Die HASEPOST veröffentlicht gelegentlich Leserbriefe, wie diesen hier. Wir können leider nicht jeden Leserbrief veröffentlichen, freuen uns aber über jede Zuschrift, die ein Anstoß für weitere Recherchen sein kann. Die Autoren der Leserbriefe sind der Redaktion immer bekannt, auch wenn – auf Wunsch der Verfasser – der Name nicht genannt wird. Über Zuschriften per Mail freuen wir uns sehr!
Der unten ungekürzt wiedergegebene Leserbrief hat eine Vorgeschichte. Er entstand im Zuge eines Versuchs, am Rande einer Gegendemonstration gegen einen Infostand der AfD vor dem Osnabrücker Haarmannsbrunnen, in Dialog zu treten.
HASEPOST-Herausgeber Heiko Pohlmann dokumentierte am 1. Februar mit der Kamera beide Seiten für einen möglichen Artikel über den laufenden Wahlkampf.
Von Seiten der Gegendemonstranten wurde er namentlich beleidigt und es wurden Mittelfinger gezeigt. Auf diese Weise „angesprochen“, suchte Heiko Pohlmann den Dialog. Eine Herausforderung, da offenbar unterschiedliche Ansichten darüber bestehen, was die Presse darf (zum Beispiel Demonstrierende auch ungefragt fotografieren) und was man als Mitmensch nicht darf (zum Beispiel strafrechtlich relevante Beleidigungen aussprechen), die in Gebrüll und weiteren gereckten Mittelfingern gipfelte.
Doch es gibt „solche und solche“. Mit einigen Mitgliedern der „Omas gegen Rechts“ kam es zu einem Gespräch. Dem Wunsch, kurz zu erklären, was an der Berichterstattung der HASEPOST denn nun tatsächlich zu bemängeln sei, konnte – obwohl man sich Minuten vorher noch deutlich positionierte – nicht entsprochen werden. Man wusste es schlicht nicht, war sich der Gruppenmeinung jedoch sehr sicher.
Am Ende blieb die Einladung, einen Leserbrief zu schreiben, den wir hier gerne veröffentlichen:
Ein Leserbrief von Stefan Spindelboeck
‚Warum bin ich offensichtlich nicht wohlgelitten außerhalb meiner treuen Leserschaft?‘
Diese Frage ist recht einfach zu beantworten, Herr Pohlmann (Achtung – dieser Leserbrief verwendet entgegen Ihrer Hasepost „zur besseren Lesbarkeit“ nicht das generische Maskulinum, um alle Leser*innen einzubeziehen, also inklusiv zu sein):
Schon Redaktionspraktikant*innen lernen in ihrer ersten Woche: Wenn sie einen Bericht oder eine Meldung schreiben, hat ihre persönliche Meinung in dem Text nichts zu suchen. Das fängt bei der Sprache an. Selbst einzelne Wörter wie „sogar“, „laut“, „zufolge“oder „leider“ geben die Einstellung Verfassender preis und werden von guten Redakteur*innen konsequent wegredigiert. Bestimmt wissen Sie um diesen Umstand und veröffentlichen daher gerne „Kommentare“, bei denen diese Handhabung nicht nötig ist, da es sich nur um die Meinung der schreibenden Person handelt. Nach Nietzsche ist glattes Eis ein Paradeis für den, der gut zu tanzen weiß; ob nun Sie ein guter Tänzer sind, wage ich kaum zu bewerten, jedoch haben Sie es geschafft, sich durch die Veröffentlichung Ihrer Meinungen zu diesem und jenem einer Zuordnung nicht mehr entziehen zu können. Es scheint, dass alles, was nicht konservativ ist, ungern in der Hasepost gesehen wird – seien es so großartige Errungenschaften wie Gewerkschaften oder – unsere Vergangenheit betrachtend – notwendiger Widerstand gegenüber allem, was rechtsextrem oder für die eigenen Belange Rechtsextreme nutzend, ist. Und dann auch noch Werbung der AfD platzieren… ist das wirklich nötig? Es ist erstaunlich, dass Sie sich wundern, wenn Sie nicht mit offenen Armen empfangen werden, sollten Sie sich nicht in Ihrer Bubble bewegen. Vielleicht hilft dieser Leserbrief, Ihr Unverständnis (das ich Ihnen im Grunde genommen nicht abnehme – Sie kokettieren!) aus der Welt zu schaffen…
Wenn ich mich recht entsinne (und geben Sie Laut, sollte ich mich irren), meinten Sie in unserem kurzen Gespräch, Sie seien ein Anhänger von Traditionen; ich befürchte allerdings, dass Tradition nur die Illusion von Permanenz ist.
Heinrich Heine sagte einmal: „Ein Kluger bemerkt alles. Ein Dummer macht über alles eine Bemerkung.“ Denken Sie darüber doch mal nach! In diesem Sinne verbleibe ich.
Last, not least: In dem oben erwähnten Gespräch ging es nicht um „Traditionen“, sondern darum, dass sich der Herausgeber der HASEPOST im positiven Sinne selbst als „liberal“ und „konservativ“ versteht – was sicherlich nicht für alle Mitarbeiter der Redaktion gilt. Letztlich ist das eine persönliche Angelegenheit, die jeder für sich selbst ausmachen kann. Ohne eine Vielfalt der Meinungen funktioniert eine Redaktion genauso wenig wie unsere Gesellschaft, meint Heiko Pohlmann, der sich auch in Zukunft mehr über Gespräche als über gestreckte Mittelfinger freut.

Grundsätzlich ist abschließend auch noch anzumerken, dass der Pressekodex (Richtlinie 1.2) festlegt: „Zur wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit gehört, dass die Presse in der Wahlkampfberichterstattung auch über Auffassungen berichtet, die sie selbst nicht teilt.“ Auch deswegen berichten wir sowohl über Infostände der AfD als auch über Gegenproteste.
Als Leserbrief gekennzeichnete Beiträge geben stets ausschließlich die Meinung des jeweiligen Verfassers wieder, nicht die der Redaktion.