Für mehr als 4.000 Osnabrückerinnen und Osnabrücker aus Düstrup, Teilen von Voxtrup und Lüstringen klingelte an diesem Sonntag der Wecker früher als gewohnt. Auch für hunderte Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr, THW, Rettungsdiensten und Stadtverwaltung.
Und auch für rund 150 Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer, die dem Aufruf der ehemaligen Schülerprotestgruppe Fridays for Future folgten, um gegen den Lückenschluss der Autobahn A33 zur A1 zu demonstrieren – und sich dabei offenbar nicht nur moralisch überlegen, sondern auch außerhalb der strengen Evakuierungsanordnung für die östlichen Stadtteile wähnten.
Ein Kommentar von Heiko Pohlmann
Ausgerechnet über die Autobahn A33 wollten sie mit ihrem Protestzug radeln. Und nicht etwa am frühen Sonntagmorgen, wie es die Stadtverwaltung Osnabrück genehmigt hatte, sondern ursprünglich erst gegen Mittag.
Ein geschickter Schachzug: Erst einmal das völlig Unmögliche fordern – denn zu dieser Zeit dürfte der Sprengmeister bei der nahe der Autobahn stattfindenden Bombenentschärfung bereits Schweißperlen auf der Stirn haben. Eine ungeplante Explosion wäre dann nicht auszuschließen – und Osnabrück hätte dabei einen guten Teil seiner linken Szene verlieren können.
Warum auch immer wurde schließlich ein alternativer Zeitplan und eine abgewandelte Route genehmigt. Die Gegner eines zukünftig um die Innenstadt geleiteten Fernverkehrs durften also in einem bis 09:45 Uhr gesteckten Zeitfenster über die bereits gesperrte Autobahn zwischen der Auffahrt Voxtrup und der Abfahrt Lüstringen radeln.

Ich will hier gar nicht die Demonstrierenden kritisieren. In ihrem – aus meiner höchstpersönlichen Sicht – leicht verqueren Weltbild ist alles richtig gelaufen. Auch wenn ich an dieser Stelle noch einmal daran erinnern möchte: Eine Sperrung der Osnabrücker Innenstadt für den Schwerlastverkehr und die Verlegung der Bundesstraße B68 über das Lotter Kreuz sind nur dann möglich, wenn die letzten Kilometer der A33 zwischen Belm hin zur A1 bei Wallenhorst endlich geschlossen werden.
Keine Schwerlast-Lkw in der Innenstadt, keine Stau-Umfahrungen über den Wallring – das würde übrigens auch bedeuten, dass deutlich mehr Platz für den Radverkehr wäre. Aber was soll ich hier mit Logik kommen …
Doch was für ein groteskes Signal sendet eine Stadtverwaltung, die eine Fahrraddemo auf der Autobahn ausgerechnet zu einem Zeitpunkt genehmigt, an dem Tausende Haushalte evakuiert werden müssen? Ein Vorgang, der jedes Mal zu Verzögerungen führt und durch Diskussionen mit uneinsichtigen Anwohnern wertvolle Polizeikräfte bindet.
Eine unüberlegte, einer seltsamen Agenda folgende Stadtverwaltung hat den an diesem Sonntag eingesetzten Rettungskräften einen Bärendienst erwiesen. Ins Repertoire der Evkuierungsverweiger kommt nun: „Ist ja alles nicht so schlimm – ich muss mich nicht an die Evakuierungsregeln halten, solange nur die ideologische Begründung stimmt und ich mich moralisch überlegen fühle.“
Zur Begleitung des radelnden Protestzugs wurden neben drei gut besetzten Mannschaftsbullis der Polizei unter anderem ein Polizeimotorrad und ein Begleitfahrzeug der Stadtwerke eingesetzt. Personal, das andernorts sicher gefehlt hat, um eine schnelle und reibungslose Räumung des Evakuierungsgebiets sicherzustellen.

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