Guten Abend,

bei gutem Wetter ist die Osnabrücker Innenstadt ein gern besuchtes Ausflugsziel von Menschen aus nah und fern. Nicht nur der Wochenmarkt am Dom zieht jeden Samstag morgen die Massen an, mittlerweile hat sich neben der Großen Straße auch die Redlingerstraße als Treffpunkt etabliert, der durch einen guten Mix aus Gastronomie und spezialisiertem Einzelhandel eine wahre Perle für erlebnishungrige Gäste und Einheimische darstellt.
Nun haben wir zur Zeit leider kein gutes Wetter, und für die kommenden Ostertage ist ein unschöner Mix aus Wolken und Regen angekündigt. Lassen wir uns mal überraschen, vielleicht irren sich die Wetterpropheten ja wenigstens ein bißchen in unserem Sinne.

Am vergangenen Sonntag bot die Innenstadt bei herrlichstem Frühlingswetter ein tolles Bild: Die geöffneten Geschäfte und der Hollandmarkt zogen zahlreiche Besucher aus nah und fern nach Osnabrück. Über Ostern wird die Innenstadt wahrscheinlich wieder ein wenig verwaist aussehen, so wie es den zu Einkaufszonen und Busbahnhöfen degradierten deutschen Innenstädten mittlerweile fast durchgehend zu eigen ist. Leben findet woanders statt, aber eben nicht dort, wo sich früher die Handwerker und Kaufleute trafen, wo man sich mit seinem Nachbarn und seiner Liebsten verabredete, wo ausgiebig gefeiert, getanzt, getrunken und wo am Rande natürlich auch so manches lukrative Geschäft getätigt wurde. Geblieben ist das Geschäfte machen, der Spaß hat ausgedient, ist verbannt worden in die wenigen verbliebenen Gaststätten, die natürlich rauchfrei zu sein haben, in die Fitnessstudios, wo man dafür Sorge zu tragen hat, daß der eigenen Körper den Belastungen des Alltags standhält. Alles muss heutzutage eine gewisse Funktionalität in sich bergen, muss dem Zeitgeist entsprechen, laktose- und glutenfreie Zusätze verwenden und mindestens ein veganes Gericht auf der Speisenkarte anbieten*. Wer sich nicht dem Zeitgeist anpassen möchte, der wird ausgegrenzt, gemieden, als Sonderling tituliert. Was mich an diesem ganzen Theater zunehmend stört, ist die Kurzsichtigkeit, mit der versucht wird, anderen Menschen das eigene Lebensmodell aufzuzwingen.

Als am Mittwochnachmittag plötzlich strömender Regen über Osnabrück hereinbrach, war innerhalb kürzester Zeit kein Radfahrer auf den Straßen mehr zu sehen. Stattdessen nahm der Automobilverkehr spürbar zu, und ich würde wirklich gerne wissen, wieviel ansonsten hundertprozentig überzeugte Radfahrer sich aufgrund der äußeren Umstände wieder an das Steuer ihres PKW gesetzt haben. Und damit zum wiederholten Male gegen ihre eigene Überzeugung handeln. Aber das merkt ja zum Glück niemand so schnell. In der Öffentlichkeit treten diese Leute dann natürlich mit Vorliebe in wohltemperierten Sitzungssälen für eine autofreie Innenstadt ein. Dort wird kein Wort mehr darüber verloren, daß eine Reihe von ökologisch unbedenklichen Verkehrsmitteln nicht allwettertauglich ist, daß diese Verkehrsmittel für alte oder behinderte Menschen ungeeignet sind und daß in einer freien Gesellschaft die Wahl des Fortbewegungsmittels jedem Bürger selbst überlassen werden sollte. Es findet ein Hauen und Stechen statt, daß jedem Kindergarten zur Ehre gereichen würde. Und alles ohne Nutzung unseres naturgegebenen gesunden Menschenverstandes, nur unter Hinzuziehung der persönlichen Vorlieben und Überzeugungen. Daß dabei nichts Vernünftiges herauskommen kann, liegt auf der Hand, wird aber von zahlreichen Interessengruppen gerade in Osnabrück beharrlich geleugnet. Achten Sie, verehrte Leser, mal drauf, wenn sie bei schlechtem Wetter durch die Innenstadt fahren: da stößt auch die hammerhärteste Ideologie an ihre Grenzen und muß den schnöden Tatsachen weichen, auch wenn diese nur aus beharrlichen Regenfällen bestehen. Trotzdem hoffe ich natürlich in unser aller Interesse, daß es zu Ostern einigermaßen trocken bleibt. Denn ich hege durchaus eine gewisse Sympathie für schönes Wetter. Und sei es nur, um in die glücklichen Gesichter der Osnabrücker Radfahrer schauen zu können. Die allerdings daran denken sollten, in der Dunkelheit für ausreichende Beleuchtung an ihren Gefährten zu sorgen. Schon im eigenen Interesse. Denn in Sachen Knautschzone sind Ihnen die Autofahrer immer noch ein Stück weit voraus. 

Ich wünsche allen HASEPOST-Lesern ein Osterwochenende, an dem es nichts zu mösern gibt. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

Ihr

Justus Möser

Hier alle bislang erschienenen Kolumnen von Justus Möser.


*in dieser Aufzählung waren ursprünglich auch “behindertengerechte Zuwegungen” aufgeführt. “Unser Justus” bittet um Entschuldigung für dieses hier deutlich fehlplatzierte Beispiel für Dinge, die heutzutage beachtet werden – Zeitgeist hin oder her. Besucher einer Gaststätte können selbst aussuchen und entscheiden, ob sie ein Restaurant mit veganen Speisen auf der Karte bevorzugen oder Rauchfreiheit im Schankraum wollen. Bei der Barrierefreiheit, die eine wichtige Errungenschaft ist, sieht das bei den Betroffenen ganz anders aus, daher passte dieses Beispiel hier ganz und gar nicht. Vielen Dank an die Leser, die uns auf diesen Fauxpas aufmerksam gemacht haben!