Gedenkstätte für tote Kinder von Zwangsarbeiterinnen – Spurensuche Osnabrück e.V. gewinnt Preis für für Demokratie und Toleranz

Die Gedenkstätte auf dem Heger Friedhof. / Foto: Sophie Scherler

Im Zweiten Weltkrieg wurden mehr als 100 neugeborene Kinder von Zwangsarbeiterinnen auf dem Heger Friedhof bestattet. “Spurensuche Osnabrück e.V.” erinnert an ihr Schicksal und bekam dafür den Preis “Aktiv für Demokratie und Toleranz”. 

Im Jahr 2016 wurden rätselhafte Karteikarten auf dem Heger Friedhof gefunden. Darauf waren die Sterbedaten von über 100 Kindern erfasst, fast alle hatten osteuropäische Namen, viele wurden nur wenige Tage alt. Rasch stellte sich heraus, dass es sich um die Kinder von Zwangsarbeiterinnen handelt, die im Zweiten Weltkrieg nach Deutschland verschleppt wurden. Einige der meist aus der Ukraine und Russland stammenden Frauen wurden schwanger. Damit sie weiter ihre Arbeit verrichten konnten, nahm man ihnen ihre neugeborenen Kinder weg. Etliche Säuglinge starben an Mangel, Vernachlässigung und schlechter Hygiene, ihre Leichen wurden auf dem Heger Friedhof verscharrt. Nachdem die Ruhefristen in den 60er Jahren abliefen, räumte man die Gräber und benannte die Abteilung des Friedhofs um. Die toten Kinder gerieten in Vergessenheit.

Gedenkstätte auf dem Heger Friedhof

Nach dem Karteikartenfund gründete sich der „Spurensuche Osnabrück e.V.“. Die private Initiative will ein erneutes Vergessen der Kinder verhindern. „Das war damals ein systematisches Verleugnen und Vertuschen der Geschehnisse“, sagt die stellvertretende Vereinsvorsitzende Petra Joachimmeyer über die Räumung der Gräber. „Nach diesen Erkenntnissen planten wir die Errichtung einer Gedenkstelle, genau am ursprünglichen Begräbnisort.“ Mit Unterstützung zahlreicher Spender und ehrenamtlicher Helfer wurden 2018 drei Steine mit den Namen der Kinder auf dem Friedhof aufgestellt. Seitdem recherchieren die Mitglieder von „Spurensuche“ zu ähnlichen Fällen. Außerdem organisieren sie Gedenkveranstaltungen und Aktionen für Schüler.

Gedenkstätte für tote Kinder von Zwangsarbeiterinnen - Spurensuche Osnabrück e.V. gewinnt Preis für für Demokratie und Toleranz
Dr. Alexandra Kurth (links) gratuliert Petra Joachimmeyer (Mitte) und Anika Groskurt von “Spurensuche Osnabrück e.V.” zum gewonnenen Preis.

Bedrückendes aber wichtiges Projekt

Das Engagment des Vereines wurde am Donnerstag (21. September) mit dem Preis „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ des „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ ausgezeichnet. Die Politologin Dr. Alexandra Kurth hob in ihrer Laudatio die Bedeutung der Gedenkstätte hervor: „Ihr Projekt ist sehr bedrückend, doch umso wichtiger ist es, dass Sie sich damit befassen. Es ist ein ganz und gar trauriges und vergessenes Kapitel der deutschen Geschichte. Ich habe mich sehr viel mit Erinnerungsarbeit und NS-Geschichte auseinandergesetzt, aber ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich nichts über die verstorbenen Kinder wusste, bevor ich von Ihrem Projekt hörte. Es berührt mich tief. Sie tragen dazu bei, dass dieser Teil der Geschichte nicht in Vergessenheit gerät.“ „Spurensuche Osnabrück“ will es nicht bei der kleinen Gedenkstätte belassen. Zur Zeit plant der Verein einen außerschulischen Lernort auf dem Friedhof, der in ein altes Verwalterhäusschen ziehen soll.

Mehr als 10.000 Zwangsarbeiter in Osnabrück

Die Nationalsozialisten schufen im Zweiten Weltkrieg eines der größten Zwangsarbeitssysteme der Geschichte. Über 13 Millionen Kriegsgefangene, Häftlinge und Zwangsarbeiter schufteten für das Deutsche Reich. Millionen Menschen wurden aus den besetzten Ländern verschleppt und kamen in fast allen Wirtschaftszweigen zum Einsatz. Im August 1944 waren etwa 30% der in Deutschland tätigen Arbeitskräfte Ausländer. Viele überlebten die miserablen Lebens- und Arbeitsbedingungen nicht. Allein im Stadtgebiet von Osnabrück existierten fast einhundert Zwangsarbeiterlager. Im Januar 1945 befanden sich nach Angaben des Arbeitsamtes 10.371 Zwangsarbeiter in der Stadt.


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Lukas Brockfeld
Lukas Brockfeld
Lukas Brockfeld ist seit dem Sommer 2019, erst als Praktikant und inzwischen als fester Mitarbeiter, für die Redaktion der HASEPOST unterwegs.

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