Guten Abend,

ein Trauerspiel ist etwas, was die Geschehnisse um uns herum aufzeichnet, um zu verdeutlichen, welche Dramen sich in unserer unmittelbaren Umgebung abzeichnen. Man kann auch Tragödie dazu sagen.
Viele Autoren haben sich an dieser Form der Dichtkunst versucht, nicht immer ist bei diesen Versuchen etwas Brauchbares herausgekommen. Ein berühmtes Trauerspiel ist der „Faust“ von meinem Zeitgenossen Johann Wolfgang von Goethe. Er beginnt mit dem Zusatz „Der Tragödie erster Teil“. Abgesehen von dem hohen Sprachniveau, daß den Herrn Goethe von jeher auszeichnet, ist die Handlung ebendieses Stückes eher trivial: ein an sich und der Welt verzweifelnder Intellektueller läßt sich auf einen Pakt mit dem Teufel ein, um hinter die Geheimnisse des Lebens zu kommen. Zum Schluß kommt herzlich wenig dabei raus, ein junges Mädchen muß Fausts Wißbegierde mit dem Leben bezahlen und in der Tragödie zweitem Teil versteht der geneigte Leser dann kaum noch, worum es eigentlich geht. Es ist fast schon wie im richtigen Leben, zumindest fast genau wie in der Osnabrücker Lokalpolitik. Auch hier jagt ein Trauerspiel das nächste, wobei die Inhalte zum größten Teil ebenfalls recht trivialer Natur sind. Die handelnden Personen verzweifeln oft an der Wirklichkeit und den Sachzwängen, die es zu bedenken gilt, wenn man für richtige Menschen Politik macht, die tatsächlich nicht immer begreifen wollen, was man selber für das einzig Wahre, Gute und Schöne hält. Da gerät dann auch mal schnell ein unschuldiger Oberbürgermeister in die Schusslinie, dem Parteilichkeit vorgeworfen wird, weil er den Ratschlägen seines Rechtsamtes folgt und nicht alles abnickt, was von ewiger Weisheit erfüllte Weltverbesserer für die ultima ratio halten. Wobei man bei dem ganzen Hickhack auch nicht vergessen sollte, daß der Osnabrücker Oberbürgermeister durchaus einer Partei angehört. Das ist sein gutes Recht, daraus hat er schließlich nie ein Geheimnis gemacht. Und zu guter Letzt ist er wohl auch wegen seiner Parteizugehörigkeit in das Amt des Oberbürgermeisters gewählt worden. Die wahren Ausmaße dieser Realtragödie zeigen sich, wenn von irgendwelchen Ämtern in Hannover die Bedenken des Oberbürgermeisters erhört und bestätigt werden. Warum diese Ämter nun klüger sein sollen als das Osnabrücker Rechtsamt, das mag sich dem gemeinen Bürger zwar nicht so recht erschließen, aber immerhin zeigt sich dadurch, daß gewisse Vorwürfe in Richtung Wolfgang Griesert eher ungerechtfertigt und ausschließlich parteitaktischem Kalkül geschuldet waren. Eine Entschuldigung in dieser Angelegenheit bleibt dann aber von denen, die gerade eben noch vollmundig getönt und polemisiert haben, natürlich aus. Diese Kleingeistigkeit macht eine Osnabrücker Tragödie nahezu perfekt, die uns brave Bürger schon ahnen läßt, auf welche Schlammschlachten wir uns im nahenden Kommunalwahlkampf wohl einzustellen haben.

Eine weitere Osnabrücker Tragödie, die offensichtlich niemals ein Ende finden wird, durfte ich in den letzten Tagen sozusagen live miterleben. Ich befand mich nicht gerade gut gelaunt in den ehrwürdigen und sehr häßlichen Räumlichkeiten des Osnabrücker Amtsgerichtes, wo ich in einer unschönen Angelegenheit, auf die ich an dieser Stelle aber nicht näher eingehen möchte, als Zeuge aussagen sollte. Zwei Räume weiter nahm ebenfalls eine Gerichtsverhandlung ihren Lauf, die allerdings viel mehr Aufmerksamkeit auf sich zog als meine fade Tändelei. Schon rannte ein namhafter Vertreter der lokalen Tageszeitung in den Verhandlungssaal, kurze Zeit später folgte ihm der Stadtbaurat, der allerdings in der ganzen Aufregung zunächst den falschen Saal betrat. Schließlich erschien auch der Eigentümer des ehemaligen Güterbahnhof-Geländes, wie immer akkurat gescheitelt und gekleidet. Angeblich sollte er auf dem umstrittenen Grundstück am alten Güterbahnhof Entsorgungen nicht fachgerecht durchgeführt haben. Das sorgte in der lokalen Tageszeitung für einen Aufschrei der Empörung, nur noch getoppt von dem einige Tage später einsetzenden Entsetzen über die Eröffnung eines türkischen Restaurants auf ebendiesem Grundstück, daß angeblich über keinerlei gültige Baugenehmigung verfügt (was allerdings noch bewiesen werden muss). Ich frage mich bei dieser Tragödie ein ums andere Mal, wer hier der Gute und wer der Böse ist. Meine Sympathien sind dabei, gelinde ausgedrückt, stark am schwanken. Ich halte es aus eigener Erfahrung für höchst bedenklich, wenn sich die Vertreter der Stadt Osnabrück im Inbesitz jener göttlichen Eingebung wähnen, die es ihnen erlaubt, festzulegen, was denn nun rechtens und was höchst verwerflich sei. Nicht nur in Sachen Neumarkt lagen sie da ja kürzlich erst gehörig falsch. Ich möchte an dieser Stelle darauf verzichten, ihnen genüßlich unter die Nase zu reiben, wo das alles auch schon der Fall war. Das ist nun wirklich nicht meine Art. Ich finde, sie sollten sich darum bemühen, auch mit Menschen eine vernünftigen Ausgleich zu finden, die ihnen persönlich oder weltanschaulich höchst zuwider sind. Und der lokalen Tageszeitung stünde es gut an, ein wenig mehr über den Parteien, nicht nur den politischen, zu stehen, und sich ein wenig mehr den Grundsätzen der Objektivität verpflichtet zu fühlen. Ich habe bei den verehrten Kollegen Journalisten zum Beispiel einen Aufschrei vermißt, als eine Politikerin der Grünen, die im südlichen Landkreis höchst aktiv ist, wutentbrannt aus dieser Partei ausgetreten ist, weil sie nicht zur absoluten Spitzenkandidatin gewählt wurde. In diesem Fall wurde von der lokalen Tageszeitung mit Empathie und Einfühlungsvermögen berichtet, es wurde sogar in einem Kommentar jede Menge Verständnis für das Verhalten dieser Politikerin gezeigt. Ich bin entsetzt! Was ist das für ein Demokratieverständnis, wenn die Personen, die uns politisch vertreten, die uns immer wieder vorschreiben, wie wir zu denken und zu handeln haben, wenn diese Personen alle Grundsätze des fairen Umgangs miteinander und des Respekts vor Mehrheitsentscheidungen über Bord werfen und die Brocken hinschmeißen, nur weil ihnen das Stimmverhalten ihrer Parteifreunde nicht gefällt. Das fördert in ganz enormem Maße die Politikverdrossenheit, aber vor dieser Entwicklung verschließt die lokale Tageszeitung gutmeinend die Augen. Hier gilt die alte Weisheit: gut gemeint ist nicht immer gut gemacht! Denkt mal drüber nach, werte Kollegen, wenn ihr demnächst wieder nach dem Aufstand der Anständigen schreit oder ihn zumindest herbeizuschreiben versucht. Wer von uns ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein. Und der darf dann auch mit der Sisyphusarbeit beginnen, die ganzen Trauerspiele um uns herum zu beenden.

Ich wünsche allen Hasepost-Lesern ein Wochenende, an dem es nichts zu kritisieren gibt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Ihr

Justus Möser

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