“Mein VAU-EFF-ELL!”: Heiko Schulze – Woanders sind nur Doppelte …

“Mein VAU-EFF-ELL!”
Bis der Ball wieder rollt, wird aus dem Buch “Mein VAU-EFF-ELL” jeden Samstag um 13.00 Uhr bis zum Wiederanpfiff eine Geschichte in der HASEPOST erscheinen, verbunden mit einer vom jeweiligen Autor vorgetragenen Podcast-Lesung.
“Mein VAU-EFF-ELL!” ist bei Bücher Wenner in Osnabrück für nur 10,00 € als Sonderdruck erhältlich.

Hier zu allen bereits online erschienen Folgen, inklusive Podcast.

Heiko Schulze – Woanders sind nur Doppelte …

Mein VAU-EFF-ELL???

Mein Vau-Eff-Ell!? Der Titel lässt mich abgrundtief verzweifeln. Denn Fußball kenne ich nur als Massenerlebnis. Es ist kollektiv und solidarisch. Vor meinem inneren Augen sehe ich es: Spannendes, aufregendes, langweiliges oder schiere Wut erzeugendes Geschehen im großen, wahrhaft ‚einmaligen‘ Rund der Bremer Brücke. Alles erlebt im absoluten ‚Wir‘-Gefühl. Nach dem Motto „Wisst ihr noch, wir damals …“. „Unser Vau-Eff-Ell!“ eben. Aber ‚mein‘ VfL? Nee! Nicht wirklich, oder?
Ich könnte jetzt irgendwie großkotzig und langweilig ausführen, mit welcher lila-weißen Berühmtheit ich mal Augenblicke des Handabklatschens, kurze Floskeln oder sogar längere Gespräche verbracht habe. Von wem ich gar die Handynummer besitze. Oder mit wem ich irgendetwas und danach wie gemeinsam organisiert habe.
All dies wäre also ‚Mein‘, also der ganz individuelle ‚Heiko-Vau-Eff-Ell‘. Na ja. Ich fürchte, ein ‚Gähnen‘ wäre die Folge. Mit Recht! Denn wirklich interessieren dürfte das weder die berühmte Sau noch einen toten Sheriff.
Wie fange ich es also an, jenen waghalsigen Versuch, vom ‚Wir‘ trotzdem zum ‚Ich‘ zu gelangen? Alles natürlich nur, um am Ende trotzdem wieder im ‚Wir‘ zu landen, um allgemein verstanden zu werden. Vielleicht beginne ich deshalb mal mit kleinen Anekdoten, in denen ich jenes eigenartige ‚Wir‘ erlebt habe, das wir im Grunde weder sehen, tasten, riechen noch schmecken können.

Ein Album schmäht die ‚Doppelten‘

Ob man es mir glaubt oder nicht: Am Ende führen solche Ausgangsfragen zu einem Papierbündel, dessen hohe Bedeutung mir im Grunde erst beim Schreiben dieser Zeilen klar geworden ist. Denn angefangen hat bei mir alles mit dem legendären Bergmann-Fußballalbum gegen Mitte der 60er Jahre …
Wie fange ich diese eigenartige Geschichte an?
Klar!
Zeitreise.
Schauplatz Ratsgymnasium: trister Flur vor dem Bio-Raum, irgendwie um 1966 herum.
„Ach, VfL … diese Pullen!“, grölt einer aus meiner Klasse. Eine kleine Gruppe ist gerade dabei, bunte Spielerfotos für ein dickes Bundesliga-Sammelalbum zu tauschen. Diese Bergmann-Publikation gilt als Qualitätsprodukt.
Ich geselle mich also genervt dazu. Irgendjemand hat soeben voller Stolz seinen ‚doppelten‘ Lothar Emmerich gegen das Konterfei von Radi Radenković erstanden. Alle anderen haben nur noch ,Doppelte‘ und erzeugen Sammlerfrust.
VfL? Von dem gibt es ‚natürlich‘ weder Einzelstücke noch ‚Doppelte‘. Denn die Lila-Weißen tauchen damals in keinem einzigen Sammelalbum auf. Sonst hätte man gerechterweise ja auch bunte Pappkärtchen der anderen Nord-Regionalligisten wie Barmbek Uhlenhorst, Sperber Hamburg oder Bremerhaven 93 unters Sammlervolk bringen müssen. Oder gar solche von Schweinfurt 05 aus der Regionalliga Süd. Und wer hätte schon Kärtchen aus der Regionalliga Berlin gesammelt mit dramatisch interessanten Abbildungen von den Reinickendorfer Füchsen?
Bei den ‚Doppelten‘ aus Bundesliga-Teams kann ich mitreden. Denn die besitze auch ich zur Genüge. Mir fehlte gerade Günter Sawitzki, wie ein Opa aussehender Keeper vom VfB Stuttgart, abgebildet mit riesiger Schirmmütze. Den hat aber keiner doppelt. Immer wieder diese beschissenen ‚Doppelten‘, die kein Mensch tauschen will.

Die (noch) fremde Tristesse

Da diese ‚Doppelten‘ jetzt ausschließlich pure Langeweile produzieren, wird der VfL Osnabrück plötzlich aus reiner Verzweiflung zum Ersatzthema.
Voller Häme unterhalten sich meine Tauschpartner über ein grandioses 0:9, das die Lila-Weißen soeben am Millerntor durch pausenlos treffende Paulianer eingefahren haben. Der VfL bestritt das winterlich anmutende Spiel allerdings gänzlich in tristem Weiß. Soweit ich mich entsinne, lief dieses Gruselspiel sogar abends in der Spätausgabe der Tagesschau. Natürlich kurz vor dem Bericht, der noch mehr schlechtes Wetter prophezeite.
Von heute aus betrachtet: Das ganze Bild schien zu stimmen. Lila-Weiß mutete an wie die Tristesse schlechthin! Das blieb selbst mir nicht verborgen: Wenn ich zuweilen am späten Sonntagnachmittag gelangweilt aus dem Wohnzimmerfenster meiner Oma auf die die Alte Poststraße guckte, wurde diese Tristesse durch seltsam anmutende Menschen verkörpert: Ganze Heerscharen griesgrämig dreinschauender Gäste der Bremer Brücke, fast nur Männer, schlurften zu Fuß nach Hause oder, was wohl angebrachter war, in die nächste Kneipe.
Offenbar hatten alle wieder einmal ein Drama der ganz besonderen Art erlebt.
Sieger sehen jedenfalls anders aus.
Hinter dem Fenster höre ich noch heute meine Oma schwadronieren. Sie schwärmte von einem längst verblichenen Jüttgen Dallmeyer, von einem pausenlos Tore schießenden Walter Seeger oder einem gewissen Addi Vetter.
Omas eigene Vetter waren andere, denn die hatten, wie sie mir wortreich immer wieder erzählt, dereinst, und zwar vor dem 1. Weltkrieg, bei den ‚Olympen‘ gekickt – einem Vorläufer des VfL. Ansonsten verstehe ich nur Bahnhof. Denn Fußball kenne ich ja nur vom Sammeln – und vom Ärger über die verfluchten ‚Doppelten‘.

Mein Urspiel

Irgendwann ist es dann soweit: Papa fragt an einem Sommertag, ob ich mit zur Bremer Brücke will. Naja, ich habe eh nichts Besonderes vor. VfL-Gegner ist immerhin der Vorjahrsmeister Werder Bremen.
„Ist nur ein Freundschaftsspiel“, erzählt mein Vater, dann zahlt er an der Kasse und wir werden dezent wie bescheiden weiter geschoben.
Mit unverändert mürrisch wirkenden Zuschauern stakse ich über einen matschigen Weg hoch zu einer aus zusammengeschobenen Erdmassen bestehenden, ewig langen und ziemlich hohen Riesentreppe, die Ortskundige als ‚Südgerade‘ bezeichnen.
Das Publikum im Rund ist überschaubar und wirkt auf den Stufen des Stehplatz-Stadions irgendwie verloren. Auf den ersten Blick vermute im VIVIL-Schriftzug auf den verschmutzten Werbebanden den Namen ‚VfL‘, dabei ist, wie ich mich entsinne, VIVIL eine Pfefferminzmarke zum Lutschen und Runterschlucken und für wunderbar duftenden Atem.
Nur wenige eingefleischte Besucher lassen zuweilen ein lautes „Vau-Eff-Ell!“ ertönen. Lecker ist die weithin wohlriechende, soeben spendierte Bratwurst mit Senf und pappigem Brötchen.
Der VfL schlägt sich sogar ganz achtbar und verliert nur knapp mit 0:2. Mit Genugtuung stelle ich fest, dass die komplett lila aufgelaufenen Spieler ihre grün-weißen Gegner recht häufig stoppen, oft sogar umdribbeln können.
Irgendwie merke ich aber, dass mich die beiden Werder-Tore mächtig geärgert haben. Ich wundere mich über mich selbst. Offenbar ist mir das Abschneiden der heimischen Elf nicht völlig egal … ein Tor für uns wäre doch wirklich verdient gewesen!
Mist aber auch!
Dass das alles der Beginn einer Art Liebe ist, kommt mir an diesem Tag überhaupt nicht in den Sinn.
Und die Werder-Spieler? Die kenne ich merkwürdigerweise sogar besser als die vom VfL. Die Grün-Weißen habe ich nämlich vollständig in meinem Fußballalbum. Wann immer ich neue Tütchen mit Kicker-Bildern kaufe und gespannt öffne, sind die von Werder allesamt nur ‚Doppelte‘, die ich enttäuscht wieder wegpacke. Null acht fünfzehn also.

Vom Niemandsland zum Himmelssturm

Details einer langen Geschichte erzeugen Langeweile. Ein Zeitraffer der Folgejahre ist darum besser:
Ich werde also langsam Stammgast an der Brücke. Jahrelang dümpelt das Team im Niemandsland, kickt häufig vor nur 1.000 bis 3.000 Zuschauern, erringt aber immerhin jeweils siebte Plätze – bis ein Wunder geschieht.
Und diese Wende nun aber mal in gemächlicher Zeitlupe: Man schreibt den Sommer 1968.
Saisonauftakt.
Ich selbst hatte mit wenig Sachkenntnis kurz vor der Saison noch auf drohenden Abstiegskampf getippt, als ich die vom unbekannten Jugoslawen Radoslaw Momirski trainierte Mannschaft mit Ach und Krach hauchdünn 2:1 beim Bezirksklasse-Club VfL Kloster Oesede gewinnen sehe.
Und der Gegner des heutigen Auftaktspiels heißt auch noch Göttingen 05, seines Zeichens amtierender Vizemeister der Regionalliga Nord. Als solcher war er immerhin Teilnehmer an der letzten Bundesliga-Aufstiegsrunde. Gewandet ist das Team in jenem, großen Respekt einflößendes Schwarz-Gelb, das ich bisher nur von den berühmten Dortmunder Borussen kenne.
Und dann? Ein Wunder geschieht! Acht Tore hauen die Lila-Weißen dem armen Göttinger Torwart Dube in die Maschen. Das Stadionvolk kommt aus dem Jubeln nicht mehr heraus.
Und ich?
Ich denke bis heute: An jenem Tag wurde meine Liebe zum VfL endgültig erweckt. Doppelt, drei- und vierfach sind hier höchstens die Tore, die ein Wolfgang Kaniber am Fließband schießt.
Hier an der Bremer Brücke spielt eben nur ein einziges Original! Zu Hause klebe ich jeden Spielbericht fein säuberlich in ein selbstgefertigtes Album. Keines dieser vorgedruckten Sammelbücher von Bergmann für vorgestanzte Massenfotos. Mein Werk ist eines für mich selbst. Original eben!

Ein Verein – so, wie die Stadt eben!

Zeitlupe aus! Holen wir wieder den Zeitraffer hervor und stellen auf Stichwort-Modus: Siegesserien, Torrekorde, Helden wie Kaniber, Baumann, Mumme, Schröder oder ‚Pflanzer‘ Burose.
Am Ende jener goldenen Jahre notieren wir drei Nord- und zwei Vizemeisterschaften. Dadurch spielt der Verein gleich fünfmal in der Bundesliga-Aufstiegsrunde, ohne allerdings das damit verbundene Ziel auch nur ein einziges Mal zu erreichen.
Aber ist nicht auch das bis heute so typisch für den VfL? Immer wieder Traumstunden, aber nie die ganz großen Triumphe? Ähnlich wie die Stadt Osnabrück: Schrecklich nett und vielfältig, sympathisch, menschlich und ansehnlich. Aber niemals Weltstadt oder Anlaufstelle wahrer Touristenmassen. Dennoch ein Ort des Wohlfühlens, den zumindest ich niemals in diesem Leben mehr dauerhaft verlassen möchte.      Der ‚unperfekte‘ VfL gehört dabei zum Erbgut.
Egal: Der Zuschauerschnitt der ‚goldenen‘ spätsechziger und siebziger Jahre beträgt bis zu 15.000. Manchmal ist sogar volle Hütte mit über 30.000 Zuschauern angesagt. Weit größere Städte als Osnabrück können derartige Zahlen – im Verhältnis zur Einwohnerzahl – nirgendwo vorweisen. Zahllose Osnabrücker Stadiongäste erscheinen als wie blöd infizierte Fans. Zu jener Zeit firmieren sie noch zumeist als ‚Schlachtenbummler‘. Auswärtsfahrten kommen auch in meiner Familie in Mode.
Der Virus hat auch meinen persönlichen Spieltrieb geweckt, ebenfalls wie vollkommen blöd: Lila-weiß pinsele ich meine Tipp-Kick-Spieler an, hänge mir einen VfL-Wimpel über das Bett, auf dem Tonband meines Vaters produziere ich Live-Reportagen spannender Spiel-Utopien und kritzle unablässig das VfL-Logo auf meine Ringbuchseiten, wann immer mir der Unterricht zu eintönig erscheint.
Bei eher untalentierten Versuchen, selbst zu kicken, ahme ich lila-weiße Balltreter nach. Und wenn ich, was selten vorkommt, tatsächlich Tore schieße, bilde ich mir ein, daraus würde hinterher ein kurzer VfL-Kicker-Bericht entstehen. Hinter dem 2:0 und 3:0 würde dann, so mein Tagtraum, ein gewisser Heiko Schulze als Torschütze stehen.
Wann immer ich am Sonntagabend die Sportschau mit Ernst Huberty oder Addi Furler gucke, kommen zwar selten TV-Berichte, aber zumindest Spielergebnisse und Tabellenstände der zweitklassigen Regionalliga Nord. Dabei wird jedes Mal ein Begriff namens ‚Osnabrück‘ verlesen. Ich höre das irgendwie gern, obwohl ich mir seinerzeit wohl nie Gedanken über eine vermeintliche Heimatliebe gemacht habe. Aber auch diese Stadt ist, wie oben bereits erläutert, eben nicht ‚doppelt‘ vorhanden.
Und der VfL? Kurze Zeit später Gründungsmitglied der 2. Bundesliga. ‚Wir‘ und ‚ich‘ erleben prächtige, manchmal auch gruselige Spiele.

Liebe in der Tiefkühltruhe

Dann allerdings ereilen mich irgendwann auch jene unseligen Piepenbrock-Jahre, die meine Liebe für einige Zeit in einer Tiefkühltruhe deponieren. Eine Mannschaft, die mit dem Firmen-Logo des eigenen Präsidenten aufläuft, der nach Willkür Trainer und Spieler wechselt, dessen Name später sogar das Stadion tragen soll, dieses Team wird mir fremd. Ich besuche die Bremer Brücke nur noch selten, allenfalls die Spielergebnisse und Tabellenstände registriere ich Woche für Woche. Immerhin.
Sechs Jahre lang lebe ich berufsbedingt in Gelsenkirchen. Trotz unendlicher Lockungen und etlicher Freikarten-Angebote bringe ich es dort nie zum Schalke-Fan. Wehmut kommt auf. Als der VfL im Parkstadion spielt und dabei sogar 2:0 siegt, komme ich mir wie der einzige im Umfeld vor, der aufsteht und nach dem Schlusspfiff beherzt jubelt. Meine Gelsenkirchener Umgebung ist entsetzt. Und ich habe 90 Minuten erfolgreich mein Heimweh kompensiert.
Dann geht es irgendwann zurück in diese Heimat. Den Abstieg in die dritte Liga vernehme ich hauptsächlich aus der Zeitung.

Uwes Augen der Erweckung

Gelangweilt gebe ich in den frühen 90ern dann aber doch meinen kleinen Söhnen nach. Sie wollen mit mir unbedingt zum VfL! Triste Regionalliga Nord, dritte Liga, Niemandsland. Schon wieder!
Als ich in der Westkurve eifrig damit beschäftigt bin, meine Nachfahren mit Schokoriegeln zu versorgen, passiert es: Die wiedererweckte Liebe erwacht, als ich in zwei feucht aussehende Augen blicke.
Sie gehören Keeper Uwe Brunn.
Der wiederum starrt mit seinen geheimnisvollen Sehwerkzeugen vor allem die anrückenden Stürmer der gegnerischen Mannschaft an. Uwe guckt dabei so unsagbar traurig, dass ich höllische Wut auf jeden verfluchten Goalgetter bekomme, der es wagt, diesem melancholisch dreinschauenden Torwächter den Ball ins Netz zu pfeffern.
Und dann dieses Fäuste-Recken unseres Schlussmanns – parallel zu den traurigen Augen! Alles Angesicht zu Angesicht mit den fiebernden Fans. Allein dieser Augenblick lohnt für mich jahrelang den Weg ins Stadion. Uwe schafft es, mit dieser unglaublichen Geste jedes Mal ziemlich erfolgreich, das gesamte Publikum für das Spiel zu hypnotisieren.
Und mich erst!
Nebenher: Keine Angst, nach dem Spiel pflege ich mein für knapp zwei Stunden vernebeltes Gehirn durchaus wieder einzuschalten. Aber die beiden Stunden liebe ich einfach. Und warum? Eben: Sie sind immer wieder einmalig und niemals ‚doppelt‘!
Und dann, nach endlosen Jahren, am 1. Juni 2000 jenes Erlebnis, das mich noch heute innerlich erschauern lässt: Elfmeterschießen gegen Union Berlin! Letzter Elfer! Uwe schaltet seine traurigen Augen dieses Mal ein, um selbst auf das gegnerische Gehäuse zu schießen.
Und er trifft! Der VfL ist nach sieben Jahren der Provinz-Tristesse wieder in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Alle rennen ins Stadioninnere. Wildfremde fallen mir um den Hals, ich anderen.
An ein Fußballalbum denke ich in dieser Situation zu keiner Sekunde. Zumal hier absolut kein ‚doppelter‘ Spieler herumirrt, sondern, in jeder Sekunde, ausschließlich Originale.

Einmalig statt doppeldeutig

Weitere Szenen aus 15 Folgejahren könnten leicht dieses ganze Buch füllen: Szenen mit lila-weißen Fahnen, dröhnend mitgesungener Vereinshymne, hochgehaltenen Schals, Wut oder Stirnrunzeln, der Chor ‚Wir sind die Osnabrücker‘, mit dem ich mich plötzlich allein trällernd unter der eigenen Dusche erwische.
Und wirklich und ganz ehrlich: Das Publikum ist meiner Seele durchgängig näher als alle Kicker, die hier nur einen Zwischenstopp eingelegt haben. Denn ich weiß ja: Legionäre gehen, Fans bleiben. Klar: Mitten dazwischen ereignet sich zuweilen ein internes Vereinsgeschehen, das zuweilen Wut macht, mir graue Haare ins Haupthaar treibt und vor allem meinen Bart weißelt.
Niemals verkraftet habe ich das Ende meiner alten ‚Nord‘, in der ich Jahrzehnte gestanden, vertraute Leute gefunden und Höhen wie Tiefen erlebt habe. Seither irre ich etwas unbeheimatet umher – doch die Hoffnung, irgendwann wieder in irgendeinem Winkel heimisch zu werden, stirbt zuletzt.
Die Chronik verzeichnet bis heute trotzdem jubelnde Aufstiege, tieftraurige Abstiege, vor allem das beständige Zittern mit der ewigen Frage: Warum tue ich mir das eigentlich alles an? Es muss schon Liebe sein … oder?
Vielleicht auch etwas, dessen Bezeichnung noch gar nicht erfunden wurde? Dabei geht es immerhin, das weiß ich bestimmt, um etwas Einmaliges und überhaupt nichts Doppeltes. Fragen über Fragen also, die irgendwann auf eine Antwort warten. Was soll ich also bis dahin tun? Ich benutze einfach weiter jene niemals doppeldeutige Wendung, die ich anfangs unbedingt vermeiden wollte: ‚Unser‘ Verein ist eben auch ‚mein‘ ganz persönlicher Vau-Eff-Ell!

"Mein VAU-EFF-ELL!": Heiko Schulze - Woanders sind nur Doppelte ...
Foto: René Kemna
Heiko Schulze
* 21,07.1954 in Osnabrück
Lehrbeauftragter an der örtlichen Hochschule
Autor lokalgeschichtlicher Romane und Publikationen

 

 

 

 

 


"Mein VAU-EFF-ELL!": Heiko Schulze - Woanders sind nur Doppelte ...

 “Mein VAU-EFF-ELL” – ein VfL-Lesebuch
288 Seiten
Verlag Internationaler Heimatabend
erhältlich für 10,00 € bei Bücher Wenner
Lieferung auch in Corona-Zeiten oft noch am selben Tag

 


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Kalla Wefel
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