Vergangene Woche deckte unsere Redaktion auf, dass ein TÜV-Gutachten über den Schadstoffausstoß der Osnabrücker Diesel-Busse in Absprache zwischen Vorstand und Aufsichtsrat der Stadtwerke seit September der Öffentlichkeit vorenthalten wurde.
Auf Nachfrage unserer Redaktion erhielten wir nun von der Stadtverwaltung eine Liste der Straßenabschnitte, in denen der Jahresdurchschnittsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40µg/m³ tatsächlich überschritten wird.

Im Zusammenhang mit unseren Recherchen um das unter Verschluss gehaltene Stadtwerke-Gutachten wurde bekannt, dass die Johannisstraße – die in großen Teilen nur von Diesel-Bussen befahren werden darf – zu den Straßen gehört, die wegen überhöhter Schadstoffwerte von einem durch die Grüne Ratsfraktion ins Spiel gebrachte Diesel-Fahrverbot betroffen wäre.
Volker Bajus, der Verkehrsexperte der Osnabrücker Grünen, wollte allerdings nicht die im niedrigen Geschwindigkeitsbereich besonders schadstoffintensiven Stadtbusse verbannen, sondern lediglich PKW.

Blaue Plakette
Blaue Plakette: Für viele Osnabrücker Dieselauto-Besitzer ein Damoklesschwert.

Nur zwei Straßen mit Stickoxid-Problemen

Die auf Nachfrage unserer Redaktion durch die Stadtverwaltung freigegebenen Daten zu den Straßen, in denen der Jahresdurchschnittsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40µg/m³ überschritten wird, sind es wert genauer angeschaut zu werden.

Lediglich leichte Grenzwertüberschreitungen feststellbar
Auf den ersten Blick fällt auf, es sind nicht fünf Straßen, wie in der politischen Debatte häufig kolportiert wird, sondern lediglich zwei Straßen, in denen letztmalig 2015 vom Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim ein überhöhter Stickoxid-Wert gemessen werden konnte.
Konkret sind dies zwei Straßenabschnitte in der Lotter Straße, die den Jahresdurchschnittsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40µg/m³ knapp überschreiten (40 und 41 µg/m³) und vier Abschnitte in der Johannisstraße. (43, 51, 41 und 47 µg/m³).  Dazu kommen die Bereiche der Messstationen Neumarkt (Passivsammler, 48 µg/m³ in 2016) und Schlosswall (Messstation, 47 µg/m³ in 2016). Die punktuellen Messwertüberschreitungen mit eingerechnet und als Straßenabschnitt gewertet, gibt es in ganz Osnabrück aktuell insgesamt also nur 8 Straßenabschnitte mit Überschreitungen der Grenzwerte für Stickoxid.

Stuttgart hat doppelt so hohe Stickoxid-Werte

In der Diskussion um mögliche Fahrverbote wird immer wieder das Beispiel (je nach Sichtweise auch das “Vorbild”) Stuttgart genannt. Der Grüne Oberbürgermeister der schwäbischen Metropole, Fritz Kuhn, muss sich allerdings mit ganz anderen Schadstoffwerten herumschlagen als das beschauliche Osnabrück. Am Stuttgarter Hauptbahnhof liegt die durchschnittliche Belastung mit Stickoxiden nach Messungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zwischen 80 und 150 µg/m³ – Welten entfernt von den nur in der Lotter Straße mit 40 und 41 µg/m³ geradezu exakt auf dem Grenzwert 40 µg/m³ liegenden Messwerten.

Osnabrück ist überhaupt nicht von EU-Klage bedroht

Und noch ein weiterer Faktencheck: In der Diskussion um mögliche Fahrverbote von Diesel-PKW wird gelegentlich von einer Abmahnung durch die EU-Kommission gesprochen, die es ermöglichen würde auf dem Klageweg ein Fahrverbot für Diesel-PKW durchzusetzen. Ein kleiner Schönheitsfehler bei der Diskussion: Der bereits im herbst 2015 verschickte 23-seitige Mahnbrief (“Aufforderungsschreiben – Vertragsverletzung”) betrifft Osnabrück überhaupt nicht! In dem zwischenzeitlich von Greenpeace veröffentlichten Schreiben  wird der Bundesrepublik vorgeworfen, Deutschland habe von 2010 bis 2013 die Stickstoffdioxidwerte in 29 Städten und Ballungsräumen kontinuierlich überschritten und damit gegen die EU-Richtlinie verstoßen. In 23 dieser Gebiete sei sogar bis 2020 nicht mit einer Einhaltung der Grenzwerte zu rechnen – dazu zählen unter anderem Berlin, Hamburg, München, Stuttgart, Essen, Hagen, Dortmund und der Raum Duisburg/Oberhausen/Mülheim – nur Osnabrück oder der Großraum Weser-Ems tauchen in der Auflistung überhaupt nicht auf! Auch die Deutsche Umwelthilfe plant keine Musterklage gegen Osnabrück. Nach Angaben des Spiegel sind neben München, folgende Städte tatsächlich von einem auf dem Klageweg durchgesetzten Fahrverbot bedroht:

  • Baden-Württemberg: Reutlingen
  • Berlin
  • NRW: Aachen, Bonn, Essen, Gelsenkirchen und Köln
  • Hessen: Darmstadt, Frankfurt, Limburg, Offenbach und Wiesbaden
  • Rheinland-Pfalz: Mainz

Neue Messungen könnten Osnabrück anders bewerten

Allerdings, das merkt Dr. Sven Jürgensen, Pressesprecher der Stadt Osnabrück gegenüber der HASEPOST an, wird voraussichtlich im Spätsommer des Jahres eine neue Modellrechnung seitens des Gewerbeaufsichtsamts Hildesheim erstellt. Diese Messung soll die bisherigen Erkenntnisse über die gravierenden Abweichungen zwischen Prüfstand (=Sollwert) und Realbetrieb (=Istwert) der zugelassenen Fahrzeuge berücksichtigen. Das Umweltministerium der rot/grünen Landesregierung rechnet damit, dass dann eine Reihe weiterer dann die Grenzwerte überschreiten könnten, so z.B. in der Iburger Straße, der BuerschenStraße, der Natruper Straße, der Martinistraße., dem Goethewall und dem Johannistorwall etc. . Die Anzahl der dann von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßenabschnitte könnte dann deutlich über 20 liegen.

Und wenn es ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge in der Stadt Osnabrück in der Zukunft geben sollte, dann müsste dies sinnvollerweise für die ganze Umweltzone gelten, so Dr. Jürgensen. Das es irgendwann dann doch noch zu einer Klage der DHU oder EU gegen Osnabrück kommen könnte, will man bei der Stadtverwaltung nicht ausschliessen. Nach der aktuellen Faktenlage sieht es aber eher danach aus, dass dafür schlicht die Messwerte fehlen und die Luft in Osnabrück zumindest auf dem Papier recht sauber ist – alles andere sind Mutmassungen oder auch Fake-News.

 

 

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