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Kommentar: Neuer Osnabrücker Vorstand wird dann wohl mit den Stimmen von Extremisten gewählt

Über der Reform des Osnabrücker Stadtvorstands schwebt das Damoklesschwert schon bald deutlich veränderter Mehrheitsverhältnisse – zugunsten von Parteien am extrem linken und rechten Rand, die bislang im Stadtrat kaum eine Rolle spielten. Und diese Extremisten werden zukünftig mitreden wollen – auch und besonders bei der Besetzung wichtiger Verwaltungsposten. Und das ist auch ihr demokratisches Recht.

Der Kommunal- und Oberbürgermeisterwahlkampf darf als eröffnet betrachtet werden. Das erste „Opfer“ dieses Wahlkampfs: Eine sinnvolle und zukunftsweisende Neuaufstellung des städtischen Vorstands – sinnvoll und zukunftsweisend unabhängig davon, wer im kommenden Jahr das Chefbüro im Rathaus beziehen wird.

Ein Kommentar von Heiko Pohlmann

Mit zahlreichen überwiegend inhaltsleeren Redebeiträgen stellten sich Ratsmitglieder von SPD und Grünen bei der Ratssitzung am Dienstagabend gegen den Vorschlag von Oberbürgermeisterin Katharina Pötter, eine Reform des städtischen Vorstands noch vor dem kommunalen Wahljahr 2026 durchzuführen.

Möglich gemacht hätte dies der regulär zum Oktober dieses Jahres auslaufende Vertrag mit Kultur- und Sozialvorstand Wolfgang Beckermann – der allerdings bereits im März beantragt hatte, noch ein Jahr dranzuhängen, bis in sein 68. Lebensjahr.

Dumm gelaufen. Dabei hatte Oberbürgermeisterin Katharina Pötter zuletzt sogar noch dafür geworben, die Entscheidung über eine Neustrukturierung von der Personalie Wolfgang Beckermann in einem ersten Schritt zu trennen – auch wenn offensichtlich ist, dass mit dem bisherigen „Vorstand 2“ und seinen „Skills“ die von ihr angestrebte Neuausrichtung mit einem stärkeren Fokus auf Strukturwandel und Digitalisierung schlicht nicht zu machen wäre, was allerdings unausgesprochen blieb.

Die Argumente von SPD und Grünen? Es gibt einen Rechtsanspruch des im Rentenalter angekommenen Vorstands – und bei Stadtbaurat Frank Otte habe man schließlich auch einer Verlängerung seiner Amtszeit um ein Jahr zugestimmt. Als ob ausgerechnet die Amtszeitverlängerung von Frank Otte ein Gewinn für die Stadt gewesen ist. Man denke nur an sein letztes Großprojekt, den Ledenhof: Unter seiner Regie wurde daraus eine voll-asphaltierte Fehlplanung, die – weit über seine von Pleiten, Pech, Betonblöcken und Inkompetenz geprägte Amtszeit hinaus – die Stadt dauerhaft verschandeln wird.
Und was den „Rechtsanspruch“ angeht: Oberbürgermeisterin Katharina Pötter konnte deutlich belegen, dass es gewichtige Gründe gegen eine Amtszeitverlängerung gibt, die diesen Anspruch aushebeln würden.

Nun wird also, weil ein einzelner am wohlverdienten Ende seiner Berufstätigkeit angekommener Mann sich noch nicht bereit für den Ruhestand fühlt und SPD sowie Grüne frühzeitig in den Wahlkampfmodus geschaltet haben, eine dringend notwendige Reform des Verwaltungsvorstands verschoben.

Aber hat denn keiner der rot-grünen Reformverhinderer auf dem Schirm, wie der kommende Stadtrat nach der Kommunalwahl 2026 aller Voraussicht nach aussehen wird? Damit ist nicht der Posten der Oberbürgermeisterin gemeint – die genießt große Sympathie bei den Osnabrückerinnen und Osnabrückern und wird wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine zweite Amtszeit gewählt werden.
Mit einer ordentlichen Portion Glück und einem strategisch klug gewählten Kandidaten könnte aber auch die SPD das Rathaus zurückgewinnen – immerhin schnitt sie bei der Bundestagswahl im Februar erstaunlich stark ab.
Die am Ende nur kurze Zeit der Grünen als stärkste Fraktion im Stadtrat dürfte jedoch im Herbst 2026 wieder vorbei sein, dafür braucht es keine Glaskugel, ein Blick auf den bundesweiten Trend reicht völlig. Und ein grüner Oberbürgermeister? In Osnabrück wohl auch künftig eine Illusion – selbst wenn die Ökopartei an der Hase im kommenden Jahr besser abschneiden sollte als im bundesweiten Trend, der die Grünen inzwischen nur noch knapp im zweistelligen Bereich sieht.

Wenn nicht ein völlig überraschender Bundestrend noch ein „grünes Wunder“ herbeizaubert, wird der „Heidi-Effekt“ in Heidi Reichinneks temporärer Wahlheimat Osnabrück das politische Spektrum im zukünftigen Stadtrat unangenehm weit nach links verschieben. Die Linke wird – trotz ihrer widersprüchlichen Haltung zum Antisemitismus und ihrer spießigen SED-Vergangenheit – den Grünen als Sammelbecken sich progressiv wähnender junger Menschen deutlich Konkurrenz machen.
Gleichzeitig darf auch die AfD auf einen kräftigen Schub bei der Kommunalwahl hoffen – in Eversburg und Haste ist sie in mehreren Wahlbezirken bereits stärkste Kraft. Warum sollte sich das in den nächsten 15 Monaten ändern?

Was also „droht“? Ein Stadtrat, in dem Links- und Rechtsextreme deutlich stärker vertreten sein werden als bisher. Und in dem – je nach Stärke ihrer Fraktionen – nicht ohne ihre Stimmen entschieden wird, wer der nächste „Vorstand 2“ wird. Ein Vorstand, der dann vielleicht sogar ein entsprechendes Parteibuch oder zumindest die Zustimmung einer dieser extremen Parteien braucht. Einen Rechtsanspruch auf einen Vorstand mit entsprechendem Parteibuch gibt es zwar für keine Partei – auch wenn es bislang oft so gehandhabt wurde und jede große im Rat vertretene Partei „ihren Vorstand“ hat –, aber Unruhe bei seiner Auswahl und Wahl ist bereits jetzt garantiert.

Diese Unruhe und den absehbaren Machtpoker gleich zu Beginn der nächsten Wahlperiode wäre mit einer rechtzeitig getroffenen Entscheidung vermeidbar gewesen, hätte man am Dienstagabend Wolfgang Beckermann den Weg in den verdienten Ruhestand geebnet – und sich darauf verständigt, seinen Nachfolger noch vor dem Wahljahr 2026 zu bestimmen. Ohne die AfD und die SED-Nachfolgepartei in etwas mehr als einem Jahr an dieser Personalentscheidung beteiligen zu müssen.
Chance vertan! Es wird sicher nicht einfacher werden im kommenden Herbst.


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

  

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