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Kommentar: „Stadtbild“ und das „absichtsvolle Missverstehen wollen“

Zugegeben, was Friedrich Merz so alles sagt und verspricht – aber wirklich meint oder am Ende tatsächlich durchsetzt –, das kann schon sehr verwirrend sein. Oft genug ist es das genaue Gegenteil von dem, was er zuvor angekündigt hat. Wenn es aber um seine Aussage zum „Stadtbild“ geht, dann handelt es sich meiner Ansicht nach nicht um ein typisches Merz-Versprechen, einen Versprecher oder gar eine Bösartigkeit, sondern um ein „absichtsvolles Missverstehen wollen“.

Ein Kommentar von Heiko Pohlmann

Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass viele derer, die sich am Mittwoch um 13 Uhr vor dem Osnabrücker Rathaus versammelt haben, den genauen Wortlaut gar nicht kennen, in dem die angeblich sogar als rassistisch zu wertende Aussage gefallen ist. Aber was genau sagte Friedrich Merz bei seinem Antrittsbesuch am 14. Oktober in Brandenburg?

„Bei der Migration sind wir sehr weit. Wir haben in dieser Bundesregierung die Zahlen August 2024, August 2025 im Vergleich um 60 Prozent nach unten gebracht, aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen. Das muss beibehalten werden, das ist in der Koalition verabredet.“

Und ja, da waren sie wieder – die falschen Versprechungen und Interpretationen des Kanzlers der zweiten Wahl. Sorry, lieber Friedrich Merz: Nicht die Bundesregierung hat die Flüchtlingszahlen im August um 60 Prozent (tatsächlich waren es nur gut 57 Prozent) „nach unten gebracht“. Es kamen schlicht weniger als in den Vorjahren – insbesondere, weil in Syrien die Kampfhandlungen weitgehend eingestellt wurden und ein Teil der Syrer sich unter radikalislamistischen Machthabern in der Heimat offenbar wohler fühlt als in unserem „Stadtbild“.

Aber darüber regt sich niemand auf. Stattdessen liefert Kanzler Merz mit solchen faktisch falschen Aussagen zu den Migrationszahlen Futter für die AfD, die ihrer Klientel weiterhin gerne erzählen wird, dass die Flugzeuge, die regelmäßig in Afghanistan neu entdeckte ehemalige „Ortskräfte“ nach Deutschland bringen, leer zurückfliegen – ungeachtet der mehr als 200.000 Ausreisepflichtigen, für die Bundesinnenminister Alexander Dobrindt eben nicht „in sehr großem Umfang Rückführungen“ ermöglicht und schon gar nicht durchführt. Es kommen weiter mehr als uns verlassen.
Und es sind nicht Ärzte, Pfleger, Ingenieure und die sprichwörtlichen Raketentechniker, die zu Zehntausenden schon längst wieder zurück in ihrer Heimat sein sollten, weil weder eine Berechtigung für ihren Aufenthalt vorliegt, noch ein Bedarf an ihrer Arbeitskraft und ihren Fähigkeiten besteht.

Das Problem sind aber – so wollen uns die immer gleichen linken Aktivisten von den Gewerkschaften bis zu den „Omas gegen Rechts“ glauben machen – nicht die falsch begründeten Zahlen und Behauptungen über die angebliche Tätigkeit des Innenministers, sondern die Aussage, dass etwas „im Stadtbild“ ein „Problem“ sei.

Was Merz übrigens am 14. Oktober nicht gesagt hat, ist, was genau denn dieses Problem sein soll – und welches Stadtbild er überhaupt gemeint hat. Das wird nun munter hineininterpretiert und genussvoll in eine bestimmte Richtung ausgelegt.

Egal, wie sehr sich Friedrich Merz jetzt windet in seiner Gefallsucht zwischen linkem Anspruchsdenken der Opposition und seiner Koalitionspartner – die ihn tatsächlich zutiefst verachten – und den Erwartungen des verbliebenen konservativen Kerns der CDU-Mitglieder und Wähler: Ich bin mir in einem völlig sicher. Friedrich Merz hat bei seiner „Stadtbild“-Aussage sicher nicht an die in weiten Teilen aus alten weißen Frauen und sonstigen eher links zu verortenden Menschen bestehende Gruppe gedacht, die sich am Mittwochmittag vor dem Osnabrücker Rathaus für ein Foto getroffen hat – und ihn weder jetzt wählen würden, noch es vor dem 14. Oktober getan haben.

Welch Ironie darin liegt, dass nur knapp eine Stunde nach dem Fototermin wenige Hundert Meter weiter – auf der weniger schönen Seite der Stadt – im Schlossgarten eine lange vorbereitete Großrazzia gegen die lokale Dealerszene stattfand. Von dort wird bekanntlich die überwiegend in der Osnabrücker Neustadt ansässige Drogenszene versorgt – schön räumlich getrennt von der „guten Stube“ der Stadt, wo es sich so wunderbar fotografieren lässt, vor den schön renovierten Treppengiebel-Häusern der Altstadt. In den umliegenden Cafés gibt es selbstverständlich neben der verpönten Kuhmilch auch Hafer-, Soja- und Mandelmilch zum Heißgetränk. Nein, dieses Stadtbild hat Friedrich Merz sicher nicht gemeint – und jeder einzelne der etwa 300 Protestierenden wusste das auch.

Ein Fototermin in der Johannisstraße wäre ehrlicher gewesen – und zwar nach Einbruch der Dunkelheit. Und übrigens unabhängig davon, ob dort Menschen mit oder ohne Kopftuch, mit dunklerer oder hellerer Hautfarbe herumlaufen. Denn es ist eine Problemstraße in einem Problemstadtteil, geprägt von Migration in die Sozialsysteme, Bildungsferne, Arbeitslosigkeit, Armut und mangelnder Integration der Eingewanderten.

In einem bin ich mir übrigens auch sicher: Auch dieser Kommentar wird von der üblichen Seite wieder gerne absichtsvoll missverstanden werden.


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11
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