten und nicht immer nur die ausgetretenen Pfade zu benutzen. Wie ich ja generell ein Freund von Innovationen bin. Deshalb war es mir auch ein besonderes Gefühl der Freude, als ich nun entdeckt habe, wieviel Sorgfalt mit einem Male auf die Steigerung der Verkehrssicherheit am Neumarkt gelegt wird. Zwar ist mir nicht ganz klar geworden, warum bestimmte Zonen dieses Symbols für urbane Lebensqualität nach wie vor abgesperrt bleiben, wenn auch nicht mehr mit den häßlichen rot-weißen Gummipollern sondern mit formschönen frischverzinkten Metallgittern. Aber immerhin existiert nun eine einigermaßen synchron geschaltete Ampelanlage, die die Querung des Neumarktes nicht länger zu einem Abenteuer mit ungewissem Ausgang macht. Vielleicht haben sich die städtischen Verkehrsplaner gedacht, daß, wenn schon auf der Hansa- und der Hannoverschen Straße nichts mehr so recht vorangeht, sie den Osnabrücker Bürgern wenigstens nochmal für kurze Zeit auf dem Brennpunkt Neumarkt zeigen möchten, daß es doch noch möglich ist, sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen, um das Leben in Osnabrück auch für die Bürger spürbar zu verbessern. Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Schade nur, daß die eingeleiteten Schritte schon in wenigen Wochen wieder obsolet werden.

Da sich bei der Baustelle „Wöhrl-Haus“ nichts tut, könnte man sich hier doch ein wenig flexibel zeigen und von dem kurz vor der Kommunalwahl im letzten Jahr gefaßten Entschluß, den Neumarkt im Frühjahr endgültig für den individuellen Automobilverkehr zu schließen, wieder abrücken, bis endlich belastbare Fakten auf dem Tisch liegen, die eine Entscheidung von solcher Tragweite auch wirklich nachvollziehbar begründen könnten. Davon kann aber bislang nicht die Rede sein. Was führende Ratsmitglieder nicht davon abhält, stur an der einmal beschlossenen Entscheidung festzuhalten, ohne Rücksicht auf Verluste und gewiß nicht im Sinne der Mehrheit der in Osnabrück lebenden Menschen. Aber manchmal geschehen ja tatsächlich noch Zeichen und Wunder. Wenn die Autofahrer täglich gezwungen werden, neue Wege zu finden, dann dürfte das für Hagedorn, Henning & Co. doch ein leichtes sein, hier mal mit gutem Beispiel voranzuschreiten. Noch ist es nicht zu spät, und angesichts der desolaten Wahlergebnisse für SPD und Grüne bei der letzten Kommunalwahl ist ein Innehalten und eine Neujustierung der politischen Positionen zumindest in dieser Frage durchaus angebracht. Konrad Adenauer sagte mal „Was interessiert mich mein dummes Geschwätz von gestern?!“ Zumindest bei der verfahrenen Situation in Fragen der Neumarktsperrung wünsche ich auch unseren Lokalpolitikern ein Stückchen mehr rheinische Lockerheit. Der brave Bürger würde es ihnen danken. Und um den geht es doch eigentlich! Oder?

Ich wünsche allen HASEPOST-Lesern ein Wochenende, an dem es nichts zu mösern gibt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Ihr

Justus Möser

 

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Illustration unter Verwendung eines Fotos von Archibald Ballantine, Lizenz: Creative Commons Attribution 2.0 Generic