Rund 58.000 Unternehmen sind zwischen Osnabrück, Bad Bentheim und Meppen Mitglied der IHK. Die Betriebsgröße reicht vom Kiosk an der Ecke bis zum Volkswagenwerk im Osnabrücker Fledder. Dass sie mit den gezahlten Mitgliedsbeiträgen auch in Kunst investiert haben, dürfte vielen Unternehmerinnen und Unternehmern bislang gar nicht bewusst gewesen sein.

Ein Skandal wäre es, wenn von ihnen nun ein Geschenk an die Stadt Osnabrück erwartet wird, wie es einige Lokalpolitiker bereits fordern. Ein Kommentar:

Auch wenn die Mitgliedschaft nicht immer lieb, dafür oft teuer erkauft ist, so sollte jeder Unternehmer, aber auch jeder Mitarbeiter eines IHK-Mitgliedsunternehmens und vor allem jeder Lokalpolitiker anerkennen, dass die IHK eine wichtige Aufgabe in der Region erfüllt. Zwar bildet längst nicht jeder Mitgliedsbetrieb aus, doch profitiert jedes Unternehmen und jede Gemeinde der Region von der Verfügbarkeit gut ausgebildeter Mitarbeiter.
Und egal ob es um den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, die Zukunft der Innenstädte oder die Verfügbarkeit schneller Onlinezugänge geht: Immer ist es die IHK, die hier klare Position für Unternehmen und Mitarbeiter bezieht. Doch warum sollte die IHK das Geld ihrer Mitglieder in Kunst investieren oder einmal investiertes Geld verschenken?

Warum auch immer diese Bilder von der IHK gekauft wurden…

Dem niedersächsischen Landesrechnungshof und dem Wirtschaftsministerium ist es zu verdanken, dass die Vollversammlung der IHK bereits im März den Entschluss getroffen hat drei Bilder des Osnabrücker Malers Felix Nussbaum (1904 – 1944) zu verkaufen.
Warum auch immer zwei Bilder in den 70er Jahren, ein weiteres dann im Jahr 2000 angeschafft wurden, es war selbstverständlich ein Glücksfall für Osnabrück, dass die Bilder so nicht in einen privaten Sammlerkeller gerieten. Ohne dass es den zahlreichen IHK-Mitgliedern in der Region bewusst war, konnten die Leihgaben zur Komplettierung der Sammlung des Osnabrücker Nussbaum-Hauses beitragen.
Doch was interessiert dies den Inhaber eines Taxibetriebs in Nordhorn oder den Lebensmittelhändler in Bentheim? Sie haben einen Anspruch darauf, dass ihre Mitgliedsbeiträge zielgerichtet eingesetzt werden: Kunsthandel und Besitz gehört nicht zu den Aufgaben einer IHK.

Wieso verschenken was einen Wert hat?

Forderungen, die IHK möge die Bilder doch nun möglichst verschenken oder zum Anschaffungspreis der 70er Jahre abgeben, sind ebenfalls kaum vermittelbar.
“Kunst verschachern das geht gar nicht”, positioniert sich der Grüne Volker Bajus bereits bei Facebook und sein Parteifreund Michael Hagedorn geht sogar so weit, dass er mit Verweis auf “Anstand” ein Verschenken der Kunstwerke an die ewig klamme Stadt Osnabrück fordert.
Was ist das für ein Weltbild, dass diese grünen Politiker haben? Da wird dankend angenommen, dass sich die Industrie- und Handelskammern zum Beispiel für das duale Ausbildungssystem, die Förderung von Jungunternehmern und die kritische Begleitung der Bundes- und Landespolitik engagieren. Dass dies alles nur möglich ist, weil tausende Unternehmer Jahr für Jahr einen nicht unwesentlichen Beitrag an die IHK zahlen, wird gar nicht erst in Erwägung gezogen.
Die Beitragszahler der IHK haben einen Anspruch darauf, dass aus ihrem Vermögen keine Geschenke an eine ihnen oft doch sehr ferne und in Sachen Haushaltspolitik alles andere als wirtschaftlich handelnde Stadt Osnabrück gemacht werden.

Wenn es überhaupt einen Skandal gab, dann war dies der Ankauf der Bilder aus IHK-Beiträgen, die sicher nicht dafür gedacht waren. Ein Glück für die IHK, dass seinerzeit nicht so genau hingeschaut wurde. Das dafür eingesetzte Geld gehört dennoch den Mitgliedern, und die haben einen Anspruch auf einen anständigen Verkaufspreis.
Wenn es noch einen Skandal geben sollte, dann wäre dies ein Verschenken oder eine Abgabe der Bilder zu einem nicht marktgerechten Preis.

Das Nussbaum-Haus: Ein Discount-Museum

“Bilder gehören ins Museum” fordert Volker Bajus ebenfalls. Dem kann man zustimmen, vor allem wenn es sich um für Osnabrück und einem seiner größten Söhne so wichtige Werke handelt.
Aber Kunst hat auch seinen Preis. Bestimmt wird dieser Preis durch Sammler, Kunsthändler und auch durch Eintrittspreise für Museen. Dass das Nussbaum-Haus auch weiterhin für Jugendliche unter 18 kostenfrei ist und von Erwachsenen eher symbolische 5 Euro kassiert, zeugt bereits von Unverständnis der Lokalpolitiker für die Realitäten.
Das vom renommierten Architekten Daniel Libeskind gestaltete Nussbaum-Haus und die darin gezeigten Werke sind ein Pfund, mit dem Osnabrück wuchern kann. Nur einen symbolischen Eintrittspreis zu verlangen, ist eine Frechheit gegenüber dem Steuerzahler und dem Werk des Künstlers. Dass nun kein Geld in der Kasse ist um die drei zum Greifen nahen Bilder in den eigenen Bestand zu übernehmen, ist somit auch selbstverschuldet von der Lokalpolitik, die seit Jahren ein derartiges Discount-Museum in der Stadt duldet.

Die Aufmerksamkeit, die den nun zum Verkauf stehenden Bildern zukommt, sorgt vielleicht dafür, dass sich ein Mäzen findet, der im Sinne der Stadt die Bilder ankauft und im Sinne der IHK-Mitglieder auch einen anständigen Preis dafür bezahlt.
Ein ordentlich gestalteter Leihvertrag kann dann dafür Sorge tragen, dass die Besucher der Stadt Osnabrück auch in Zukunft und noch sehr lange die Möglichkeit haben diese wichtigen Nussbaum-Bilder zu sehen.

Warum nicht langfristig für den Ankauf sparen?

Konstruktionen wie “Leihe mit späterer Kaufoption”, zum Beispiel durch eine zu gründende Stiftung oder einen Museumsverein, wären denkbar.
Der kurzfristig zu findende Käufer würde damit zu einem Kreditgeber für den in der Zukunft bereits fixierten zweckgebundenen Ankauf. Der zukünftig zu zahlende Kaufpreis könnte jetzt schon verhandelt werden – zum Beispiel der jetzige Kaufpreis mit einer Null-Verzinsung. Ein Mäzen, der so der Stadt und den Kunstliebhabern aushilft, würde lediglich auf eine Wertsteigerung verzichten und hätte sein Kapital sicher angelegt – Zinsen gibt es im Augenblick ohnehin nicht.

Eine dringend notwendige moderate Anhebung der Eintrittspreise, zum Beispiel auf das Niveau einer Kinokarte, könnte ab sofort für einen zuverlässigen Kapitalzufluss in einen Ankaufs-Fond sorgen.
Und vielleicht findet sich unter den Mitgliedsunternehmen der IHK und bei den jetzigen Kritikern eines Verkaufs, auch noch der Ein oder Andere, der ebenfalls etwas dazugibt, damit sowohl die Interessen der Allgemeinheit wie der IHK-Mitglieder befriedigt werden.

Und noch was: Die Verfolgung und Ermordung des Künstlers Felix Nussbaum durch das NS-Regime ist ein schrecklicher Hintergrund für seine Kunst. Dass seine Werke nun am Kunstmarkt gehandelt und einen Wert haben, ist ein Teil der Wertschätzung gegenüber dem Künstler und seinem tragischen Schicksal. Forderungen den Wert dieser Kunst auf “0” zu taxieren entwerten den Künstler posthum auf eine besonders perfide Weise.