Kommentar: Red Bull – ein Gespenst geht um in Europa

Nach dem vorzeitigen Spielabbruch am 10.08.2015, also auf den Tag genau vor vier Jahren, waren die Gemüter der VfL-Fans nur schwer zu besänftigen.

Ein Kommentar von Kalla Wefel.

Ich verließ sofort nach dem erzwungenen Abpfiff die Brücke, weil ich wusste: „Das war’s“, und marschierte deprimiert die Bremer Straße in Richtung Haster Weg hinauf. Das Stadion war noch voll, „Quecke“ hielt gerade mit richtig gewählten Worten eine Besänftigungsrede im Mittelkreis und fast geisterhaft zog der Bus von Red Bull Leipzig, mit Polizeiwagen voran, an mir vorbei.

Die Spieler trugen noch die Trikots, waren also nicht freiwillig eingestiegen, sondern eher evakuiert worden. Sonst war da niemand auf der Bremer Straße, außer mir schienen alle im Stadion zu sein. Was für eine surreale Szene.

Wie ein sechzehnjähriger Ultra warf ich dem Gespenster-Bus noch hilflos zwei Stinkefinger und wohl auch den ein oder anderen nicht druckreifen Fluch hinterher.

Man hatte so entschieden, wie man später lesen konnte, um den Leipziger Tross vor eventuellen Ausschreitungen zu schützen.

Rangnicks Familienprobleme

Unvergessen in der VfL-Fanszene sind die Worte des damaligen RB-Trainers Rangnick einen Tag nach dem Spielabbruch in Osnabrück: “Ich hätte gestern mit Frau, Kind und Familie in dem Stadion gar nicht gewusst, wo ich hätte sitzen oder stehen können, um mich halbwegs sicher zu fühlen.” 

Was für eine jämmerliche und unverschämte Dramatisierung der Ereignisse, aber typisch für diesen von der Realität völlig entrückten Menschen, der auch noch für „seine“ Erfolge einst in Hoffenheim, dann in Leipzig und demnächst für die weltweit agierenden RB-Firmenclubs von Speichelleckern gefeiert wird. Meine Güte!

Gebt dem Vorstand von TuS Kattenvenne – der Verein muss natürlich erst noch gegründet werden – unendlich viel Geld in die Hand und TuS „Katte“ (wie er dann liebevoll von den 17 stimmberechtigten Mitgliedern genannt wird) spielt in wenigen Jahren in der Champions League.

Jede Wette.

Red Bull – beliebt wie Scheiße am Fußballschuh

Kein Wunder also, dass ein solches Projekt aus dem Reagenzglas bei vielen Fußballfans auf harsche Ablehnung stößt, die,  angepasst an die Brauseplörre selbst, sicherlich manchmal die Grenzen des guten Geschmacks überschreitet.
Zu gerne erinnere ich mich an den eisernen Protest der Union-Fans, als dort die Retortenklons aus Leipzig antraten und am Ende sogar 2:1 in Berlin verloren.

Auch für das Auftaktspiel am 18.08. dieses Jahres um 18.00 Uhr haben die Union-Fans für die Alte Försterei ein ganz spezielles Willkommenspaket für RBL geschnürt.

Die konsequenteste Waffe gegen diesen Retortenclub, der nichts als die Dependance eines Großkonzerns für eklige Brauseplörre ist, wäre, dieses widerliche Gesöff endlich zu boykottieren, wenn es die Vereine schon nicht tun.

So einfach ist das.

Red Bull verleiht Todesflügel

Rechtsausleger Mateschitz hat mittlerweile mit der von ihm finanzierten Jagd nach Rekorden etliche Tote zu verantworten. Red Bull verleiht eben Flügel, aber nur in den Tod. Ach, er ist ja gar nicht selbst gesprungen. Stimmt, genauso wenig wie Trump bei den letzten Massenmorden in den USA selbst Hand angelegt hat.

Red Bull ein Verein?

Wären der DFB und später die Vereine in der DFL konsequent gewesen, hätte kein Verein – mit Ausnahme von Hoffenheim – gegen Red Bull Leipzig antreten dürfen. Boykott nennt man so etwas.

Da ich mich weigere, RB als einen Verein mit dem an Lächerlichkeit kaum zu überbietenden Namen „Rasenballsport“ zu bezeichnen, schrieb ein User als Facebook-Kommentar bei der HASEPOST: „Der Verein heißt nun mal so. Sachliche Berichterstattung würde die Verwendung des korrekten Namens voraussetzen.“

Na prima!

Und in welcher Regel der sachlichen Berichterstattung steht, dass Red Bull Leipzig Rasenballsport heißt?

In den Regeln einknickender Medien vor den Werbeeinnahmen?

In den Kapitulationsurkunden des DFB und der DFL vor den Machenschaften des Mateschitz-Konzerns?

In den Regeln achselzuckender Da-kann-man-ja-doch-nichts-gegen-machen-Sportjournalisten?
Sich darauf einzulassen, dieses Konstrukt als Rasenballsport oder gar als Verein zu bezeichnen ist unsachlicher und unkorrekter als alles andere.

Red Bull Leipzig ist eine Firma und hat gar nichts mit einem Verein zu tun. Wem noch nicht schlecht ist, der kann sich hier über den absurden Retortenclub Red Bull Leipzig und seine 17 stimmberechtigten und allesamt beim Mateschitz-Konzern beschäftigten Mitglieder informieren.

Wie schön, dass der VfL nicht Red Bull Leipzig ist …

Und auch nicht die TSG Hoffenheim oder ein sonstiger gesichts- und geschichtsloser Retortenclub, den sich ein vom Leben gelangweilter Milliardär als Hobby ausgesucht hat.

Neid?

So ein Quatsch! Damit hat das rein gar nichts zu tun.
Ständig wird Neid mit Ekel verwechselt.
Es ist nämlich die pure Abscheu vor so viel Respektlosigkeit gegenüber den über Generationen gewachsenen Gefühlen unzähliger Fußballfans und vor so viel Ignoranz gegenüber der Geschichte und den Strukturen von Traditionsvereinen und deren angestammte Heimat.

In England, Italien, Spanien und auch in Frankreich ist der Fußball seit einigen Jahren auf dem besten Weg ins totale Abseits. Er ist allmählich dort angelangt, wo er in Hoffenheim und Leipzig von Anfang an zu Hause war – auf dem absoluten Tiefpunkt fußballmoralischer Verkommenheit. Er ist nämlich längst kein Fuß-, sondern nur noch ein Spielball von Spekulanten, Scheichs, Diktatoren, Oligarchen und Milliardären.

Viele Fußballfans gehen in England gar nicht mehr ins Stadion, sondern gründen lieber ihre eigenen Vereine und schlafen allenfalls noch in der längst zerschlissenen Bettwäsche ihrer ehemaligen Lieblingsclubs.

Lieber Rock ‘n‘ Roll als Musical

Und das aktuelle Publikum?

Mit wenigen Ausnahmen wie beim FC Liverpool fast nur noch Hipster, Yuppies und Eventfans, die mit gelangweilter Miene das Spielgeschehen beobachten, weil es sie im Grunde vom Konsumieren abhält, ganz nach dem Motto „the fans are not amused“.

Und auch die Stimmung in Sinsheim oder Leipzig erinnert allenfalls noch an die ausgelassene Atmosphäre bei einem Livekonzert von André Rieu im Kurpark von Bad Nauheim. Es sind die aktuell schlimmsten Beispiele für den endgültigen Ausverkauf von Vereinsseelen, für die ganze Verkommenheit des Profifußballs und den längst vollzogenen Übergang vom Rock ‘n‘ Roll hin zum inhaltslosen seichten Musical mit Helene Fischer als Cheerleader.

Der Fußball wird immer aseptischer

Freuen wir uns auch dieses Jahr schon mal gemeinsam auf das emotionsgeladene Traditionsderby Red Bull Leipzig gegen die TSG Hoffenheim, natürlich nur echt von 1899.

Im Grunde sind es diese Retortenclubs nicht einmal wert, ignoriert zu werden, doch allmählich entweicht dem Fußball durch die Machenschaften von Finanzjongleuren, durch Korruption und Wettmanipulation weltweit die Luft. Es ist sogar zu befürchten, dass der leidenschaftliche, in der Gesellschaft verankerte und gelebte Fußball spätestens in der Wüste von Katar auf sandigem Boden ohne Fundamente endgültig in die Bedeutungslosigkeit versinkt.

Und was ist mit dem VfL?

Auch der VfL hatte seit der Ausgliederung viel von seiner Authentizität verloren. Da stand plötzlich kein Verein mehr auf dem Platz, sondern eine Mannschaft einer GmbH & Co. KGaA.

Die dadurch über die Jahre zusehends stärker werdenden Entfremdungserscheinungen konnten erst in der vergangenen Saison bei vielen gemildert werden, denn Erfolg macht zwar verführerisch, aber nicht nur der:

Das stets optimistische und sympathische Auftreten Daniel Thiounes trug sicherlich neben dem Erfolg am meisten dazu bei, dass eine neue Identität entstand. Selten hat es mehr Spaß gemacht, einem Trainer ohne jede Fremdscham zuhören zu können.

Auch der betont sachlich, fast bescheiden auftretende Sportdirektor Schmedes und ein in letzter Zeit recht zurückhaltend agierendes Präsidium haben ihren Anteil daran, Blockaden in den Köpfen allmählich zu lösen.

Am Sonntag wird die Bremer Brücke beben

Es ist wohl tatsächlich die gemeinsame Liebe zu dieser Stadt, die uns Fans immer wieder vereint, und dazu gehört das Stadion, das für VfL-Fans immer nur „die Brücke“ sein wird.

Die Bremer Brücke ist für VfL-Fans das, was der Dom für Katholi­ken und Brauseplörre für Leipziger ist. Sie ist das, was Bits und Bytes für Hoffenheimer, Autos für Wolfsburger und Pillen für Leverkusener sind, wenngleich die zuletzt genannten Rand­gruppen im Leben eines echten Fußballfans keine Zukunft haben.


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Kalla Wefel
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