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Wer beim abendlichen Flanieren durch die Osnabrücker Altstadt auf die Häuserwände und Fassaden achtet, wird ab dem 28. November viele Projektionen von Arbeiten internationaler Künstler zu sehen bekommen. Denn auch in diesem Jahr findet die Outdoor-Videokunst-Ausstellung “Lichte Momente” statt. Bedacht werden müssen dabei die aktuellen Hygienevorschriften.
Vom 28. November bis 31. Dezember kann das Publikum beim Flanieren täglich zwischen 17 und 22 Uhr die Arbeiten international tätiger Künstler/-innen sehen. Mit dem diesjährigen Motto „Body Hacking“ stellen die Künstler Filip Ćustić, Eva Papamargariti, Stine Deja und Younghee Shin ein viel diskutiertes Thema in den Mittelbunkt ihrer künstlerischen Auseinandersetzung. In ihren Videoarbeiten nähern sie sich ihm auf ernsthafte, poetische, ironische oder humorvolle Weise. Begleitung bei einem Ausstellungsrundgang bietet ein Audioguide, der beispielsweise über ein Smartphone abrufbar ist.
„Alltag in diesem Jahr auf den Kopf gestellt”
Lichte Momente ist ein Projekt des European Media Art Festival (EMAF). Kuratiert wird es von den Osnabrücker Künstler/-innen Joran Yonis und Monika Witte. Die von ihnen ausgewählten Arbeiten beschäftigen sich mit der Optimierung von menschlichen Körpern mittels technischer und virtueller Modifikationen. Durch die Einnahme von chemischen Substanzen oder durch das Einpflanzen von RFID-Chips optimieren Bodyhacker ihre Körper und führen so alle normativen Kategorien ad absurdum. In der aktuellen Lebenswirklichkeit gewinnt diese Thematik noch an Relevanz, meint Joran Yonis: „Unser Alltag wurde in diesem Jahr auf den Kopf gestellt. Digitale Räume, virtuelle Begegnungen und technische Neuerungen nehmen darin großen Raum ein. Auch die Beschäftigung mit körperlichen Veränderungen und pharmazeutischen Entwicklungen hat weltweit an Dringlichkeit gewonnen. Die ästhetischen Auseinandersetzungen der diesjährigen Künstler/-innen geschahen zwar nicht aufgrund der aktuellen Lage, aber unsere derzeitige Realität lässt ihre Arbeiten noch brisanter erscheinen.“
Vor allem in den Generationen der jüngeren Kreativen erlangt die aus dem Body Hacking resultierende Thematik der Posthuman Bodies zunehmend an Bedeutung – nicht allein in der ästhetischen Reflexion, sondern auch in der Praxis: Sogenannte Cyborg-Künstler/-innen gestalten ihren Arbeitsalltag mit der Unterstützung von Prothesen. Computerspielästhetik, Internetart und Virtual Reality werden in das künstlerische Schaffen einbezogen. Monika Witte und Joran Yonis wollen Jugendliche und junge Erwachsene für diese neuen Kunstformen begeistern und sie mit ihnen reflektieren.
Workshops entwickeln zusätzliche Funktionen für den Körper
Im Rahmen von Lichte Momente 2020 haben sie deshalb unter dem Titel „Was ist ein Cyborg?“ zwei Workshops angeboten, die dank der Förderung der Felicitas und Werner Egerland Stiftung realisiert werden konnten. Einer davon wurde in einer Sprachförderklasse des Berufsschulzentrums am Westerberg durchgeführt, der andere richtete sich als offenes, online-angeleitetes Angebot an interessierte junge Menschen im Alter von 14 bis 25 Jahren. Bei den Workshops wurden „Prothesen“ entwickelt und gestaltet, die dem Körper zusätzliche Funktionen verschaffen und versprechen, ihn zu optimieren. Anschließend wurden Performances entwickelt und filmisch dokumentiert. Zusammengeschnitten werden sie als Position der Outdoor-Videokunst-Ausstellung präsentiert.
Vielfältige künstlerische Ausdrucksformen
Dr. Johannes Dälken, Vorsitzender der Felicitas und Werner Egerland Stiftung, schätzt an dem Workshop-Programm, dass es den Teilnehmenden vielfältige künstlerische Ausdrucksformen vermittelt: „Ich finde es spannend, dass die Jugendlichen sowohl auf haptischer als auch auf digitaler Ebene künstlerische Erfahrungen machen, sie einen Ausdruck in produzierenden wie performativen Elementen finden, und all dies in ein Kunstwerk einfließt, das einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird.“
Abstandsregeln gelten auch bei “Lichte Momente”
Monika Witte freut sich in diesem Jahr besonders darüber, dass Lichte Momente stattfinden kann: „In einem Jahr voller Einschränkungen, auch im musealen Bereich, gewinnt diese Darstellungsform an Relevanz. Wir laden unser Publikum ein, die eigenen vier Wände zu verlassen und sich beim Spazieren in der Osnabrücker Altstadt Videokunst anzuschauen – natürlich unter Einhaltung des gebührenden Abstands. Es macht uns froh, dass mit ‚Lichte Momente: Body Hacking‘ in dieser herausfordernden Zeit ein künstlerisches Kommentieren unserer Lebensrealität möglich ist.“
Führungen können coronabedingt vorerst nicht stattfinden, Besucher/-innen sind verpflichtet, die zum Zeitpunkt ihres Besuchs geltenden Corona-bedingten Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten. Weitere Informationen finden sich auf der Homepage.
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