Kommentar: Mit der richtigen (weil grünen) Ideologie darf man auch im Grünen Finger bauen

Es ist zwar nur ein kleiner Teil des zum Beschluss anstehenden Bebauungsplans 617, doch gemeinsam mit dem grünen Stadtbaurat Frank Otte ist sich die grün geführte Mehrheit im Osnabrücker Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt (StUA) einig: Am Westerberg sollen Teile des “Grünen Fingers” bebaut werden.

Eine Beobachtung von Heiko Pohlmann

Ob es darum geht, mit mehrgeschossigen Gebäuden in “verdichteter” Bebauung für eine eher weniger vermögende Zielgruppe einen Platz an der Sonne, ausgerechnet am Westerberg, zu schaffen, oder ob man dieses “Gedöns” mit den Öko-Zielen eigentlich selbst gar nicht so ernst nimmt, wurde in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt in der vergangenen Woche nicht klar.
Aber eines war deutlich und mehrfach zu vernehmen: Man kann diese Sache mit den angeblich besonders schutzwürdigen Grünen Fingern auch mal hintanstellen – wenn die rot-grüne Ratsmehrheit und “ihr” Stadtbaurat es denn will.

Die Neue Osnabrücker Zeitung (hinter Bezahlschranke) wundert sich nun, dass ausgerechnet die Osnabrücker FDP “die Rolle der Umweltschützer” einnimmt.

Es mag daran liegen, dass die Osnabrücker Liberalen es nicht so mit der Ideologie und mehr mit der Sachpolitik haben. Und gegen eine Bebauung der Grünen Finger gibt es nun mal gute Gründe. Nicht nur, dass die Ratsmitglieder sich mit einem mehr als eindeutigen Beschluss (VO/2022/0867-01-01) “zum Schutz und zur Weiterentwicklung der Grünen Finger für Klimaanpassung, Klimaschutz, Landschaftserleben, Biodiversität und Landwirtschaft” verpflichtet haben.
Es war auch die Unnachgiebigkeit von Mitgliedern der Mehrheitsgruppe im Rat, zum Beispiel des SPD-Politikers Heiko Panzer, als es im vergangenen Jahr darum ging, ein bereits zur Hälfte fertig gebautes Haus am Rubbenbruchsee abreißen zu lassen. Angeblich aus Gründen des Naturschutzes – aber auch sehr zum Vergnügen der Anwohner des Wahlbereichs von Panzer, der es in der Vergangenheit nicht immer leicht hatte, Mehrheiten für eine Wahl in den Stadtrat zu finden. Dabei gab es für das Bauvorhaben am Rubbenbruchsee sogar eine Baugenehmigung, die allerdings durch eine Nachlässigkeit des Voreigentümers nicht verlängert wurde. Doch es gab kein Pardon von Panzer, Otte und der rot-grün geführten Ratsmehrheit: Das Haus musste weg.

Ausschnitt einer Karte, die von der Verwaltung den StUA-Ausschussmitgliedern gezeigt wurde. Der nördliche Teil (schraffiert) befindet sich im Grünen Finger.
Ausschnitt einer Karte, die von der Verwaltung den StUA-Ausschussmitgliedern gezeigt wurde. Der nördliche Teil (schraffiert) befindet sich im Grünen Finger. / Screenshot RIS

Nun aber schlägt Heiko Panzer ganz andere Töne an. Man könne ruhig Ackerland opfern (und versiegeln), heißt es aus der SPD-Fraktion – ungeachtet aller Bemühungen, Deutschland in Zukunft auch landwirtschaftlich wieder autarker zu machen. Es sei ja auch nur ein ganz kleines Stück (immerhin 3,4 Hektar), mithin keine 2 Prozent des Grünen Fingers am Westerberg.

Liegt es vielleicht daran, dass man in rot-grünen Kreisen “den Bonzen” am Westerberg einfach mal ein paar Sozialwohnungen in den Hinterhof stellen will? Pardon, es heißt ja inzwischen “bezahlbarer Wohnraum”. Oder ist schlicht der Druck und die Not zu groß für die inzwischen hochdefizitäre städtische Wohnungsgesellschaft zusätzliches Bauland zu finden, das bereits im Besitz der Stadt ist? Auf diese Weise könnte man das millionenschwere Defizit städtischer Bauaktivitäten natürlich “unter dem Radar” subventionieren.
Für solche hehren Ziele kann man auch mal ein paar kleine Prozentpunkte der sonst so heiligen Grünen Finger opfern.

Wie solch eine “verdichtete” Bebauung dann später aussieht, kann man im Landwehrviertel mit Grauen betrachten. Häuser im Null-Design der Betonwürfel, die jüngst entlang der Page aufgestellt wurden. So stellt sich ein Studienabbrecher nach zwei Semestern Architekturstudium wohl “Bauhaus” vor. Dazu Grundstücke, die vor oder hinter dem Haus nur Platz für ein paar Badetücher oder einen (bitte nicht zu großen) Grill lassen. Und das ganze so “verdichtet”, dass man dem Nachbarn jederzeit ins Schlafzimmer schauen kann. Aber immerhin: neueste energetische Standards und ein Solarpanel auf dem Dach. Was will man mehr? Stadtnahe Grünflächen vielleicht?


Hier finden Sie alle bislang erschienenen Meinungsbeiträge.

[Gruß vom Herausgeber] Liebe Leserin, lieber Leser, schön, dass Sie es bis hier ganz unten geschafft haben. Ein paar Zeilen weiter finden Sie noch den obligatorischen Hinweis, dass gekennzeichnete Meinungsbeiträge stets ausschließlich die Meinung des Autors wiedergeben. Aber ich möchte diesem förmlichen Disclaimer noch etwas hinzufügen. Natürlich haben Sie, wie auch ich und jeder andere Leser, eine eigene Meinung. Vielleicht weicht Ihre Meinung fundamental von diesem oder einem anderen bei uns veröffentlichten Kommentar ab, vielleicht stimmen Sie aber auch vollkommen zu oder aber Ihre Meinung ist „irgendwo dazwischen“.
Vielleicht kann ein Kommentar in der Hasepost dabei helfen, neue Gedanken zu denken oder bestehende An- und Einsichten nochmals zu überdenken, dann haben wir und unsere Autoren etwas richtig gemacht und ganz generell zum Denken angeregt.

„Denken ist schwer, darum urteilen die meisten.“ (C. G Jung)
Bitte denken Sie mehr, Ihr Heiko Pohlmann.


Als Kommentar, Kolumne, Meinungsbeitrag oder Satire gekennzeichnete Beiträge geben stets ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und nicht die der gesamten Redaktion.

 


Liebe Leserin und lieber Leser, an dieser Stelle zeigen wir Ihnen künftig regelmäßig unsere eigene Kommentarfunktion an. Sie wird zukünftig die Kommentarfunktion auf Facebook ersetzen und ermöglicht es auch Leserinnen und Lesern, die Facebook nicht nutzen, aktiv zu kommentieren. FÜr die Nutzung setzen wir ein Login mit einem Google-Account voraus.

Diese Kommentarfunktion befindet sich derzeit noch im Testbetrieb. Wir bitten um Verständnis, wenn zu Beginn noch nicht alles so läuft, wie es sollte.

 
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

Diese Artikel gefallen Ihnen sicher auch ...Lesenswert!
Empfohlen von der Redaktion